Markus Braun Ex-Wirecard-Chef bald vor Gericht
Mehr als zwei Jahre nach der Pleite des Zahlungsabwicklers Wirecard kommt dessen Ex-Vorstandschef Markus Braun in Kürze vor Gericht. Der Hauptvorwurf lautet gewerbsmäßiger Bandenbetrug.
Im größten Betrugsfall der deutschen Nachkriegsgeschichte soll in Kürze der Strafprozess gegen den früheren Wirecard-Vorstandschef Markus Braun beginnen. Das teilte das Oberlandesgericht München (OLG) heute mit. Das Landgericht München I habe die Anklage der Münchner Staatsanwaltschaft gegen Braun und zwei weitere frühere Wirecard-Manager unverändert zugelassen.
Einzelheiten nannte das OLG nicht. So war zunächst offen, an welchem Tag der Prozess beginnen soll, wie viele Zeugen geladen werden und wie viele Verhandlungstage angesetzt werden sollen. Der Hauptvorwurf gegen die Geschäftsleute ist gewerbsmäßiger Bandenbetrug. Die mögliche Höchststrafe für besonders schwere Fälle von Betrug beträgt zehn Jahre Haft. Seit dem 22. Juli 2020 sitzt Braun in Untersuchungshaft.
Bilanzfälschung, Marktmanipulation, Untreue
Eine Verurteilung setzt allerdings voraus, dass der Angeklagte mit voller Absicht handelte - einen Straftatbestand des fahrlässigen Betrugs gibt nicht. Die Staatsanwaltschaft wirft Braun, seinem früheren Bilanzchef Stephan von Erffa und dem ehemaligen Statthalter von Wirecard in Dubai, Oliver Bellenhaus, in der 474 Seiten starken Anklageschrift Bilanzfälschung, Marktmanipulation, Untreue in mehreren Fällen und gewerbsmäßigen Bandenbetrug vor.
Demnach sollen Braun und Komplizen seit 2015 die Wirecard-Bilanzen gefälscht und kreditgebende Banken um insgesamt 3,1 Milliarden Euro geschädigt haben - davon 1,7 Milliarden Euro an Krediten und weitere 1,4 Milliarden an Schuldverschreibungen. Das Wirtschaftsstrafverfahren - eines der größten in der deutschen Geschichte - wird vor der vierten Strafkammer geführt.
Der bevorstehende Prozess dürfte komplex und langwierig werden. Für ihre Anklage hatte die Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben 340 Firmen, 450 Personen und über 1100 Bankverbindungen als relevant erkannt und überprüft. Nach Recherchen des BR zeigen die Zahlungsflüsse von Wirecard, dass sich der Geldwäsche-Verdacht erhärtet hat.
Größter Finanzschwindel in Deutschland
Der einstige DAX-Konzern war im Juni 2020 zusammengebrochen, nachdem bei der Prüfung des Jahresabschlusses Scheinbuchungen in Höhe von fast zwei Milliarden Euro ans Licht gekommen waren. Das Geld wird bis heute vermisst. Der österreichische Ex-Vorstandschef Braun hatte in der Vergangenheit seine Unschuld beteuert und die Vorwürfe zurückgewiesen. Er sieht sich selbst als Opfer krimineller Machenschaften.
Der einstige Milliardär ist durch den Kollaps seines Unternehmens selbst ruiniert worden, da er nahezu sein gesamtes Vermögen in Wirecard-Aktien angelegt hatte. Geschädigt wurden nicht nur Banken und Investoren, sondern auch zehntausende Aktionäre. Wirecard war nach dem Aufstieg in den DAX an der Börse 2018 zeitweise über 20 Milliarden Euro wert gewesen - dieses Kapital ist zerronnen.
Der mutmaßliche Betrugsschaden von über drei Milliarden Euro übersteigt in absoluten Zahlen und nicht inflationsbereinigt alle seit 1945 in Deutschland bekannt gewordenen Fälle. Bisheriger "Rekordhalter" war das badische Unternehmen Flowtex, das mit dem Verkauf nicht existenter Bohrmaschinen in den 1990er-Jahren einen Betrugsschaden von zwei Milliarden Euro anrichtete. Im VW-Skandal waren die Folgekosten für den Wolfsburger Konzern mit an die 30 Milliarden Euro zwar noch ungleich höher. Dabei ging es aber nicht um Finanzschwindel.