Kulturszene in der Krise Die Konzertbranche hat "Long Covid"
Auftritte von Bands waren zuletzt oft nachgeholte Konzerte. Der Kartenverkauf läuft weiter schleppend - und die Absage einer Tour kann den Ruin bedeuten. Wie tief steckt die Branche noch in der Krise?
Mit ihrem Kölschrock füllt die Kölner Band "Kasalla" längst ganze Stadien. Die letzten Konzerte und Tourneen in Deutschland und in Nachbarländern waren größtenteils ausverkauft. Im Juni spielten die vier Kölner Musiker vor 41.000 jubelnden Menschen - ein nachgeholtes Konzert, dessen Karten vor der Pandemie verkauft worden waren.
Doch nun mussten die Kölschrocker eine für den Herbst geplante Tournee absagen. "Der Grund einfach und ebenso schmerzhaft: Wir hatten zu wenig Karten verkauft in Städten wie Hamburg, Berlin, München und Frankfurt, in denen die Band vor der Pandemie noch vor vollen Häusern spielte", sagt Leadsänger Bastian Campmann.
Ein schwerer Schlag. Dennoch: Die Band entscheidet, offensiv damit zu gehen. "Wir haben natürlich lange mit uns gerungen, denn unter dem Strich ist das ja auch ein Imageverlust. Jetzt möchten wir das aber auch offen kommunizieren, weil wir wissen, dass es in der Branche an vielen Stellen genauso läuft," sagt er.
Kleinere Bands haben Probleme
Wie "Kasalla" geht es auch anderen Gruppen. Vor allem kleinen und mittleren Bands machen schlechte Kartenverkäufe zu schaffen. Der Eindruck vom Eventsommer 2022 mit vollen Stadien täusche, erklärt der Musikjournalist Linus Volkmann: "Wer nicht gerade eine ganz große Nummer ist oder einen Hype hat, der guckt ziemlich in die Röhre."
Der Branche gehe es nicht gut, sagt auch Jens Michow vom Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft. Sie sei in der Pandemie stärker betroffen gewesen als andere Wirtschaftsbereiche und erhole sich nur langsam. "Es entsteht der Eindruck, dass alles ganz normal ist, weil wir volle Konzerte und Stadien sehen, aber das sind Konzerte, deren Karten vor der Pandemie verkauft wurden und auf der Basis des damaligen Preisniveaus kalkuliert wurden. Die Veranstalter verdienen nicht viel daran, denn seither ist alles teurer geworden. Alles was an neuen Konzerten veranstaltet wird, ist leider nicht ausverkauft", sagt Michow.
Mussten eine ganze Tournee absagen: Die Kölschrocker von "Kasalla".
Neben den Künstlern und Musikern leiden auch Booker, Tourbegleiter, Roadies und Bühnenarbeiter. Ein ganzer Kulturzweig droht ins Wanken zu geraten. Andere Wirtschaftszweige hätten sich erholt und arbeiteten wie vor der Pandemie, nicht aber die Kulturbranche, sagt Michow. Die Hilfen laufen jetzt im Sommer aus, aber eigentlich werde die Branche weiterhin auf finanzielle Unterstützung angewiesen sein.
Rückzug ins Private
Die Gründe für den schleppenden Kartenverkauf sind vielfältig: Die Sorge vor steigenden Preisen spiele eine Rolle, ebenso die Angst sich anzustecken, außerdem habe sich das Freizeitverhalten verändert, sagt der Psychiater Volker Busch, der sich mit den Folgen der Pandemie beschäftigt hat. Die Menschen zögerten und legten sich nicht gerne fest. "Außerdem haben wir gelernt, es uns zu Hause einzurichten." Viele Menschen haben Streaming-Plattformen entdeckt und sich ins Private zurückgezogen. "Die Kulturszene befindet sich in einer Art Long-Covid-Syndrom und ist noch nicht wieder vollständig gesund. Wir sind in einem Erschöpfungszustand danach, und es wird auch noch eine Weile dauern."
Der Hamburger Künstler Rocko Schamoni warnt in einem eindringlichen Appell vor dem Artensterben in der Kultur: Er befürchtet, dass es vor allem die kleineren Gruppen und Künstler treffen könnte. "Sie verschwinden zuerst, da sie keine Reserven haben. Kommt von den Sofas!", lautet sein Appell. Die Musiker der Kölner Band "Kasalla" hoffen, dass es tatsächlich wieder wird wie früher. Denn sonst hätte die gesamte Kulturbranche ein Riesenproblem.