Engpässe nehmen zu Mehr als 250 Arzneimittel nicht lieferbar
Medikamente wie Fiebersaft oder Krebstherapeutika sind immer häufiger nicht erhältlich. Die Ausfälle würden immer schwerwiegender, warnt der Deutsche Apothekerverband.
In Deutschland ist laut Apothekerverband eine wachsende Zahl an Medikamenten nicht erhältlich. "Über 250 Mittel sind aktuell als nicht lieferfähig gemeldet", sagte der Vizevorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes, Hans-Peter Hubmann, der Nachrichtenagentur dpa. "Das Problem ist schon sehr bedeutend, das muss man klar sagen."
Probleme gebe es nicht nur bei Nischenprodukten, sondern auch bei gängigen Mittel gegen Bluthochdruck und Diabetes. Zudem waren Schmerzmittel wie Ibuprofen zeitweise nicht erhältlich. "Lieferengpässe gibt es immer wieder mal, weil ein Produzent ausfällt, aber die Menge und die Länge des Ausfalls ist deutlich dramatischer geworden", so Hubmann. Vor fünf Jahren seien zahlenmäßig nicht einmal halb so viele Produkte betroffen gewesen.
Mangel bei Brustkrebsmittel
Auf der Lieferengpass-Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArm) sind derzeit 303 Arzneimittel aufgelistet. Als mögliche Gründe für den die eingeschränkte Verfügbarkeit von Fiebersäften für Kinder mit den Wirkstoffen Paracetamol und Ibuprofen sieht das BfArm neben dem Rückzug eines Marktteilnehmers auch ein Verteilproblem. Zudem sei der Bedarf an den betroffenen Arzneimitteln in diesem Jahr überproportional angestiegen.
Während sich in vielen Fällen Ausweichmittel mit dem gleichen oder einem ähnlichen Wirkstoff finden lassen, gibt es manchmal keine Alternative, die den Patientinnen und Patienten angeboten werden kann. "Im April und im Mai hatten wir einen absoluten Mangel am Brustkrebsmittel Tamoxifen", sagte Hubmann. Für die betroffenen Frauen sei das ein Risiko, es sei dann "schon die Gesundheit gefährdet". Als Reaktion auf den Mangel hatten die deutschen Behörden unter anderem empfohlen, kleinere Packungen zu vergeben.
Herstellung nicht mehr wirtschaftlich?
Die Ursachen der Engpässe sind laut Hubmann vielfältig. So hätten nahezu alle Anbieter die Produktion von Fiebersaft eingestellt, weil die Herstellung aufgrund der Festbeträge und des Drucks der Kassen nicht mehr wirtschaftlich gewesen sei. "Jetzt gibt es noch einen, und der kann die Menge nicht schultern."
Auch der Branchenverband Pro Generika hatte im Frühjahr vor einer Marktverengung bei Paracetamol-Säften zur Fiebersenkung gewarnt. Während aktuell ein Hersteller nahezu die gesamte Versorgung in Deutschland sicherstellen müsse, habe es vor zwölf Jahren noch elf Anbieter flüssiger Paracetamol-Zubereitungen gegeben. Laut Branchenverband verharren die Festbeträge, die für die Medikamente gezahlt werden, seit zehn Jahren auf demselben Niveau. Gleichzeitig stiegen jedoch die Preise für Energie, Logistik und Wirkstoffe.
Lieferketten unter Druck
"Die andere Ursache sind Lieferkettenabrisse", sagte Hubmann. Wirkstoffe werden heutzutage überwiegend in Fernost, vor allem in China und Indien, hergestellt. Wenn dort wegen Corona Fabriken geschlossen werden oder Frachter die Häfen nicht mehr anlaufen dürfen, komme es am Ende selbst bei Arzneimitteln zu Engpässen, die in Europa hergestellt werden. Manchmal könnten auch Lieferungen wegen Verunreinigungen nicht verwendet werden.
"Deshalb ist unsere Forderung seit längerem, dass auch die Wirkstoffproduktion wieder in Europa stattfinden muss", so Hubmann. Die Politik müsse dafür die Voraussetzungen schaffen.