Unsanierte Einfamilienhäuser.
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Lage auf dem Immobilienmarkt Zeit für Schnäppchen?

Stand: 28.01.2024 08:34 Uhr

Die Immobilienpreise sinken, genau wie die Bauzinsen. Zugleich sind doppelt so viele Objekte auf dem Markt wie noch vor zwei Jahren. Das bietet Kaufinteressierten großen Verhandlungsspielraum.

Von Isabella Kroth, br

Erwin Muhr verfolgt den Immobilienmarkt ganz genau. Denn er hat viel vor: Seine Doppelhaushälfte in München-Milbertshofen möchte er verkaufen - zu einem guten Preis. Und dann möchte er selbst bauen, und zwar im niederbayerischen Bodenmais. Auch zu einem guten Preis.

Doch die potenziellen Käufer seiner 122 Quadratmeter großen Wohnung gehen nicht mit bei den Preisvorstellungen des 59-Jährigen. "Die Kunden wissen, was los ist auf dem Markt - dass es nicht so viele Kaufinteressenten gibt", sagt Muhr. "Man merkt schon, dass die gleich versuchen, den Preis gut nach unten zu drücken."

Die Hauspreise purzeln

Überall in Deutschland fallen derzeit auf dem Immobilienmarkt die Preise: Laut Statistischem Bundesamt sanken sie allein im dritten Quartal 2023 um 10,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Besonders groß ist der Rückgang in den Top-7-Regionen in Deutschland, zu denen auch München gehört: Dort sind die Preise um 12,7 Prozent gesunken.

Bei dem Kreditvermittler Interhyp sieht der Vorstandsvorsitzende Jörg Utecht darin eine Chance - für Käufer. Denn auch das Angebot an Immobilien sei viel größer geworden. Nach Angaben des Interhyp-Tochterunternehmens ThinkImmo, einer plattformübergreifenden Immobiliensuchmaschine, befinden sich aktuell gut 400.000 Objekte in den Portalen in Deutschland - doppelt so viele wie noch im Jahr 2022.

Gute Verhandlungsposition

"Das führt natürlich auch wiederum zu einer gewissen Verhandlungsposition, die Käuferinnen und Käufer haben und nutzen können", so Utecht. Wer mit dem Gedanken spiele zu kaufen, für den gebe es keinen Grund zu warten. "Wir erkennen, dass sich am Immobilienmarkt ein günstiges Zeitfenster aufgetan hat, in dem sich durchaus das ein oder andere Schnäppchen machen lässt. Die Zinsen sind zurückgegangen, und die Objektpreise haben flächendeckend noch nicht wieder angezogen."

Während der Preis für Immobilien der Energie-Effizienzklasse A+ oder A nur um 1,15 Prozent gesunken sei, falle der Preis für alle darunter liegenden Effizienzklassen. So ging der Preis für eine Immobilie der Klasse B um knapp sieben Prozent zurück, bei der Klasse C oder D sind es laut Interhyp bereits fast elf Prozent. Bei Klasse G oder H sind es über 13 Prozent.

Sinkende Zinsen

Erwin Muhrs Haus gehört zur Energie-Effizienzklasse A. Noch vor zwei Jahren hätte Muhr sein Haus vermutlich längst verkauft. Doch jetzt hat er es vom Markt genommen und will abwarten. Er hofft, dass die Zinsen weiter fallen und die Käufer dann zurück auf den Markt drängen.

Denn hier könnte dieses Jahr noch etwas in Bewegung kommen. Zuletzt sind die Bauzinsen bereits gefallen. Für einen Baufinanzierungskredit mit zehnjähriger Laufzeit zum Beispiel ist der durchschnittliche Zinssatz laut Immobilienfinanzierer Interhyp seit Anfang November 2023 von 4,23 Prozent auf aktuell 3,45 Prozent gesunken - ein Rückgang von fast 0,8 Prozentpunkten.

Für den Vorstandsvorsitzenden der Interhyp tut sich deshalb gerade ein Zeitfenster auf. "Wir kommen von Zinsniveaus weit über vier Prozent. Das bedeutet, dass wir über die Laufzeit eines Darlehens erhebliche Beträge sparen können, zum Teil mehrere Zehntausend Euro", sagt Jörg Utecht.

Viele Kreditvermittler preisen schon jetzt die Erwartung auf weiter fallende Zinsen ein. Denn der Leitzins der Europäischen Zentralbank könnte bald wieder sinken, so die Prognose von Timo Wollmershäuser. Er ist Leiter der Konjunkturprognosen des Münchner ifo-Instituts: "Die Zinswende wird kommen, die Europäische Zentralbank, denke ich, wird im Laufe des Jahres - vermutlich im Frühsommer - den ersten Zinsschritt nach unten beschließen, das wird von der Finanzierungsseite weiter entlasten." Und das könnte dann auch die Bauzinsen weiter sinken lassen.

Baubranche unter Druck

Für Erwin Muhr wäre das eine Erleichterung, auch weil er in Bodenmais selbst bauen will. Das Grundstück hat er bereits erworben. Nun hofft er auf gute Angebote von den örtlichen Bauunternehmern und Handwerkern. Der Bürgermeister vor Ort, Joli Haller, ist optimistisch. Er beobachtet wieder mehr Wettbewerb in der Baubranche: "Wir sehen, es kommen wieder mehr Angebote, die haben zum Teil Kampfpreise. Wenn sich das verfestigt, können die Bauwerber mit günstigeren Baukosten rechnen."

Die Stimmung in der Baubranche ist laut der jüngsten Untersuchung des ifo-Instituts schlecht. Das Geschäftsklima ist aktuell mit minus 56,8 Punkten gefallen - auf den schlechtesten Wert seit Beginn der Erhebung im Jahr 1991. Es ist ein rapider Abfall. Denn während der Niedrigzins-Politik waren die Bauunternehmen mehr als ausgelastet, durch den Bauboom wussten sie gar nicht, "wie sie die ganzen Aufträge abarbeiten sollten", so ifo-Forscher Wollmershäuser.

Durch die Zinswende habe sich das gravierend verändert. "Wir hatten eine Stornierungswelle, die durch das Land gerauscht ist. Und die steigenden Zinsen bis ins letzte Jahr hinein haben die Finanzierung der teuren Bauprojekte noch einmal verteuert. Das hat viele Käufer abgeschreckt."

Erwin Muhr will jetzt den richtigen Zeitpunkt nicht verpassen, sein Haus in München zu einem guten Preis verkaufen - und von fallenden Bauzinsen profitieren. Drei Jahre Zeit hat ihm die Gemeinde eingeräumt, bis sein Grundstück in Bodenmais bebaut sein soll.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR Abendschau am 25. Januar 2024 um 18:00 Uhr.