Angebote der Supermarkt-Ketten Biomilch zum Kampfpreis
Discounter wie Aldi bieten immer häufiger Bioprodukte wie Milch zum Billigpreis an. Viele Supermarkt-Kunden wundern sich: Wie kann das sein - zumal in Zeiten hoher Inflation?
Biobauer Reinhard Nagel erinnert sich noch sehr genau an die Mitgliederversammlung der Upländer Bauernmolkerei, auf der die Geschäftsleitung plötzlich erklärte, dass man zukünftig mit der Aldi-Eigenmarke "Gut Bio" zusammenarbeiten wolle: "Es war sehr hitzig, das ist klar. Viele waren der Meinung, das geht gegen unsere Ehre, das können wir nicht machen, das ist gegen unsere Standards". Das war vor ein paar Monaten.
Die Upländer Bauernmolkerei, Hessens einzige Bio-Molkerei, ist für Reinhard Nagel eine absolute Herzenssache. 1996 hat er sie zusammen mit 17 anderen Milchbauern gegründet. Bioprodukte wollten sie machen, faire Preise, faire Bedingungen für Mensch und Tier erreichen. Und jetzt dieser Schock: "Das war ein komisches Gefühl, aber letztendlich hat die Mehrheit entschieden und die Mehrheit sagt, wir machen das jetzt mal so und dann gucken wir mal, was dabei herauskommt. Man darf sich natürlich von so einem Konzern nicht abhängig machen", sagt Nagel. Seitdem heißt es: Wo die Aldi-Eigenmarke "Gut Bio" draufsteht, ist oft Upländer Bauernmolkerei drin - Biomilch zum Kampfpreis von 1,25 Euro.
Gut für das Image von Aldi & Co.
Aber was steckt hinter solchen Kooperationen? "Die Discounter profitieren davon, wenn sie mit Themen wie Umweltbewusstsein, Nachhaltigkeit, Regionalität, Tierwohl ihr Image aufpolieren können. Ich glaube, dass solche strategischen Partnerschaften oft nicht ganz freiwillig eingegangen werden, denn die Bio-Molkereien haben momentan das Problem von Angebotsübermengen, die sie in den Markt bringen müssen", sagt Nikos Förster vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen.
Wegen des Ukraine-Kriegs und der hohen Inflation achteten die Verbraucher stärker auf ihre Ausgaben und griffen weniger zu Bioprodukten. "Die Nachfrage ist dadurch stark eingebrochen, die Milch-Produzenten liefern aber die gleichen Mengen wie zuvor", so Förster.
Experten zufolge ist der Verkauf von Biomilch im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent zurückgegangen. Die Übermengen müssen nun günstig am Markt untergebracht werden - eine schwierige Verhandlungssituation für die Molkereien. "Da kann es natürlich sein, dass dann nachverhandelt wird und dass der Preisdruck irgendwann größer wird, und dann muss man sehr aufpassen, auch als Bioverband, dass nicht die eigenen Produkte irgendwann zu Billigpreisen verramscht werden."
Einbruch bei Reformhäusern
Die Geschäftsführung der Upländer Bauernmolkerei hat ein Interview zu der Kooperation mit Aldi abgelehnt. Auch der Discounter will sich nur schriftlich äußern: "Regionale Artikel sind ein wichtiger Bestandteil des Sortiments", heißt es von Aldi. "Die Zusammenarbeit mit der Upländer Bauernmolkerei besteht derzeit in drei Regionen."
Dass Kooperationen mit namhaften Biomarken vor allem den Discountern helfen, zeigen auch die aktuellen Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung. Die Umsätze der Biosupermärkte sind im vergangenen Jahr um 10,8 Prozent eingebrochen. Bei den Reformhäusern sind die Zahlen noch dramatischer, sie verzeichneten sogar ein Minus von 37,5 Prozent. Die Markenartikelhersteller im Bio-Bereich haben rund 8,9 Prozent verloren.
Ganz anders sieht es bei den Eigenmarken der Handelsketten wie zum Beispiel "Gut Bio" aus. Sie haben gegen den Trend um neun Prozent zulegt.
"Bio muss das neue Normale werden"
Jan Plagge, der Präsident von Bioland, dem größten Bio-Anbauverbandes in Deutschland, findet Kooperationen mit Discountern trotzdem sinnvoll. Er arbeitet seit sieben Jahren mit Lidl zusammen. "Die erste Reaktion war: Nee, das passt nicht zusammen. Beim genaueren Hinsehen hat sich meine Meinung dann aber geändert. Die Produktionskosten werden ja festgelegt durch unsere Richtlinien, durch die Standards in der Tierhaltung, im Pflanzenbau, in der Biodiversität. Das definiert die Kosten." Deswegen sei von Anfang an die Ansage des Verbands an Lidl gewesen: "Ihr müsst faire, auskömmliche Erzeugerpreise bezahlen, ansonsten können wir euch nicht beliefern."
Bei Bioland sind bundesweit insgesamt 10.000 Betriebe organisiert. Auch die Zusammenarbeit der Upländer Bauernmolkerei mit Aldi begrüßt Plagge: Solche Kooperationen seien wichtig dafür, dass so etwas wie regionale Bioland-Milch zum Alltagprodukt werde. "Das ist das, wofür wir uns einsetzen: dass Bio das Normale wird und nicht etwas Exklusives ist, für den Sonntag." Davon profitierten am Ende vor allem die Verbraucher.