Branchenmesse Eurobike Bald mehr E-Bikes verkauft als normale Fahrräder
Der Boom der Elektro-Räder ist ungebrochen. Die Branche erwartet, dass sie dieses Jahr mehr als die Hälfte des Fahrradmarkts ausmachen werden. E-Bikes werden schneller, leichter - und es gibt immer mehr Unfälle.
Zwar klagt die Zweiradbranche, dass die Geschäfte nicht mehr ganz so glänzend laufen wie während der Corona-Zeit. Doch nach wie vor werden hohe Umsätze gebucht. Bei einer Pressekonferenz zum Start der Messe Eurobike in Frankfurt am Main war heute von Normalisierung des Marktes die Rede.
Vor allem Bewohnerinnen und Bewohner von Städten kaufen mit großer Begeisterung E-Bikes und Lastenfahrräder. Die Nachfrage für einfache Fahrräder ohne Motor bröckelt weiter. Dieses Jahr dürften nach Schätzung des Industrieverbandes Zweirad zum ersten Mal mehr E-Bikes als konventionelle Räder verkauft werden. Für Hersteller und Händler bedeutet das gutes Geschäft. Denn während ein herkömmliches Rad dem Fachhandel im Schnitt 714 Euro Umsatz bringt, wird für ein E- Bike mit 3570 Euro glatt das Fünffache kassiert, berichtet der Handelsverband Zweirad.
Im Schnitt mehr als zwei Räder pro Haushalt
Bis weit in die Nachkriegszeit hinein waren Fahrräder gängige Verkehrsmittel der Landbevölkerung und von Arbeitern für den Weg zur Fabrik. Kinder und Jugendliche nutzten ihre Räder für die Notwendigkeit alltäglichen Transports. Heute werden Fahrräder sehr häufig von gutverdienenden Angehörigen der Mittelschicht und in der ökonomischen Oberschicht als Sportgerät genutzt.
Je älter die Fahrerinnen und Fahrer, desto mehr fahren mit Unterstützung von Elektromotoren. In gehobenen Vierteln deutscher Städte werden Lastenräder gefahren, die immer öfter elektrische Zusatzantriebe haben. Die Geschäftsführer des hessischen Herstellers Riese und Müller sagen, ihre Kunden sähen teure Lastenräder oft als Alternative zum Kauf eines Zweiautos.
Die "Laufende Wirtschaftsrechnung" des Statistischen Bundesamtes zeigt, dass seit Jahren vier von fünf deutschen Haushalten Fahrräder haben - und zwar im Durchschnitt 2,3 Stück. Angesichts der hohen Zahl kleiner Haushalte in Deutschland bedeutet das, dass es eine beachtliche Zahl von Radfahrern gibt, die mehrere Räder parallel nutzen: Für den Wald ein Mountainbike, für Straßentouren ein Rennrad und zum Einkauf ein "Urban Bike".
Kunden mit hohem Budget umworben
Das Familienunternehmen Coboc aus Heidelberg plant ein leichtes E-Mountainbike, das auch auf Straßen und in der Stadt nutzbar ist. Gezeigt wird auf der Messe nur ein Ansichtsmodel in 3-D-Druck-Technik - das Ziel ist aber klar: Menschen mit umfangreicher Fahrradnutzung, hohem Budget und wenig Platz sollen als Kunden gewonnen werden.
Bei der Eurobike, die in Frankfurt am Main bis zum kommenden Sonntag läuft, füllen Hunderte Aussteller vier große Messehallen. Fahrradfahren wird als Beitrag zur Verkehrswende beschrieben. "Verantwortung im Sinne der Nachhaltigkeit" verspricht der frühere Radsportler Marcel Kittel, dessen frisch gegründete Erfurter Firma Kids Bike Revolution Kinderräder entwickelt, deren Rahmen recyclingfähig sein sollen.
"Unsere Idee ist recyclingfähig", sagt auch Patrick Steinwand von H+B Hightech aus Baden- Württemberg. Der Autozulieferer stellt eine neue Gangschaltung vor. Und auch "E Bike Advanced Technologies" aus Frankfurt am Main sagt, ihre Rahmen seien "100 Prozent kreislauffähig". Advanced bietet im Netz eine Broschüre zu Erkenntnissen ihrer ökologisch vorteilhaften Produktion. Doch hier wie dort sind Nachweise und konkrete Angaben, wie die glasfaserbeschichteten Silikongewebe, mit Polyamid ummantelte Karbonfasern und Spritzgußkunststoffe wiederverwertet werden sollen, rar.
"Fast schon Motorräder"
E-Bikes werden immer schneller und leichter und damit auch für Ungeübte einfacher zu bedienen. "Wir unterstützen bis zu 45 Stundenkilometern", sagt Dirk Menze vom Getriebehersteller Pinion aus Denkendorf bei Stuttgart. "Es ist fast schon ein Motorrad" kommentiert Sebastian Fessen-Fallsehr von Busch und Müller aus dem Sauerland ein Vorführfahrrad. Sein Unternehmen hat das E-Bike mit Blinkern, Fernlicht und Bremslicht ausgestattet - was im Straßenverkehr noch nicht gestattet ist. E-Bikes werden unter den Motorradmarken Ducati, KTM und Yamaha verkauft.
Schnelle E-Bikes brauchen ein Kennzeichen, mit dem die Versicherung nachgewiesen wird. Wer sie nutzt, muss einen Führerschein haben. Der Verband der Fahrradindustrie fordert politische Unterstützung. Im Gegensatz zu anderen Konsumgütern sei ihren Kundinnen und Kunden "die Nutzung unserer Produkte nicht uneingeschränkt möglich".
Mehr als 200 Todesopfer bei Unfällen
Die Veranstalter der "Eurobike", die Branchenverbände und die Werbeagentur "Pressedienst Fahrrad" stellen auf der Messe neue Räder, Getriebe, Motoren, Lampen, Taschen und Sitze vor. Von Helmen ist kaum die Rede. Geworben wird mit Fahrern und Fahrerinnen ohne Kopfschutz - beispielsweise von der Deutschen Bahn ("Call a Bike").
Eine Auswertung des Statistischen Bundesamtes zeigt, dass die Zahl der Unfälle mit E-Bikes drastisch steigt. Vergangenes Jahr wurden 22.000 Menschen verletzt und 206 kamen ums Leben; im Jahr zuvor waren es noch 17.000 Verletzte und 131 Tote. Dass häufig keine anderen Verkehrsteilnehmer beteiligt sind, deutet darauf hin, dass die E-Bikes oft nicht beherrscht werden.