Entlastung tritt in Kraft Die Tücken und Lücken der Gaspreisbremse
Die neue Gaspreisbremse soll die Verbraucherinnen und Verbraucher auch rückwirkend entlasten - ohne dass diese selbst aktiv werden müssen. Doch Verbraucherschützer rechnen mit Problemen bei der Umsetzung.
Christian Weindorfs Telefon klingelt pausenlos, seit Monaten schon. Der Energieberater und Schornsteinfeger aus Dortmund berät Menschen im gesamten Ruhrgebiet dazu, wie sie ihren Energieverbrauch senken können. Durch die stark gestiegenen Gaspreise stünden viele Haushalte finanziell massiv unter Druck, berichtet er.
Mehr als 100 Euro monatliche Ersparnis
Doch nicht jeder könne sein Haus von heute auf morgen umrüsten. "Viele Menschen trifft es sehr hart. Ich habe Kunden, die sind Rentner, haben ein kleines Häuschen. Da ist nicht mehr viel Puffer im Budget, weder für dauerhaft teures Gas, noch für eine große energetische Sanierung des Hauses", sagt Weindorf. "Da versuchen wir dann, an kleinen Stellschrauben zu drehen."
Solche Menschen soll die Gaspreisbremse entlasten. Mit dem heutigen 1. März tritt sie in Kraft und wirkt rückwirkend ab dem 1. Januar 2023. Als Grundlage dient der Gasverbrauch aus dem Vorjahr. Für 80 Prozent dieses Verbrauchs wird der Preis gedeckelt, auf zwölf Cent pro Kilowattstunde. Für die restlichen 20 Prozent zahlen die Kunden den höheren Preis, der im Vertrag mit ihrem Versorger vereinbart ist. Das soll zum Energiesparen motivieren.
Die Verbraucherzentrale NRW hat ausgerechnet, wie viel Geld eine vierköpfige Familie mit einem Jahresverbrauch von 29.000 Kilowattstunden durch die Gaspreisbremse einspart, wenn sie zurzeit 18 Cent pro Kilowattstunde zahlen müsste. Es sind mehr als 100 Euro. Senkt diese Familie zusätzlich ihren Energieverbrauch um 20 Prozent, kann sie ihre monatlichen Heizkosten sogar halbieren: Von 435 Euro auf 232 Euro.
Kunden müssen nichts tun?
Es sei ein passables Gesetz, das die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat, findet Holger Schneidewindt, der bei der Verbraucherzentrale NRW für energierechtliche Fragen zuständig ist. In der Theorie sei die Gaspreisbremse so angelegt, dass die Verbraucher nichts tun müssen und der Energieversorger die Abschläge automatisch anpasst. In der Praxis aber laufe es nicht so unkompliziert.
"Wir sehen jetzt schon Anschreiben, die nicht in Ordnung sind, wo die Abschlagshöhe zu hoch angegeben ist, zu Lasten der Verbraucher." Das könne mit IT-Fehlern zusammenhängen. Doch Schneidewindt schließt nicht aus, dass einzelne schwarze Schafe unter den Energieversorgern bewusst falsch rechnen könnten.
Verbraucherschützer erwarten "Wildwuchs" bei Umsetzung
Kompliziert könne es immer dann werden, wenn der Energieverbrauch sich zuletzt stark verändert hat, sagt Schneidewindt. "Was ist mit Menschen, die im vergangenen Jahr umgezogen oder deren Kinder ausgezogen sind? Das ist im Gesetz nicht geregelt." Viele Verbraucher würden außerdem noch auf das Schreiben vom Energieversorger warten. "Wir befürchten einen Wildwuchs bei der Umsetzung. Das macht auch die Verbraucherberatung so schwierig", sagt Schneidewindt.
Ingbert Liebing dagegen, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen, der die Stadtwerke in Deutschland vertritt, bittet um Geduld: "Alle Stadtwerke arbeiten seit Gesetzesbeschluss kurz vor Weihnachten mit Hochdruck und Herzblut an der Umsetzung." Viele Kundinnen und Kunden hätten fristgerecht die Informationsschreiben mit detaillierten Angaben zu den Entlastungen erhalten.
"Selbst wenn es vereinzelt zu ungewollten Verzögerungen bei der Umsetzung der Energiepreisbremsen kommen sollte: Alle werden ihre Entlastungen bekommen." Die Stadtwerke müssten zahlreiche Tarifkonstellationen und viele Ausnahmefälle beachten und seien bei den Anpassungen der Abrechnungsprogramme auf ihre IT-Dienstleister, deren Know-how und Kapazitäten angewiesen, erklärt Liebing.
Gaspreis auf dem Weltmarkt gesunken
Während viele Kunden zum Ende des Jahres von ihren Versorgern über starke Preiserhöhungen informiert wurden, ist der Gaspreis auf dem Weltmarkt zuletzt deutlich gesunken. Lag er im Dezember punktuell bei 150 Euro pro Megawattstunde Gas, waren es Ende Februar nur noch knapp 50 Euro. Ist die Gaspreisbremse damit obsolet, weil die Versorger die Preise demnächst wieder nach unten korrigieren werden?
Auf den Preisvergleichsportalen im Internet sei der Trend nach unten bereits zu erkennen, sagt Verbraucherschützer Schneidewindt von der Verbraucherzentrale NRW. Doch Energiemarktexperte Georg Zachmann dämpft die Erwartungen. "Wir sind auf einem Drahtseilakt. Es besteht die Gefahr, dass durch ein kleines Problem - sei es bei einer Pipeline, sei es bei zu starker Nachfrage in Europa in einem besonders starken Winter - der Markt wieder kippt und wir wieder deutlich höhere Preise sehen."
Verbraucher wappnen sich
Viele Kunden von Energieberater Weindorf wollen sich nicht auf sinkende Gaspreise verlassen. Marcel Gießwein aus dem nordrhein-westfälischen Schwelm etwa plant, sein Haus energetisch zu sanieren, um irgendwann eine Wärmepumpe einbauen zu können.
"Ich habe ein relativ großes Haus, das ich beheize, und deswegen hilft die Gaspreisbremse mir natürlich besonders. Kurzfristig ist das okay, langfristig aber finde ich, sollte man gezielter fördern - vor allem die, die wirklich knapp bei Kasse sind." Gießweins Ziel ist es, unabhängig zu werden von Gas. Dafür will er demnächst im ersten Schritt die undichten Holzfenster gegen neue austauschen.