Energiekrise Was schützt vor der Gassperre?
Wegen der hohen Energiepreise könnten Menschen mit geringen Einkommen in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Wann darf der Versorger Strom oder Gas abstellen? Und wie können sich Verbraucher davor schützen?
Es ist kühl geworden. Zwar zeigt sich der Herbst noch nicht von seiner unangenehmen Seite, die Sonne hat noch Kraft. Aber einstellige Temperaturen am Morgen und nur noch knapp zweistellige Grade am Abend lassen schnell die guten Sparvorsätze aus dem Hochsommer in Vergessenheit geraten. Viele werfen in diesen Tagen ihre Heizungen an und lassen das heiße Badewasser ein.
Wenn sich die Rechnung verdoppelt
Und das wird erheblich teurer als noch im Jahr zuvor: Eine Familie, die im vergangenen Jahr 3000 Euro für Energie bezahlt hat, muss in diesem Jahr mit 6000 Euro rechnen. Für Menschen mit niedrigen Einkommen kann diese Preissteigerung zum existentiellen Problem werden.
Das Thema Energiepreise belaste viele Menschen, berichtet Fabian Fehrenbach von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. "Kürzlich war eine Frau bei uns in der Beratung, die mit Tränen in den Augen erzählte, dass sie bisher immer nur knapp über die Runden kam und jetzt ihre Stromrechnung nicht mehr zahlen kann."
Abschlagszahlungen anpassen, notfalls Kontakt suchen
Angesichts der Energiekrise haben die Verbraucherzentralen Tipps zusammengestellt, wie Kundinnen und Kunden durch den Winter kommen können, ohne in finanzielle Not zu geraten. "Achten Sie zunächst darauf, dass Ihre Abschlagszahlungen auch wirklich zu ihrem Stromverbrauch passen", erläutert Fehrenbach. Seien die Abschläge zu niedrig, könnten bei der Jahresrechnung sehr hohe Nachforderungen auf die Verbraucher zukommen - und große Probleme bringen. Besser sei es, gleich höhere Kosten einzukalkulieren und möglicherweise an anderer Stelle zu sparen.
Sollten Kunden in die Situation kommen, ihre Stromrechnung nicht bezahlen zu können, rät die Verbraucherzentrale zu offener Kommunikation: "Je früher der Energieversorger von Schwierigkeiten erfährt, desto besser sind die Chancen, eine gemeinsame Lösung zu finden", so Fehrenbach.
Kunden hätten zum Beispiel das Recht, eine offene Rechnung in Raten zu bezahlen. Möglich sei auch, die monatlichen Abschläge zeitweilig zu erhöhen, um so die Summe der Rückstände zu reduzieren. Bei vorübergehenden Zahlungsproblemen lasse sich auch eine Stundung bis zur nächsten Jahresrechnung aushandeln - etwa für Menschen, die gerade in Kurzarbeit sind oder Krankengeld beziehen. Wer Sozialleistungen erhalte, könne sich vom Jobcenter oder dem Sozialamt Geld in Form eines zinslosen Darlehens leihen, um Energieschulden zu bezahlen.
Bei Zahlungsrückstand kann Strom abgestellt werden
Ganz wichtig sei in jedem Fall: "Bezahlen Sie die Abschläge, wenn möglich, immer regelmäßig und pünktlich, damit kein Schuldenberg entsteht. Und ignorieren Sie nie Rechnungen oder Mahnungen", rät Fehrenbach. Denn grundsätzlich haben Energieversorger durchaus das Recht, den Strom oder das Gas abzustellen.
"Wenn ihr Zahlungsrückstand eine Höhe erreicht, die doppelt so hoch ist wie die monatliche Abschlagszahlung, kann der Versorger den Strom oder das Gas abstellen", sagt der Mainzer Rechtsanwalt Christian Giloth. Seien keine monatlichen Abschläge vereinbart, müsse der Rückstand mindestens ein Sechstel der Jahresrechnung betragen, mindestens aber 100 Euro.
Bevor die Sperre aber wirklich verhängt wird, muss der Versorger diese vier Wochen vorher androhen, erläutert Anwalt Giloth. Außerdem müsse der Vollzug acht Werktage vorher per Brief ankündigt werden. Zudem sei der zuständige Energieversorger verpflichtet, den Kunden vorher über Hilfsangebote zu informieren und etwa auf die Möglichkeit der Ratenzahlung aufmerksam zu machen.
Energieunternehmen treten in Vorleistung
"Einem Haushalt den Strom oder das Gas abzustellen ist immer nur Ultima Ratio", sagt Birgit Heinrich, Sprecherin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.: "Die Anbieter wollen diesen Schritt, wo immer es geht, vermeiden und sind bereit, Lösungen zu finden." Allerdings gingen die Energieversorger bei der Lieferung der Energie immer in finanzielle Vorleistung. Sie seien auf die Bezahlung angewiesen, denn sie seien ihrerseits verpflichtet, die vorab beschaffte Energie zu bezahlen.
Dennoch seien die Unternehmen darauf bedacht, gemeinsam mit den Kunden Lösungen zu finden. Heinrich zufolge arbeiten viele Energieversorger eng mit Schuldnerberatungen oder karitativen Einrichtungen zusammen. Sperrungen von Gasanschlüssen würden nicht realisiert, wenn die Auswirkungen auf die Kunden unverhältnismäßig seien.
"Unverhältnismäßig ist eine Sperre zum Beispiel, wenn sie als Verbraucher eine angemessene Ratenzahlung anbieten oder nachvollziehbar um Aufschub der Zahlung bitten", sagt Rechtsanwalt Giloth. Der Verbraucher müsse aber "nachvollziehbar belegen, dass sich seine finanzielle Situation demnächst entspannt und sodann der Rückstand ausgeglichen werden kann."
Auch so genannte "Einzelschicksale" würden berücksichtigt; etwa, wenn ein Hausbewohner aus medizinischen Gründen auf Strom angewiesen sei, weil er zum Beispiel ein Sauerstoffgerät benötige. Grundsätzlich rät die Verbraucherzentrale, im Vorfeld alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um eine Energiesperre zu verhindern. Denn: "Einen einmal gesperrten Anschluss wieder freizuschalten ist immer mit viel bürokratischem Aufwand verbunden," warnt Verbraucherschützer Fehrenbach, "und mit neuen Kosten."