Agrarwende auf dem Prüfstand Was hilft gegen hohe Lebensmittelpreise?
Der Ukraine-Krieg hat die Lebensmittelpreise auf dem Weltmarkt durcheinandergewirbelt. Das zeigt sich auch an den Supermarktkassen in Deutschland. Was tut die Bundesregierung dagegen?
Der Blick ins Supermarktregal zeigt: zwei Euro für ein Stück Markenbutter, 10,50 Euro fürs Kilo Rinderhack statt wie vor kurzem noch 7,50 Euro. Kartoffeln sind 20 Prozent teurer als im Vorjahr. Das sagen Zahlen des Agrarmarkt-Infodienst AMI. Der Betrag auf dem Kassenbon im Supermarkt wächst ähnlich wie beim Tanken. Doch anders als beim Tankrabatt hält sich die Bundesregierung bei Lebensmitteln mit einem Rabatt zurück.
"Was wir tun können, tun wir"
"Auch das gehört zur Ehrlichkeit dazu: Ich kann nicht so tun, als ob ich den Krieg in der Ukraine ungeschehen machen kann. Wie soll ich das denn machen?", fragt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir. "Was wir tun können, das tun wir in der Bundesregierung mit den neuesten Entlastungspaket."
Entlastungen wie die 300 Euro Energiepreispauschale oder der Heizkostenzuschuss: All das soll aus Sicht des Landwirtschaftsministers auch die gestiegenen Kosten für Lebensmittel mit abfedern. Darüber hinaus heißt es aus dem Ministerium bisher nur, man beobachte die Lage "engmaschig".
Streit über agrarpolitischen Kurs
Aus der Opposition kommen währenddessen schon Forderungen fürs nächste Jahr: Dann ist EU-weit geplant, vier Prozent der Agrarflächen für den Umweltschutz stillzulegen. Das kritisiert der Landwirtschaftssprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Albert Stegemann, und spricht von einem "Treppenwitz": "Wir können in einer Verknappungssituation - wo es um die Sicherheit der Ernährungssituation der deutschen Bevölkerung, für die europäischen Bevölkerung geht -, können wir natürlich nicht vier Prozent der Flächen stilllegen."
Stegemanns Sorge: Wenn kommendes Jahr Produktionskapazitäten wegfallen, könnten die Preise noch mehr ansteigen, wie es jetzt schon wegen der fehlenden Getreideexporte aus der Ukraine und Russland der Fall ist. Das Landwirtschaftsministerium hat ausrechnen lassen, was durch die Flächenstilllegungen potenziell an Getreideernte in Deutschland wegfallen könnte: Es sind bis zu 2,2 Prozent.
Dennoch warnt Landwirtschaftsminister Özdemir vor einer Rolle rückwärts in der Agrarpolitik. Schon für dieses Jahr hatte sich der Minister gegen eine Freigabe von ökologischen Flächen für den Getreideanbau gewehrt - mit der Begründung, es bringe wenig Ertrag, aber viel Verlust an Artenvielfalt: "Das hat was damit zu tun, dass die Bienen systemrelevant sind. Das hat was damit zu tun - wenn man im Biologieunterricht war, dann weiß man das - , dass wir in Kreisläufen denken müssen."
Auch die FDP meldet Zweifel an
Doch mit den steigenden Lebensmittelpreisen gewinnt der Streit über eine Agrarwende an Fahrt. Druck bekommt der Landwirtschaftsminister auch vom Koalitionspartner FDP. "Man muss sich das mal vergegenwärtigen: Wir reden von Verknappung an den Weltmärkten und halten aber an den politischen Konzepten von vor sechs oder acht Wochen vor dem Krieg fest", kritisiert der Bundestagsabgeordnete Gero Hocker.
Stattdessen müssten diese Konzepte jetzt überdacht werden, fordert der FDP-Politiker. Er überlegt, ob man nicht sogar mehr Tiere bräuchte, um mit deren Gülle und Mist den fehlenden Kunstdünger auszugleichen. Und Hocker stellt die angestrebte Minderung von Pestiziden in Frage, denn das würde auch den Ertrag mindern. Das sind ähnliche Vorschläge wie in der Union - die Idee dahinter: den Preisanstieg abzudämpfen, indem deutsche und europäische Landwirte mehr produzieren.
Welche Einflussmöglichkeiten gibt es?
Doch wie viel lässt sich von Deutschland aus überhaupt ausrichten bei den Lebensmittelpreisen? Die entstehen oft am Weltmarkt. Da sind die Handlungsmöglichkeiten für die deutsche Politik begrenzt, das sieht auch Hocker so. Alle Härten werde die Politik nicht abfedern können.
Und anders als einen Tankrabatt, den die FDP durchgesetzt hat, will Hocker keinen Rabatt auf Lebensmittel. Produkte, die gerade knapp oder teuer sind, ließen sich teilweise durch andere ersetzen: "Da werden wir vielleicht auch ein Stück weit darüber nachdenken müssen, dass so eine Speisekarte vielleicht anders gestaltet ist und bestimmte Lebensmittel für ein paar Woche nicht zu den Preisen erhältlich sind."
FDP-Mann Hocker plädiert dafür, die Preisentwicklung jetzt erstmal zu beobachten und - je nachdem - dann vielleicht einkommensschwache Haushalte noch mehr zu entlasten. Die treffen die gestiegenen Lebensmittelpreise besonders.