Veränderte Beiträge Wie Eltern von der Pflegereform profitieren
Für Eltern mit mehr als einem Kind werden ab heute geringere Beiträge für die Pflegeversicherung fällig. Was bedeutet das für Singles und für Familien - und was müssen sie jetzt beachten?
Das "Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz" ist im Mai dieses Jahres im Bundestag beschlossen und im Juni vom Bundesrat verabschiedet worden. Einige Teile der Pflegereform werden bereits ab heute wirksam, darunter fällt beispielsweise die Beitragssenkung für Eltern mit mehr als einem Kind.
Damit setzt die Bundesregierung ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts um, wonach Eltern mit mehreren Kindern entlastet werden müssen. Die gleiche Beitragsbelastung der Eltern unabhängig von der Zahl der Kinder sei verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt, so lautete die Ansicht des Gerichts.
Wie ändern sich die Beiträge für die Pflegeversicherung?
Ein wesentliches Problem der Pflegeversicherung sind die auch aufgrund der demographischen Entwicklung steigenden Kosten. Die Ausgaben stiegen von 49,08 Milliarden Euro im Jahr 2020 auf 53,85 Milliarden 2021. Zum Vergleich: Im Jahr 2011 hatten die Kosten noch 21,92 Milliarden betragen. Die Mehrkosten müssen durch die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler getragen werden, deshalb werden sich die Beiträge vieler Versicherter erhöhen. Durch die Pflegereform sollen Mehreinnahmen in Höhe von 6,6 Milliarden Euro erzielt werden.
Der Beitragssatz steigt zum 1. Juli 2023 um 0,35 Prozentpunkte von 3,05 auf 3,4 Prozent. Diesen Beitrag zahlen künftig Eltern mit einem Kind. Sie müssen keinen Beitragszuschlag leisten. Der Zuschlag für Kinderlose wird dagegen um 0,6 Prozent erhöht, so dass sie vier Prozent des Bruttoeinkommens zahlen müssen. Hiervon ist jeweils der Arbeitgeberanteil abzuziehen, der nunmehr unabhängig von der Kinderzahl immer bei 1,7 Prozent liegen wird. Kinderlose zahlen im Ergebnis künftig also einen Arbeitnehmeranteil von 2,3 Prozent. Besondere Regeln gelten für Eltern mit mehr als einem Kind. Deren Beitrag wird gesenkt.
Wie wird die Zahl der Kinder berücksichtigt?
Der heutige 1. Juli ist für Eltern von zwei oder mehr Kindern unter 25 Jahren deshalb ein wichtiges Datum. Sie sind die einzigen, die von der Reform durch niedrigere Beiträge profitieren. Alle anderen zahlen künftig mehr. So liegt etwa der Arbeitnehmeranteil von Eltern mit einem Kind dann bei 1,7 Prozent. Vor der Reform lag er bei 1,525 Prozent.
Durch jedes weitere Kind wird der Gesamtbeitrag zur Pflegeversicherung von 3,4 Prozent um 0,25 Prozentpunkte verringert. Eltern mit zwei Kindern zahlen folglich einen Beitrag von 3,15 Prozent, Eltern mit fünf Kindern zahlen einen Beitrag von 2,4 Prozent. Abzüglich des Arbeitgeberanteils von 1,7 Prozent bleiben für große Familien im günstigsten Fall also 0,7 Prozent zu leisten, denn weitere Kinder reduzieren den Beitrag nicht. Die Beitragsverringerung gilt aber lediglich so lange, bis ein Kind das 25. Lebensjahr vollendet hat.
Wie wirkt sich die Beitragsänderung konkret aus?
Nach Berechnungen des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) haben kinderlose Singles durch die Reform den größten Nachteil. Demnach zahlt ein Durchschnittsverdiener mit 48.000 Euro Bruttoeinkommen jährlich 204 Euro mehr Beiträge für die Pflegeversicherung. Ein Alleinerziehender mit einem Einkommen von 30.000 Euro und einem Kind zahle 53 Euro mehr.
Eine durchschnittlich verdienende Familie mit einem Einkommen von 60.000 Euro und zwei Kindern dagegen profitiert nach IW-Angaben. Sie zahle jährlich 45 Euro weniger Beiträge. Hat die Familie vier Kinder, liegt der finanzielle Vorteil bei 345 Euro jährlich. Bei vier Kindern und einem Bruttoeinkommen von 90.000 Euro würden 518 Euro eingespart.
Was müssen Eltern jetzt beachten?
Da bei der Pflegereform Versicherungsnehmer ab zwei Kindern entlastet werden, muss die Elternschaft gegenüber der den Beitrag abführenden Stelle nachgewiesen werden. Eine Nachweispflicht gibt es bereits seit 2005, als der Zuschlag für Kinderlose eingeführt wurde. Beitragsabführende Stelle ist in aller Regel der Arbeitgeber. "Dieser Nachweis wird jetzt ausgebaut, denn für die neu geschaffenen Regelungen sind nun auch Informationen über Anzahl und Alter der Kinder notwendig", erklärt ein Sprecher des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gegenüber tagesschau.de. Der Arbeitgeber verfüge über die relevanten Informationen, wie viele Kinder Beschäftigte haben und wie alt sie sind, aber tatsächlich oft nicht.
In einer Übergangszeit von zwei Jahren, die am 1. Juli 2023 beginnt, kann das laut GKV-Spitzenverband "auf Zuruf" geschehen. Personalabteilungen können dann also selbst regeln, wie sie die Info Ihrer Beschäftigten bekommen wollen - per Mail, telefonisch oder über ein intern gestaltetes Formular, wie der GKV-Sprecher erklärt.
Für die Übergangszeit bis zum 30. Juni 2025 gelte ein vereinfachtes Verfahren, heißt es auch bei der Techniker Krankenkasse. Dieses Verfahren sehe vor, dass auf Nachweise beispielsweise in Form von Geburtsurkunden verzichtet werden könne. Das Ergebnis der Abfrage müsse vom Arbeitgeber lediglich entsprechend dokumentiert werden. Wer sicher gehen will, dass die richtigen Angaben vorliegen, kann das durch eine Nachfrage beim Arbeitgeber klären.
Wird es eine digitale Lösung geben?
In der Übergangszeit wird ein digitales Verfahren entwickelt, um die Daten der Meldebehörden zusammenzuführen. Im Gesetz zur Pflegereform steht hierzu: "Um eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen und ein möglichst effizientes, schnelles und bürgerfreundliches Verwaltungshandeln zu gewährleisten, wird bis zum 31. März 2025 ein digitales Verfahren zur Erhebung und zum Nachweis der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder entwickelt."