Dirk Schlinkert (l.) und Heiko Sieverling sitzen zusammen auf einem Sofa.

Senioren-WGs Wenn das Haus zu groß und zu teuer wird

Stand: 31.10.2024 16:16 Uhr

Sind die Kinder aus dem Haus und ist der Partner verstorben, wird das eigene Haus für viele ältere Menschen oft zu groß. Kommt ein Umzug nicht in Frage, kann eine Senioren-WG eine Alternative sein.    

Von Sabine Hausherr, NDR

Eine Wohngemeinschaft zu gründen ist für ältere Menschen eine Möglichkeit, großen Wohnraum sinnvoll zu nutzen. Gleichzeitig kann es eine Hilfe gegen die Einsamkeit sein. Heike Schenkhut versucht derzeit, diese Alternative zu verwirklichen. Seit ihre beiden Kinder aus dem Haus sind und ihr Mann plötzlich verstarb, wohnt sie allein und sucht eine Mitbewohnerin.

Sie druckt Zettelchen aus, darauf ihr Name und Ihre Telefonnummer zum Abreißen: "Mitbewohnerin für großes Haus mit Garten gesucht", steht darauf. Die Zettel will sie bei ihrem Bäcker und ihrer Post im Ort Weddel im Kreis Wolfenbüttel aushängen.

Schenkhut ist ihr Mädchenname. Ihren richtigen Nachnamen möchte sie nicht nennen, aus Sorge, dass sich auch zwielichtige Personen bei ihr melden könnten. "Ich wohne ja derzeit ganz alleine in dem großen Haus", erklärt sie.

Heike Schenkhut

Seit einem Jahr auf der Suche - es ist nicht immer leicht, die passenden Mitbewohnerin zu finden.

Interessentinnen sind abgesprungen

Schon seit einem Jahr sucht die 61-Jährige eine Mitbewohnerin, die bei ihr einzieht. "Ich habe ein 180-Quadratmeter großes Haus plus Garten und Sauna", erzählt sie. "Ich habe das Haus zusammen mit meinem Mann gebaut. Ich bringe es nicht übers Herz, es einfach so zu verkaufen." Allein leisten kann sie es aber langfristig nicht. Und auch die Arbeit, die so ein Haus mit Garten mit sich bringt, wächst ihr langsam über den Kopf.

Drei ernsthafte Interessentinnen hatte sie schon: "Die eine war wie ich Ergotherapeutin und hätte sehr gut zu mir gepasst", erzählt Schenkhut. Man habe sich mehrfach getroffen. Doch geklappt hat es mit dem Einzug dann noch nicht. "Ich habe das Gefühl, dass sich doch viele Ältere damit schwer tun, wieder in eine WG zu ziehen und sich Sachen zu teilen", hat sie bei ihren Gesprächen beobachtet.

"Wenn man älter ist, hat man doch sehr konkrete Vorstellungen und ist auch nicht mehr bereit Kompromisse einzugehen“, sagt Schenkhut. Dabei habe sie ihr Haus praktisch schon in zwei Hälften eingeteilt. "Jeder hätte zwei eigene Zimmer und ein eigenes Bad", sagt sie. Küche und Wohnzimmer würden geteilt.

Nachfrage nach WGs im höheren Alter steigt

Wie viele WGs es in höherem Alter gibt, darüber gibt es keine verlässlichen Zahlen. Denn wer weiß schon, ob zwei Menschen mit unterschiedlichem Namen in einer WG leben oder vielleicht doch in einer Partnerschaft? Das "Kuratorium Deutsche Altershilfe" hat die Zahl der selbstorganisierte Senioren-WGs in Deutschland dennoch auf 2.000 geschätzt.

Mittlerweile gibt es im Internet sogar Plattformen wie etwa "Bring Together", wo man passende Mitbewohner finden kann. Fakt ist: Die Nachfrage steigt. Laut einer Forsa-Umfrage können sich 40 Prozent der über 45-Jährigen vorstellen, ihren Lebensabend in einer WG zu verbringen.

Bad und Küche größtes Konfliktpotenzial

Zu ihnen gehört Heiko Sieverling aus Braunschweig. Vor einigen Jahren beschloss der mittlerweile 61-Jährige zusammen mit seiner Frau mit einem anderen Ehepaar zusammen zu ziehen. Insgesamt würde er es immer wieder tun. "Es ist einfach schön, wenn man nach Hause kommt, und da ist schon wer." Unzählige Male habe man sich abends nach der Arbeit noch spontan auf ein Getränk am Küchentresen getroffen und einfach über den Tag gequatscht.

Aber Sieverling hat auch beobachtet, dass Küche und Bad das größte Konfliktpotenzial brächten. Da gebe es einfach verschiedene Vorstellungen von Ordnung, erzählt er. Er würde deshalb immer darauf achten, dass jeder sein eigenes Bad habe.

Weniger Besitz im Alter sei befreiend

15 Monate wohnten die beiden Ehepaare zusammen. Durch Trennung und eine schwere Krankheit teilen sich mittlerweile nur noch die beiden Männer eine Wohnung. Und auch das laufe gut, sagt WG-Mitbewohner Dirk Schlinkert. "Es tut einfach auch gut, sich zu verschlanken und Sachen zurück zu lassen und im Alter mit weniger klar zu kommen", nennt Schlinkert einen weiteren Vorteil des Zusammenziehens. "Und wenn Probleme auftauchen, dann sollte man einfach frühzeitig darüber sprechen und nicht warten, bis sich etwas aufstaut."

So hat er zum Beispiel angeboten, die Kuckucksuhr aus der Küche ins Wohnzimmer umzuhängen, damit Heiko in seinem Zimmer neben der Küche nicht mehr so oft gestört wird. Und der empfiehlt: "Man sollte unbedingt vor dem Zusammenziehen mal einen Urlaub zusammen machen oder sich eine Ferienwohnung teilen", rät er. Da merke man relativ schnell, ob es passe oder nicht.

Sechs Millionen Alleinlebende ab 65 Jahren

Laut Statistischem Bundesamt lebten 2022 rund sechs Millionen Menschen ab 65 Jahren allein im eigenen Haushalt. Das ist gut jede dritte Person in dieser Altersgruppe. Für die 61-jährige Heike Schenkut ist das keine schöne Vorstellung langfristig allein zu leben. Für sie sei es auch schwierig, manchmal die Stille im Haus auszuhalten. "Ich kenne hier ganz viele in der Nachbarschaft, denen es ähnlich ergeht“, erzählt sie. "Die Frauen leben einfach länger und dann stehen sie plötzlich da mit einem viel zu großen Haus."

Dirk Schlinkert sitzt an einem Tisch in seiner Wohnung.

Dirk Schlinkert sitzt an einem Tisch in seiner WG.

Heike Schenkhut jedenfalls gibt die Hoffnung noch nicht auf, doch noch eine passende Mitbewohnerin zu finden. Aktiv wie sie selbst sollte die neue Mitbewohnerin sein, und irgendetwas zwischen 50 und 70. Auch ein Probewohnen käme für sie in Frage. Denn die Zeit dränge. "Ich höre so die Zeitbombe ticken", sagt sie. Und sie fügt hinzu: "Wenn ich nicht bald jemanden finde, muss ich mein geliebtes Haus wohl verkaufen."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das Erste am 20. März 2024 um 21:45 Uhr in der Sendung "Plusminus".