Pestizid-Belastungen Der aufwendige Trinkwasser-Schutz
Selbst in Schutzgebieten ist Grundwasser vielerorts mit Spuren von Pflanzenschutzmitteln belastet. Eine Allianz zwischen Versorgern, Landwirten und Behörden soll das ändern. Doch es gibt viele Widerstände.
Mehr als 1760 verschiedene Pflanzenschutzmittel sind in Deutschland zugelassen und werden auf konventionellen Feldern ausgebracht: Herbizide, Insektizide, Fungizide. Dass die Wirkstoffe auch ins Grundwasser gelangen können, ist bekannt. Dass sie zum Teil aber konzentriert nachweisbar sind, dass sie aufwendig wieder herausgefiltert werden müssen, nicht unbedingt.
Genau das passiert beim Zweckverband Wasserversorgung Laber-Naab in der Nähe von Regensburg schon seit Jahren. 30 Cent pro Kubikmeter Wasser kostet die Reinigung mit Aktivkohle. Bezahlen müssen das die Wasserkunden. 60.000 Menschen in der Region trinken bereits gereinigtes und nicht naturbelassenes Wasser. Dabei sind weite Teile der Fläche nördlich von Regensburg schon seit langem Wasserschutzgebiet. Hier gelten strengere Regeln für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Was die Landwirte dadurch an Ertrag verlieren, wird ihnen finanziell ausgeglichen.
Gesetzliche Beschränkungen wirken nicht überall
Doch solche Auflagen reichen nicht immer. Auch in Wasserschutzgebieten ist das Grundwasser mancherorts in Deutschland mit Pestiziden belastet. Der Grund: besondere geologische Verhältnisse, wie nördlich von Regensburg. Im Oberpfälzer Jura sind auf den Feldern die Bodenauflagen meist flach, darunter liegt kompakter Kalkstein und Dolomit, zersetzt durch Klüfte und Spalten. Bei Regen komme es dadurch zu hohen Fließgeschwindigkeiten des Wassers auf dem Weg nach unten in den Grundwasserspeicher, so Hydrogeologin Evl Anders.
Und: Das Gestein kann Wasser mit Nitrat- oder Pestizideinträgen nicht filtern: "Die nehmen dann den Expresspfad ins Grundwasser". Eine Situation, auf die Wasserversorger reagieren müssen, denn sie sind verpflichtet, Vorsorge zu betreiben, bevor zu hohe Schadstoffwerte die Qualität des Trinkwassers gefährden.
Ein Drittel der Grundwasserkörper in schlechtem Zustand
Im Jurakarst-Gebiet mussten deshalb seit den Neunzigerjahren von 723 Trinkwasserbrunnen und -quellen fast ein Fünftel stillgelegt werden. Laut Wasserrahmenrichtlinie sind bereits vier der zehn Grundwasserkörper, die das Wasserwirtschaftsamt Regensburg betreut, in "schlechtem" Zustand.
Eine Tendenz, die deutschlandweit sichtbar ist, so das Umweltbundesamt. Rund 35 Prozent der Grundwasserkörper des Landes seien in "schlechtem chemischen Zustand, der gute Zustand unseres Grundwassers vielerorts gefährdet". Grund seien vor allem diffuse Stickstoff- und Pestizideinträge durch die Landwirtschaft.
Pilotprojekt in der Oberpfalz
Daher initiierten elf Wasserversorger rund um Regensburg gemeinsam mit fünf Landkreisen, Behörden und Experten ein Projekt, das deutschlandweit eine Vorbildfunktion haben soll. Die Kooperation "Trinkwasserschutz Oberpfälzer Jura" bietet Landwirten in betroffenen Gebieten einen Vertrag an. Der Inhalt: der komplette Verzicht auf Pflanzenschutzmittel, dazu Maßnahmen, die den Boden aufbauen sollen, wie Untersaaten, Anbau von Leguminosen und Zwischenfrüchten.
Je nach Maßnahme erhält ein Landwirt bis zu 800 Euro pro Jahr und Hektar, zusätzlich zu den regulären Ausgleichszahlungen für Wasserschutzgebiete. Bezahlen müssen das die 400.000 Wasserkunden in der Region. Das sei günstiger, so Wasserversorger Franz Herrler, als nachträglich aus dem Wasser Schadstoffe mit Aktivkohle herauszufiltern.
Konventionelle Landwirte befürchten Ertragsverluste
Aber kaum ein Landwirt will bisher an dem Programm teilnehmen. Von 600 angeschriebenen Bauern machen drei Monate nach dem Start der Kooperation erst 15 mit. Dabei ist bei Biobauern der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel ohnehin Pflicht. Anders bei konventionellen Landwirten. Zwar würden Ertragsverluste auf den Feldern finanziell ausgeglichen, sagt Johann Mayer, Milchviehhalter und Kreisobmann des Bauernverbandes im Landkreis Regensburg. "Aber ich habe einen neuen Stall gebaut und muss Kredite bedienen", so Mayer. Wichtig sind für ihn deshalb maximale Erträge auf seinen Feldern, ohne Pflanzenschutzmittel funktioniere das nicht. Deshalb hat er nicht unterschrieben.
Sind also 800 Euro pro Hektar zu wenig? Sind die Auflagen zu streng? Das Projekt ist seiner Meinung nach zum Sterben verurteilt. Wie Johann Mayer liegen viele Bauern in der Region mit ihren Felder bereits in sogenannten roten Gebieten - hier gelten laut Düngeverordnung wegen zu hoher Nitratwerte im Wasser strengere Düngeregeln. Es darf nur 20 Prozent unter dem eigentlichen Bedarf gedüngt werden. Das bedeutet jetzt schon Ertragsminderungen. Außerdem: Noch mehr Bürokratie zu bewältigen, das lehnen Mayer und viele seiner Berufskollegen ab.
So droht dieses freiwillige Konzept zum Grundwasserschutz zu scheitern. Wasserversorger Franz Herrler, der Vorsitzende der Kooperationsgemeinschaft Trinkwasserschutz Oberpfälzer Jura, kann die Bedenken der konventionellen Landwirte verstehen. Trotzdem hofft er, in den kommenden Wochen bei Infoveranstaltungen noch Bauern überzeugen zu können. Es wird viele von ihnen brauchen, denn Grundwasserkörper erholen sich laut Bayerischem Landesamt für Umwelt nur sehr langsam, wenn sie mit Schadstoffen belastet sind. Maßnahmen, die heute umgesetzt werden, zeichnen sich teils erst Jahre später im Wasser ab.