Das Volkswagen-Logo in einer Felge.

Auto-Produktion in China VW hält an Werk in Uiguren-Region fest

Stand: 16.11.2020 13:41 Uhr

Dass die muslimische Minderheit der Uiguren in China verfolgt wird, ist bekannt - auch dem VW-Konzern, der in der betroffenen Provinz ein Werk betreibt. Eine Schließung des Standorts lehnt das Unternehmen ab.

Von Ruth Kirchner, ARD-Hauptstadtstudio

In Corona-Zeiten ist China wirtschaftlich wichtiger denn je. Das gilt vor allem für die Autobauer, allen voran Volkswagen. 33 Produktionsstandorte hat VW in China; ausgerechnet der kleinste - im Nordwesten - macht am meisten Schwierigkeiten. Rund 20.000 Autos werden dort jedes Jahr produziert; vor allem das Modell Santana, ein Billig-Passat für den chinesischen Markt. Das Problem: Das VW-Werk liegt in Urumqi, Hauptstadt der Region Xinjiang - Heimat der Uiguren, einer muslimischen Minderheit, die in China verfolgt und drangsaliert wird.

Dass es in Xinjiang schwerste Menschenrechtsverstöße gibt, Berichte über Umerziehungslager und Zwangsarbeit, davon wollte VW-Chef Herbert Diess vergangenes Jahr in einem BBC-Interview nichts gewusst haben. Damals fragt ihn der Reporter: "Sie wissen nichts über die Umerziehungslager für rund eine Million Uiguren?" - "Ich bin mir dessen nicht bewusst", so Diess' Antwort.

China-Chef weiß von Uiguren-Verfolgung

Volkswagens China-Chef Stephan Wöllenstein, zugleich Mitglied im VW-Markenvorstand, räumt dagegen jetzt gegenüber der ARD ein, dass die Berichte über Internierungslager dem Konzern bekannt und beunruhigend seien. "Natürlich kennen wir diese Reports, natürlich nehmen wir sie ernst und sie sind auch besorgniserregend aus unserer Sicht." Trotzdem sei es aus wirtschaftlicher Sicht richtig gewesen, 2013 das Werk in Xinjiang zu bauen.

Als wenige Jahre später erste Berichte über Internierungslager auftauchten, stritt China ihre Existenz zunächst ab, bezeichnete sie dann euphemistisch als "Ausbildungszentren". 380 solcher Zentren hat das australische Aspi-Institut kürzlich ausgemacht. Dass die Lage in Xinjiang schwierig sei, räumt auch der VW-Manager ein. "Deshalb versuchen wir, im Rahmen unserer Möglichkeiten alles zu tun, dass weder in der Supply Chain, noch im direkten Einfluss auf unsere Mitarbeiter Themen passieren, die nicht mit unseren Wertvorstellungen übereinstimmen."

Was Wöllenstein "Themen" nennt, sind eben neben den Lagern massive Einschränkungen im Alltag der Uiguren: totale Überwachung; ständige Kontrollen; Verbote, lange Bärte zu tragen; politische Indoktrination. Von den 600 Volkswagen-Mitarbeitern in  Urumqi gehört ein Viertel ethnischen Minderheiten an. Ob jemand inhaftiert war oder zur Fabrikarbeit gezwungen wurde, weiß Volkswagen nicht.

"Keinen Einfluss" auf Geschehen außerhalb der Werkstore

Auf das, was außerhalb der Werkstore geschieht, habe man keinen Einfluss, sagt Wöllenstein. "Wir beschäftigten Leute direkt, es kommt zum klassischen Bewerbungsgespräch, nachdem die Unterlagen geprüft worden sind." Dann werde in der Regel zwischen Personalabteilung und Fachabteilung entschieden, ob der Mitarbeiter eingestellt wird oder nicht: "Auf der Basis seiner Qualifikation und des Eindrucks, den er hinterlassen hat. Alles, was davor passiert ist, ist für uns extrem schwer nachzuvollziehen." Berichten von 2019, dass es bei einem Zulieferer Zwangsarbeit geben soll, sei man nachgegangen, so der VW-China-Chef: "Das hat sich nicht erhärtet, wir haben das ganz genau geprüft. Wir haben auch andere Supplier auf diesen Verdacht hin überprüft."

Menschenrechtler fordern Rückzug von VW

Trotzdem: Menschenrechtsgruppen und Politiker der Grünen fordern, das Werk in Urumqi zu schließen, um damit ein Zeichen zu setzen gegen Chinas Minderheitenpolitik - und um sich nicht dem Verdacht auszusetzen, man dulde diese Politik. Doch Wöllenstein weist solche Forderungen zurück. Wirtschaftlich wäre das für VW kein großer Verlust - jedoch glaube er, dass das "Davonstehlen aus der Xinjiang-Provinz weder die Themen unserer 600 Mitarbeiter und ihrer Familien lösen wird, noch dass es das politische Thema in einer besseren Art und Weise lösen wird."

Und dann ist da ja auch noch die Corona-Pandemie, die der Wirtschaft in Deutschland und Europa schwer zusetzt. VW braucht den chinesischen Markt. Von einer zu großen Abhängigkeit von dem Riesenreich will Wöllenstein dennoch nichts wissen. "China hilft uns", sagt er. Und damit meint er nicht nur Volkswagen, sondern die gesamte Branche.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete RBB Info am 13. November 2020 um 14:35 Uhr.