BGH-Urteil im Abgasskandal "VW hat bewusst getäuscht"
Der Bundesgerichtshof sieht bei VW eine vorsätzliche, sittenwidrige Täuschung - und das bedeutet Schadensersatz. Das Urteil hat Bedeutung für 60.000 Kläger.
VW hatte offenbar schon mit diesem Urteil gerechnet und sich vorab eine Reaktion überlegt. Die Anwältin von VW, Martina van Wijngaarden, machte deshalb direkt nach dem Urteil klar, dass das Unternehmen jetzt auf alle noch rund 60.000 Kläger zugehen würde, um die Gerichtsverfahren schnellstmöglich zu beenden: "Konkret heißt das, dass den Klägern Einmalzahlungen angeboten werden. Diese Einmalzahlungen haben den Vorteil, dass die Kläger schnell und einfach an Geld kommen."
Der Kläger, Herbert Gilbert, ein Rentner aus Rheinland-Pfalz, hat auch im Blick, dass seine Gerichtsentscheidung heute für viele andere eine Bedeutung hat. "Es ist ein toller Tag, ein tolles Urteil, mit dem ich auch gerechnet habe. Es hilft nicht nur mir, sondern auch vielen Tausenden Klägern, die noch in der Warteschleife stecken, ihre Klageverfahren zügig zu beenden."
Entschädigung für gebrauchten Sharan
Gilbert hatte 2014 einen gebrauchten VW Sharan für gut 31.000 Euro gekauft. Davon bekommt er jetzt etwa 25.000 Euro zurück. Die komplette Summe kann er aber nicht verlangen, weil er sich die bereits gefahrenen Kilometer anrechnen lassen muss.
Zum großen Teil hat er jedoch vorm obersten deutschen Zivilgericht Recht bekommen. Die Richterinnen und Richter des sechsten Senats sagen ganz klar: Das, was VW da gemacht hat, war eine grundlegende strategische Entscheidung, mit der der Gewinn gesteigert werden sollte. Und zwar durch bewusste Täuschung. Das war eindeutig sittenwidrig und bedeutet nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch: Schadensersatz.
Der Vorsitzende Richter Stephan Seiters erklärte, warum der Vertragsschluss an sich schon für den Kunden mit dieser Abschalteinrichtung ein Schaden war. "Damit ging einerseits eine erhöhte Belastung der Umwelt mit Stickoxiden und andererseits die Gefahr einher, dass bei einer Aufdeckung dieses Sachverhaltes eine Betriebsbeschränkung oder Untersagung erfolgen konnte."
Die Richter gehen auch davon aus, dass die Führungsetage bei VW verantwortlich ist. Der Leiter der Entwicklungsabteilung habe sicher gewusst, was läuft. Und was den Vorstand angeht, hätte VW genauer belegen müssen, dass der nicht eingeweiht war.
Wichtige Rechnung für Kunden
Aber ganz habe der Kläger nicht gewinnen können, er müsse sich das anrechnen lassen, was er bislang von dem Auto gehabt hat. Bei der Berechnung waren die Bundesrichter mit dem einverstanden, was die Vorinstanz festgelegt hatte: Eine recht schlichte Rechnung, die auch für alle anderen VW-Kunden jetzt wichtig wird. Es wird die Kilometerzahl, die grundsätzlich mit dem jeweiligen Auto möglich ist, durch den Kaufpreis geteilt. Und was dabei herauskommt, das wird mit den bereits gefahrenen Kilometern malgenommen.
Eine Rechenaufgabe, an die sich vermutlich jetzt alle geschädigten Käufer in den nächsten Tagen setzen werden, um heraus zu bekommen, was sie ihrerseits bei einer Klage an Geld bekommen hätten. Wobei alle, genauso wie der Kläger Herbert Gilbert, dann allerdings ihre Autos an VW zurückgeben müssen - wenn sie nicht die Einmalzahlung von VW in Anspruch nehmen wollen.