Indisches Firmenimperium Adani erleidet 100-Milliarden-Crash
Der indische Unternehmer Gautam Adani gehört zu den reichsten Menschen der Welt. Nun sind schwere Vorwürfe gegen ihn erhoben worden. Neue Börsenpläne sind vorerst abgesagt, seine Papiere im freien Fall.
Bei den Feierlichkeiten Anfang der Woche in der israelischen Hafenstadt Haifa genoss Gautam Adani die Aufmerksamkeit sichtlich. Eine Tochterfirma der Adani-Gruppe hat gerade die Mehrheitsanteile am größten Hafen des Landes erworben. In seiner Rede kündigt Adani die "richtigen Investitionen" an: "Und ich verspreche Ihnen, dass wir in den kommenden Jahren die Skyline, die wir um uns herum sehen, verändern werden." Die aktuellen Vorwürfe gegen ihn ließ sich der indische Milliardär bei dem Termin in Israel nicht anmerken. Und die Vorwürfe sind heftig: Marktmanipulation, Intransparenz und Bilanzbetrug.
Zweifel an den Vermögenswerten
Der indische Milliardär führt die Adani Group, ein multinationales Firmenimperium, das in vielen Bereichen sehr einflussreich investiert - auch im Auftrag der indischen Regierung: in Energieversorgung, den Abbau von Kohle, den Betrieb von Flughäfen oder auch in Medien. Jetzt hat eine US-Investmentfirma mit dem - für deutsche Ohren ungewöhnlichen - Namen Hindenburg Research einen Bericht veröffentlicht. Darin äußern die Analysten Zweifel an den Vermögenswerten der indischen Firmengruppe. Die Rede ist auch von Scheinfirmen in Steueroasen.
Die Adani-Gruppe weist die Vorwürfe zurück, spricht von rechtlichen Schritten gegen die Firma mit Sitz in New York. Finanzvorstand Jugeshinder Singh zeigte sich in einem veröffentlichten Video-Statement empört. Neben ihm groß im Bild: die indische Flagge. "Der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Berichts verrät eindeutig eine dreiste, böswillige Absicht", sagte Singh. "Mit dem Hauptziel, den anstehenden Börsengang von Adani Enterprises - dem größten Börsengang, den es je in Indien gab - zu schaden."
Weggefährte des Premierministers
Adani gilt als enger Weggefährte von Indiens Premierminister Narendra Modi. Den Bericht aus den USA interpretiert er als gezielten Angriff - auch auf die indische Wirtschaft. Bei der geplanten Zweitplatzierung von Aktien geht es um eine Summe im Milliardenbereich. Doch dann die Überraschung gestern Abend: der Milliardär zog das Vorhaben wieder zurück, verwies in einem Video-Statement auf die Kursschwankungen am Markt.
"Unser Vorstand war der festen Überzeugung, dass es moralisch nicht korrekt gewesen wäre, mit dem Börsengang fortzufahren", sagte Adani. "Auf meinem bescheidenen Weg von mehr als vier Jahrzehnten als Unternehmer hatte ich das Glück, auf überwältigende Weise von unseren Anteilseignern unterstützt zu werden, insbesondere von der Gemeinschaft der Investoren."
Panikverkäufe an der Börse
Der Wertverlust durch den Absturz der Aktien von Adanis Unternehmensgruppe liegt inzwischen bei mehr als 100 Milliarden Dollar. Um rund 30 Prozent brachen die Aktien ein. Gerade in Indien führte der Bericht zu Panikverkäufen.
Auch der indischen Analyst Arun Kejriwal sieht hinter der US-Analyse im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP klares Kalkül. "Ziel ist es, Panik zu schüren und damit Geld zu verdienen. Ich glaube, dass das, was sie getan haben, aus Eigeninteresse geschah und nicht im Interesse der Aktionäre im Allgemeinen", so der Marktbeobachter.
"Atemberaubende" Vorwürfe
Der Wirtschaftswissenschaftler Arun Kumar sieht hingegen Substanz hinter den Vorwürfen. Er spricht von Vetternwirtschaft. Es sei ziemlich üblich in Indien, "dass man Verbindungen hat zu denjenigen, die an der Macht sind, und diese nutzt, um Kredite zu bekommen, und man nutzt sie auch, um die Aktien seines Unternehmens an der Börse zu steigern, durch Insiderhandel und verschiedene andere Dinge", so der Ökonom. "Aber was die Adanis getan haben, ist atemberaubend."
Vor der indischen Börse in Mumbai zeigten sich Aktienhändler diese Woche im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters unbeeindruckt von der anhaltenden Talfahrt der Adani-Aktien. Adani sei eine "sehr mächtige Person, und er ist sehr klug", hieß es von Händlern. "Wir können also nicht sagen, dass die Auswirkungen auf den Aktienmarkt langfristig sein werden. Es ist möglich, dass es nur ein kurzer negativer Trend ist."