Strategiebericht zur EU-Wirtschaft Draghi warnt vor "existenzieller Herausforderung"
Wie kann die EU-Wirtschaft wettbewerbsfähig bleiben? Das soll ein Bericht von Ex-EZB-Chef Draghi beantworten: Demnach braucht es Innovationen und Investitionen von bis zu 800 Milliarden Euro. Sorge bereiten ihm die USA und China.
Die europäische Wirtschaft braucht einem Bericht zufolge massive Investitionen und muss deutlich innovativer werden, um im Wettbewerb mit den USA und China mitzuhalten. Europa stecke in einer statischen Industriestruktur fest, schrieb Mario Draghi in einem Strategiepapier zur EU-Wettbewerbsfähigkeit.
Die EU-Kommission hatte den früheren Chef der Europäischen Zentralbank und Ex-Regierungschef Italiens vor einem Jahr um einen Bericht gebeten, wie die EU ihre Wirtschaft wettbewerbsfähig halten kann.
Darin heißt es nun, dass "zusätzlich jährliche Mindestinvestitionen von 750 bis 800 Milliarden Euro" nötig seien. Das sei mehr als das Doppelte der Hilfen aus dem Marshallplan nach dem Zweiten Weltkrieg. Dafür empfahl Draghi die Aufnahme neuer Gemeinschaftsschulden wie zuletzt in der Corona-Pandemie, mit einem kreditfinanzierten Hilfspaket von 750 Milliarden Euro.
Deutschland gegen Gemeinschaftsschulden
Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nannte Instrumente zur Gemeinschaftsfinanzierung wichtig. Möglich seien aber auch sogenannte Eigenmittel, zu denen Einfuhrzölle und die EU-Plastikabgabe zählen, sagte von der Leyen auf die Frage, wie sie den Widerstand der Bundesregierung gegen neue Gemeinschaftsschulden überwinden wolle. Darüber müssten die Mitgliedsländer entscheiden.
Länder wie Italien und Frankreich fordern bereits ein neues Paket und berufen sich auf die gestiegenen Ausgaben für Verteidigung und Klimaschutz. Deutschland und die Niederlande lehnen Gemeinschaftsschulden ab.
Europa schwächelt bei neuen Technologien
Angesichts der Konkurrenz aus den USA und China warnte Draghi die Europäer vor einer "existenziellen Herausforderung". Das Wachstum in der EU war in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer langsamer als das der Vereinigten Staaten, und China holte rasch auf.
Ein Großteil des Rückstands sei auf die geringere Produktivität zurückzuführen, vor allem im Technologiesektor. "Europa hat die durch das Internet ausgelöste digitale Revolution und die damit verbundenen Produktivitätsgewinne weitgehend verpasst", heißt es weiter. Die EU sei schwach bei neuen Technologien, die das künftige Wachstum antreiben würden. Nur vier der 50 größten Technologieunternehmen der Welt seien europäische Unternehmen.
Energie, Abhängigkeit, Klima
Konkret müssen laut Draghi auch etwa die Energiepreise gesenkt und die Abhängigkeit von anderen Ländern verringert werden. Mit Blick auf Sektoren mit hohem Treibhausgasausstoß wie Schwerindustrie und Verkehr rief Draghi die EU auf, ihre Klimapolitik besser zu justieren.
Wenn alle politischen Maßnahmen mit den Klimazielen übereinstimmten, sei es "sehr wahrscheinlich, dass die Dekarbonisierung eine Wachstumschance ist", sagte Draghi vor Journalisten. "Aber wenn wir uns nicht abstimmen, besteht die Gefahr, dass die Dekarbonisierung der Wettbewerbsfähigkeit und dem Wachstum zuwiderläuft."