Bitcoin als Landeswährung El Salvadors "Ein großer Betrug"
El Salvador ist das kleinste Land Mittelamerikas, und es ist alles andere als reich. Trotzdem - oder gerade deshalb - führte der Präsident 2021 den Bitcoin als Landeswährung ein. Die bisherige Bilanz ist ernüchternd.
Spektakulär in Szene setzt El Salvadors Präsident Nayib Bukele im September 2021 die Einführung des Bitcoin als gesetzliche Landeswährung, Bässe und Feuerwerk begleiten die Show zum Start. Von der internationalen Bitcoin-Gemeinde wird er für seinen Mut und Innovationsgeist bejubelt.
Der damals 40-jährige Unternehmersohn, der sich selbst als "CEO von El Salvador" bezeichnet, ist sicher: Die Kryptowährung bringt El Salvador den Aufschwung. "Das Bitcoin-System ist einfach perfekt. Es ist die Zukunft. El Salvador hat sich bisher nicht dafür ausgezeichnet, ein Land der Innovationen zu sein. Aber warum nicht dieses Mal?"
Hunderte Millionen Dollar Steuergeld investiert
Das mittelamerikanische Land mit 6,5 Millionen Einwohnern und der Größe von Hessen ist eher bekannt als Land der Armut: 70 Prozent der Bevölkerung leben in prekären Verhältnissen. Zudem hat El Salvador eine der höchsten Mordraten der Welt. Bukele will das ändern, der Bitcoin soll den finanziellen Sumpf der Banden austrocknen.
Dafür investiert er 100 Millionen Dollar Steuergeld. Aus Sicht der Ökonomin Tatjana Marroquin hochproblematisch. "Aus welchem Grund kauft ein Land eine solch schwankende Währung?", fragt sie. "Er ist seinem Volk verpflichtet, könnte mit dem Geld das Leben der bedürftigsten Menschen im Land wesentlich verändern, älteren Menschen helfen oder Frauen in einer Situation der Armut."
App wird kaum genutzt
Mit den insgesamt 300 Millionen Dollar an Investitionen hätte die einzige öffentliche Universität des Landes ein Jahr lang finanziert werden können. Weitere 200 Millionen Dollar kosteten eine Bitcoin-App, Umtausch-Automaten sowie das 30-Dollar-Startguthaben für alle App-Nutzer.
"Die App habe ich runtergeladen, die 30 Dollar auch ausgegeben. Aber mit Bitcoin zahle ich inzwischen nicht mehr", sagt ein Salvadoreno. Wie ihm geht es vielen: Wer im Durchschnitt 400 Dollar monatlich verdient, nimmt die Finanzspritze gerne an. Doch genutzt wird die App danach laut einer Studie der Universität Zentralamerika in El Salvador kaum: Fast 80 Prozent halten die Einführung für einen Fehlschlag.
Enttäuschung überwiegt
Auch Dora Guerrero ist wütend und enttäuscht. "Das ist ein großer Betrug, weil der Bitcoin ganz schön runtergegangen ist. Ich hatte umgerechnet 500 Dollar gespart und habe plötzlich 200 Dollar verloren." Ökonomen gehen davon aus, dass Präsident Bukele sich "verzockt" hat: Der Bitcoin hat seit Einführung 60 Prozent seiner Werts eingebüßt - 180 Millionen Dollar salvadorianische Steuergelder sind verloren.
Auch Wirtschaftsvertreter des Landes halten den Bitcoin für einen Flop, wie Leonor Selva. "Das Problem ist, dass das Bitcoin-Gesetz aus unserer Sicht keine Arbeitsplätze geschaffen und bisher keine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung ausgelöst hat. Im Gegenteil: Es hat Risiken für unser Land erzeugt."
Eine Welle der Nachahmer hat El Salvadors Bitcoin-Experiment ebenfalls nicht losgetreten. Nur die Zentralafrikanische Republik hat 2022 die Kryptowährung als offizielles Zahlungsmittel ebenfalls eingeführt - eines der ärmsten Länder der Welt.