Energieversorgung Litauen braucht kein Gas aus Russland mehr
Jahrelang hat Litauen daran gearbeitet, sich aus der Gas-Abhängigkeit von Russland zu lösen - mit Erfolg. Ob das neue Flüssiggas-Terminal auch für die Versorgung der baltischen Nachbarn reicht, ist aber umstritten.
Klaipėda ist Litauens größter Hafen. Hier hat das Land in den vergangenen Jahren viel Geld investiert: 2014 nahm ein großes Flüssiggas-Terminal seinen Betrieb auf. Die schwimmende Anlage befindet sich auf einem 300 Meter langen Schiff, das passenderweise den Namen "Independence" trägt - also Unabhängigkeit.
"Es ist ziemlich einfach: Gas wird in einem flüssigen Zustand mit einer Temperatur von minus 170 Grad zu unserem Terminal transportiert", sagt Mindaugas Navikas, der Direktor des staatlichen Betriebs. "Dort wird es erwärmt und in normalem Zustand ausgeliefert. Es kommt also in die normalen Rohre, aus denen die Konsumenten ihr übliches Gas beziehen."
Lieferungen aus verschiedenen Ländern
Bis zu drei Schiffe kommen im Monat hier an, oft aus den USA oder Norwegen, aber auch aus anderen Ländern. Dadurch verringerten sich in den vergangenen Jahren die Gaspreise, weil Litauen in der Lage war, mit mehreren Anbietern zu verhandeln, nicht nur mit Russland.
Trotzdem hielten Kritiker die Flüssiggasanlage für überdimensioniert und teuer. Doch Befürworter wie der Energieexperte Romas Švedas hielten dagegen: Es gehe nicht nur ums Geld. Švedas forscht an der Universität Vilnius und war vor einigen Jahren stellvertretender Minister für Energie. "2010 war Litauens Energie-Sicherheitslage kritisch. Unsere Abhängigkeit von dem einzigen externen Lieferanten Russland lag bei bis zu 80 Prozent", sagt er. "Nach der Schließung eines Atomkraftwerks war allen klar, dass Litauen auf einer isolierten Energieinsel in Europa lag und dass sich das dringend ändern musste."
Gasimport aus Russland beendet
Seit Anfang April beziehe man gar kein Gas mehr aus Russland, teilte Litauens Energieministerium kürzlich mit. Präsident Gitanas Nausėda appellierte an die anderen EU-Länder, es Litauen nachzumachen. Denn Gasimporte aus Russland finanzierten den Krieg in der Ukraine, so der Präsident bei Twitter.
"Bis Ende des Jahres werden wir große Schiffslieferungen erhalten und so unseren Bedarf und auch den der Nachbarn decken", sagte der heutige Energieminister des Landes, Dainius Kreivys. "Ich will betonen, dass unsere früheren Regierungen sich gut auf diese Situation vorbereitet haben. Deshalb können wir heute gelassen bleiben."
Versorgung des Baltikums als Ziel
Den Bedarf der Nachbarn zu decken - damit meint er die Versorgung der anderen beiden baltischen Staaten Estland und Lettland. Ob das wirklich auch im kommenden Winter gelingen kann - dazu gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Das Flüssiggas-Terminal könne nicht dauerhaft voll ausgelastet werden, gibt ein Experte im litauischen Fernsehen zu Bedenken. Spätestens im Winter könne das zu Problemen führen. Außerdem ist die schwimmende Flüssiggasanlage auch an Finnland und ab Mai an Polen angeschlossen und versorgt auch diese beiden Märkte.
Lettland will in dieser Woche im Parlament über einen Importstopp von russischem Gas abstimmen. Derzeit beziehe Lettland nämlich auch deshalb kein Gas aus Russland, weil Pipelines, die beide Länder verbinden, repariert würden - das berichtet das lettische Fernsehen. Ein gut gefüllter Gasspeicher im Land sichert die Versorgung der Region. Estland wiederum hat gemeinsam mit Finnland angekündigt, ebenfalls ein Flüssiggas-Terminal in Betrieb nehmen zu wollen - schon im Herbst soll es soweit sein.