EU-Gasnotfallplan So wird in der EU Erdgas gespart
Heute ist der Gas-Notfallplan der EU in Kraft getreten. 15 Prozent weniger Gas sollen die Länder in diesem Winter verbrauchen. Die EU-Staaten ergreifen unterschiedliche Maßnahmen, um Gas zu sparen. Eine Übersicht.
Von heute an sind die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union angehalten, möglichst viel Erdgas einzusparen - mindestens aber 15 Prozent. Das besagt der Gas-Notfallplan der EU-Kommission. Die Crux: Verpflichtend ist das Sparprogramm nicht. Dennoch wollen sich die EU-Länder daran beteiligen, und zwar auf unterschiedliche Art und Weise.
Brüssel: Die EU-Kommission gibt die Richtlinien vor
Um 15 Prozent soll der Verbrauch von Erdgas in jedem Staat der EU reduziert werden, gemessen am Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. Dem Sparaufruf zu folgen oder nicht - das ist allein eine Entscheidung der Regierungen in den jeweiligen Hauptstädten. Die Einsparungen sind nämlich freiwillig.
Dennoch soll der Gasverbrauch dadurch EU-weit um insgesamt 45 Milliarden Kubikmeter zurückgehen. So hofft man, die drastisch reduzierten Lieferungen aus Russland ausgleichen zu können. Für Deutschland hält die Bundesnetzagentur eine Gas-Notlage für vermeidbar - jedenfalls dann, wenn weniger Gas weitergeleitet werde in andere EU-Länder. Das dürfte dort allerdings auf Protest stoßen, denn Gas ist nun überall ein extrem knappes Gut. Und der innereuropäische Verteilungskampf darum dürfte gerade erst beginnen.
Italien: 19 Grad in öffentlichen Gebäuden
In Italien gibt es noch keinen Masterplan, wie bei möglichem Gasmangel Frieren im Winter verhindert werden soll. Dabei ist Gas zum Heizen und Warmwassererzeugen in Italien deutlich wichtiger als beispielsweise in Deutschland. 70 Prozent der italienischen Haushalte heizen mit Gas; in Deutschland sind es nur 50 Prozent.
Trotz der großen Abhängigkeit der Menschen vom Gas - oder gerade deswegen? - scheut sich die Politik in Rom bislang vor klaren Ansagen, wie die Mangelware Gas mit Blick auf den Winter verteilt werden soll. Energieexperten in Italien beklagen, die nur noch geschäftsführend tätige Regierung von Ministerpräsident Mario Draghi scheue sich davor, den Bürgerinnen und Bürgern reinen Wein einzuschenken und Rationierungen anzukündigen. Dass sie auch in Italien nötig sein werden, ist absehbar. Russland war bislang auch hier größter Gaslieferant.
Zwar hat die Regierung Draghi mit mehreren Ländern Abkommen über höhere Gaslieferungen in den vergangenen Monaten geschlossen, unter anderem mit Algerien. Aber dies kann die bisherige russische Liefermenge nicht ausgleichen. Beschlossen hat die Regierung, dass die zulässige Temperatur in öffentlichen Gebäuden um ein Grad gesenkt wird: auf 19 Grad, allerdings mit zwei Grad Toleranz - es kann also auch auf 21 Grad geheizt werden, ohne dass man sich strafbar macht.
Österreich: Gasspeicher sind schon gut gefüllt
Österreich drückt sich noch um eine Antwort auf die Frage, wer im Ernstfall wie viel Gas bekommt - oder wem der Gashahn ganz abgedreht wird. Aber: Man bereitet sich auf den Ernstfall vor. Eine "Erdgaslenkungsverordnung" soll es richten, mit der die Industrie und die Energieversorger dazu gebracht werden sollen, so schnell wie möglich auf Öl, Kohle oder erneuerbare Energiequellen umzusteigen.
Dafür werden bei den Emissionsgrenzwerten beide Augen zugedrückt. Die Kosten für die Umrüstung trägt der Staat. Aus dem Kleingedruckten lässt sich interpretieren, wer bis zuletzt beliefert werden dürfte: "Geschützte Kunden", "Haushalte" und "grundlegende soziale Dienste" gehören dazu. Die Grün-konservative Regierung in Wien setzt aber - typisch österreichisch - darauf, dass es sich schon irgendwie ausgeht.
Nicht ganz ohne Grund: Österreichs Gasspeicher sind im Moment gut gefüllt - mit mehr als 50 Prozent des Jahresverbrauchs. Zum Vergleich: In Deutschlands Speichern lagern derzeit nur rund 16 Prozent des Jahresverbrauchs. Die Abhängigkeit von russischem Gas sinkt, unter 50 Prozent inzwischen. Außerdem, so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler von den Grünen, würde inzwischen bis zu zehn Prozent weniger Gas verbraucht. Auch deshalb, weil die Preise deutlich gestiegen sind - und weiter anziehen.
Frankreich: Systemrelevante Einrichtungen werden versorgt
Die Franzosen und Französinnen wissen schon: Herbst und Winter werden hart. Das hat ihnen ihr Präsident gesagt - und damit ausgerechnet am Nationalfeiertag Mitte Juli die Feierlaune gedämpft. Russland würde Gas als Waffe gebrauchen, so Emmanuel Macron. Deshalb müsse sich Frankreich wappnen und in zwei Jahren zehn Prozent Energie sparen. Staatliche Behörden sollen Vorbild sein, alle sollen mitziehen: weniger Leuchtreklame, heizen nur bei unter 19 Grad Außentemperatur, kühlen nur bei über 26 Grad.
Zur Not will die Regierung Gaskraftwerke beschlagnahmen, um nur systemrelevante Betriebe zu versorgen. Den Verbrauchern räumt das Dekret Nuimmer 495 vom 7. April 2022 Vorrang ein. Großabnehmer mit mehr als fünf Gigawattstunden pro Jahr müssen dagegen mit Abschaltungen rechnen. So soll der Verbrauch im Notfall binnen zwei Stunden drastisch gesenkt werden können. Und die Regierung hat sich vorgenommen, bis Anfang November die strategischen Gasreserven zu 100 Prozent aufzufüllen.
Die Großen sollen schriftlich melden, unter welcher Gasmenge deutliche wirtschaftliche Verluste ins Haus stünden. Danach legt der Präfekt jedes Départements, also der dort höchste Vertreter der Zentralmacht, eine Prioritätenliste fest. Wer im öffentlichen Interesse arbeitet und wesentliche Bedürfnisse der Nation deckt - etwa Krankenhäuser und Schulen -, wird versorgt. Und jene mit den größten wirtschaftlichen Einbußen. Wer gegen die Regeln verstößt, muss mit Geldstrafen rechnen, obwohl das Land nur zu etwa 17 Prozent von russischem Gas abhängig ist.
Dennoch steht die Regierung unter Druck: Frankreichs Hauptenergiequelle ist die Kernkraft. Aber mehr als die Hälfte der oft veralteten AKW steht derzeit wegen Wartung still.