Sanktionen gegen Russland Jobs in Gefahr - Reserven schwinden
Viele ausländische Firmen haben ihre Geschäfte in Russland eingestellt. Moskaus Bürgermeister sieht 200.000 Arbeitsplätze in Gefahr. Notenbankchefin Nabiullina warnt, die Wirtschaft könne nicht ewig von Reserven leben, sondern müsse sich neu aufstellen.
Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin befürchtet einen Verlust von 200.000 Arbeitsplätzen in der russischen Hauptstadt. Grund sei die Einstellung von Geschäftsaktivitäten ausländischer Unternehmen.
Um die Folgen der Arbeitslosigkeit abzufedern, hätten die Behörden in der vergangenen Woche eine Hilfsprogramm in Höhe von umgerechnet 38 Millionen Euro bewilligt. Das Hilfsprogramm richte sich in erster Linie an Mitarbeiter ausländischer Unternehmen, "die ihre Aktivitäten vorübergehend eingestellt oder sich entschieden haben, Russland zu verlassen", erklärte Sobjanin. Finanziert werden sollen mit dem Programm demnach unter anderem Umschulungen.
Die Sanktionen des Westens gegen Russland haben weitreichende wirtschaftliche Folgen. Zahlreiche Unternehmen haben ihre Geschäfte in Russland eingeschränkt, ausgesetzt oder ziehen sich komplett zurück. Russland versucht, mit verschiedenen Schritten gegen die Folgen der Finanz- und Wirtschaftssanktionen vorzugehen und die Auswirkungen auf die Unternehmen des Landes zu dämpfen.
Notenbank fordert neue Geschäftsmodelle
Notenbankchefin Elvira Nabiullina erklärte, die russische Wirtschaft könne nicht ewig von ihren Finanzreserven leben und müsse sich angesichts internationaler Sanktionen neu aufstellen. Sie kündigte eine Phase des Strukturwandels und der Suche nach neuen Geschäftsmodellen an.
Die Sanktionen hätten sich bislang vor allem auf den Finanzmarkt ausgewirkt. "Aber jetzt werden sie sich zunehmend auch auf die Wirtschaft auswirken", warnte Nabiullina. Die Hauptprobleme dürften in den Importbeschränkungen und der schwieriger gewordenen Logistik im Außenhandel liegen. Auch die Exportbeschränkungen dürften sich zunehmend bemerkbar machen.
Gegen die vom Westen verhängte Blockade russischer Gold- und Devisenreserven seien rechtliche Schritte geplant, sagte Nabiullina weiter. Durch die ausländischen Sanktionen wurden etwa 300 der insgesamt rund 640 Milliarden Dollar großen Gold- und Devisenreserven eingefroren.
Inflationsrate auf höchstem Stand seit 20 Jahren
Es werde bis 2024 dauern, bis die Teuerungsrate wieder das Ziel von vier Prozent erreicht habe. Aktuell liegt sie mit 17,49 Prozent auf dem höchsten Stand seit mehr als 20 Jahren, da sich seit der Beginn der russischen Invasion in der Ukraine fast alles verteuert hat - von Zucker über Gemüse bis hin zu Smartphones und Bekleidung.
Die russische Zentralbank hatte als Reaktion auf die Sanktionen ihren Leitzins zunächst auf 20 Prozent mehr als verdoppelt. Sie senkte ihn dann aber in diesem Monat auf 17 Prozent. Nabiullina sicherte weitere Lockerungen bei der Devisenkontrolle zu. "Wir können in der nächsten Zeit nicht auf alle Elemente der Devisenkontrolle verzichten. Aber die Kontrolle muss so austariert werden, dass sie zwar alle Risiken abdeckt, aber die normale Außenhandelstätigkeit nicht beeinträchtigt", sagte sie bei einer Anhörung im russischen Parlament, der Staatsduma.
Schätzungen zufolge wird die russische Wirtschaft infolge der Sanktionen einen massiven Einbruch erleben. Die US-Großbank JPMorgan geht davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal um 20 Prozent schrumpfen könnte. Für das Gesamtjahr 2022 wird mit einem Rückgang der russischen Wirtschaftsleistung von 3,5 Prozent gerechnet.
Schon vor dem Angriff auf die Ukraine und den Sanktionen hatte sich ein Abwärtstrend der russischen Wirtschaft abgezeichnet.