Sanktionen gegen Oligarchen Wie viel Vermögen schon eingefroren ist
Seit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine haben die Europäer bereits Milliardenvermögen von Oligarchen eingefroren. Einige Staaten sind dabei offensichtlich weiter als Deutschland.
Sie gelten als wichtige Stützen des russischen Regimes: Die Oligarchen. Um Kreml-Herrscher Wladimir Putin zu schwächen, stehen sie deshalb mit ganz oben auf den Sanktionslisten der EU. Sie sind durch den Handel mit Öl und Gas reich geworden und sichern Putins Macht, gleichzeitig liegt ein erheblicher Teil ihres Vermögens im Ausland. Die Oligarchen besitzen Luxus-Immobilien in europäischen Hauptstädten, ihre Jachten liegen in europäischen Häfen, ihr Geld auf Konten in der Schweiz.
Insgesamt 877 Personen sind in der EU mittlerweile mit Finanzsanktionen belegt, darunter über 30 russische und belarusische Oligarchen. Kürzlich hat die EU-Kommission eine erste Bilanz gezogen: Bis zum 8. April sind in den Mitgliedsstaaten Vermögenswerte von Oligarchen und Unternehmen im Wert von insgesamt 29,5 Milliarden Euro eingefroren worden. Darunter sind nach Angaben der Kommission Schiffe, Hubschrauber, Immobilien und Kunstwerke im Wert von fast 6,7 Milliarden Euro. Außerdem seien Transaktionen im Umfang von rund 196 Milliarden Euro blockiert worden.
Verfügungsverbote, also das sogenannte "Einfrieren von Geldern", gehören zu den wichtigsten Finanzsanktionen, welche die EU im Zuge des Ukraine-Krieges gegen russische Unternehmen und Privatpersonen erlassen hat. Diese Verfügungsverbote gelten für Geld auf Konten, aber auch für andere finanzielle Vermögenswerte, also beispielsweise für Häuser oder Jachten. Sind diese Vermögensgegenstände eingefroren, heißt dies, dass beispielsweise der Handel damit verboten ist, sie aber vom Staat nicht eingezogen werden.
Sanktionen ermächtigen also eine deutsche Behörde beispielsweise nicht dazu, ein Haus zu beschlagnahmen. Die sanktionierte Person könnte dort weiterhin wohnen. Es dürfte aber im eingefrorenen Zustand nicht vermietet oder verkauft werden. Auch auf der eigenen Jacht dürfte eine sanktionierte Person weiterhin fahren, sofern sie privat unterwegs ist und daraus keine Gewinne erzielt.
EU-Kommission will mehr Informationen
Um die Sanktionen zwischen den Mitgliedsstaaten zu koordinieren, hat die EU-Kommission eine eigene Taskforce eingerichtet. Denn die Durchsetzung ist Sache der Mitgliedsstaaten, auch wenn mit Inkrafttreten der EU-Verordnung die Sanktionen unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat gelten und keine nationale Umsetzung nötig ist. EU-Justizkommissar Didier Reynders sagte vergangene Woche: "Ich fordere die Mitgliedstaaten auf, alle erforderlichen Maßnahmen zur Durchsetzung der Sanktionen zu ergreifen, und diejenigen, die dies noch nicht getan haben, sollten der Kommission unverzüglich Bericht erstatten."
Denn die Durchsetzung der Finanzsanktionen läuft in einigen Mitgliedsländern offensichtlich besser als in anderen. In den Niederlanden bezifferte Außenminister Wopke Hoekstra den Umfang des eingefrorenen Vermögens Anfang April auf 516 Millionen Euro - darunter insgesamt 14 festgesetzte Jachten, wovon ein Dutzend sich auf verschiedenen Werften noch im Bau befinde.
Der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire sagte bereits am 20. März dem Radiosender RTL, französische Behörden hätten Vermögenswerte in Höhe von von 850 Millionen Euro eingefroren. Darunter seien Immobilien im Wert von 539 Millionen Euro, 150 Millionen Euro auf Privatkonten französischer Banken, sowie zwei Jachten im Wert von 150 Millionen Euro. Und in Italien haben die Beamten schon bis Ende März rund 848 Millionen Euro an Vermögenswerten eingefroren und beispielsweise Villen, Autos und Luxusjachten konfisziert.
Auch die Schweiz ist dabei
Auch die Schweiz, die bisher als sicherer Hafen für alle möglichen Geldanlagen galt, hat sich Ende Februar entschieden, die Sanktionsliste der EU zu übernehmen. Bis zum 7. April haben die dortigen Behörden nach eigenen Angaben Vermögenswerte im Wert von 7,5 Milliarden Schweizer Franken eingefroren.
"Wie bei allen Sanktionsverordnungen bleiben die Vermögenswerte so lange gesperrt, wie die Person auf der Sanktionsliste steht beziehungsweise so lange die Verordnung in Kraft ist", erklärt Fabian Maienfisch, Sprecher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung in der Schweiz, auf Anfrage von tagesschau.de.
Die mehr als 150 Meter lange Jacht "Dilbar" war für Werftarbeiten nach Hamburg gebracht worden - kann den Hafen nun aber nicht verlassen.
Jacht sitzt im Hamburger Hafen fest
Weniger erfolgreich ist offenbar die Bilanz aus Deutschland: Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios waren bis zum 21. März rund 95 Millionen Euro Vermögenswerte russischer Oligarchen hierzulande eingefroren - also im Vergleich zu anderen EU-Staaten eine eher überschaubare Summe. Aktuellere Angaben wollte das Finanzministerium auf Anfrage nicht machen.
Alleine auf rund 600 Millionen Dollar wird indes der Wert der Jacht "Dilbar" geschätzt, die derzeit im Hamburger Hafen im Dock liegt - und ihn nicht verlassen kann. Die deutschen Behörden haben inzwischen ermittelt, dass das Schiff Gulbahor Ismailova gehört, der Schwester des russischen Oligarchen und Putin-Vertrauten Alisher Usmanov. Beschlagnahmt ist die "Dilbar" nicht - aber laut "Stern" inzwischen "eingefroren". So seien der Werft Blohm + Voss Arbeiten an der aktuell fahruntüchtigen Jacht untersagt.
Usmanov sollen in Deutschland unter anderem auch Luxusimmobilien gehören. Allerdings zeigt der Fall des Oligarchen, wie mühsam es für die Behörden oftmals ist, die Sanktionen umzusetzen. "Die Behörden müssen überhaupt erstmal wissen, welche Vermögensgegenstände es von welchen sanktionierten Personen und Unternehmen überhaupt gibt", sagt Jacob Wende, Rechtsanwalt und Chef des Tech- und Beratungsunternehmens Regpit, der sich intensiv mit dem Thema Geldwäsche beschäftigt: "Bei Banken funktioniert das durch ein Meldesystem mit der Bundesbank. Gehören Immobilien, Yachten oder andere teure Gegenstände sanktionierten Personen und Unternehmen stellt sich die Frage, wer wann was melden soll."
Der wahre Eigentümer wird verschleiert
Verhältnismäßig einfach eingefroren werden kann Geld auf Bankkonten, wenn die Personen Konten unter ihren Klarnamen bei den Banken haben. "Doch es gibt große Probleme, wenn man genauer hinschaut. Die meisten sanktionierten Personen halten ihr Konto nicht unter ihrem Klarnamen. Vielmehr werden komplizierte Firmengeflechte mit zwischengeschalteten Unternehmen, die im Ausland sitzen, genutzt", so der Experte im Gespräch mit tagesschau.de.
"Auf diese Weise kann verschleiert werden, wer wirklich hinter dem Unternehmen steht. Selbst bei Banken, für die der Umgang mit Sanktionen keineswegs neu ist, führt der Umfang und die Komplexität der gegenwärtigen Sanktionen zu Herausforderungen."
Vorbild Geldwäsche-Bekämpfung
Immobilien, Jachten oder andere Vermögensgegenstände seien noch schwerer zu sanktionieren, erläutert Jacob Wende: "Wenn es Anzeichen dafür gibt, dass eine Immobilie verkauft oder vermietet werden soll, dann kann die Behörde einschreiten und die Immobilie beschlagnahmen."
Allerdings müsste sie dafür von Immobilienmaklern oder Notaren über den Verkauf informiert werden: "Hier fehlt es noch bei vielen an der notwendigen Sensibilität. Allerdings stellen sich auch praktische Umsetzungsfragen. Wie soll man bei inzwischen mehr als 870 sanktionierten Personen prüfen, ob es sich bei dem Hausverkäufer um eine sanktionierte Person handelt. Nicht zuletzt treten sanktionierte Personen oft nicht mit ihrem Klarnamen auf."
Viele Prozesse, die zum Einfrieren von Vermögenswerten führen, ähneln laut Jacob Wende denen der Geldwäschebekämpfung. Auch dort muss etwa ein Notar nachprüfen, wer ein Gebäude kaufen oder verkaufen will und Verdachtsfälle an die Behörde melden. Hier sieht der Experte Klärungsbedarf: "Es muss klar sein, wer wann welcher Behörde was melden muss."
In anderen Ländern sind die Abläufe offensichtlich eingespielter als in Deutschland: Gerade Italien etwa gilt als Musterschüler bei der Geldwäsche-Bekämpfung: "In anderen Ländern bestehen bereits seit längerem Strukturen, die besser auf die Durchsetzung von den komplizierten Sanktionsmechanismus zurückgreifen", so der Rechtsanwalt. Das sei ein Vorteil für die Behörden und die Ermittler.