Finanzen, Währung und Banken Wie hart die neuen Strafen Russland treffen
Die neuen Wirtschaftssanktionen des Westens wegen Russlands Krieg gegen die Ukraine zeigen Wirkung. Was bedeutet das für Banken, Konzerne, Investoren - und sind noch schärfere Maßnahmen denkbar? Ein Überblick.
Was will der Westen erreichen?
Die neue Runde noch härterer Sanktionen westlicher Staaten gegen Russland wegen des Kriegs gegen die Ukraine zielen darauf ab, das Land weitgehend vom internationalen Finanzsystem abzutrennen. Gleichzeitig soll es Moskau erschwert werden, die wirtschaftlichen Folgen durch seine enormen Devisenreserven auszugleichen. Die ökonomischen Kosten des Krieges für Russland sollen massiv steigen, indem die russische Wirtschaft gezielt geschwächt wird.
Worum geht es konkret?
Die EU hat am Wochenende gemeinsam mit den USA, Kanada und Großbritannien weitgehende Sanktionen gegen die russische Zentralbank beschlossen. Geschäfte mit der Notenbank sollen künftig nicht mehr erlaubt sein. Alle Vermögenswerte der Zentralbank in den westlichen Staaten sollen künftig eingefroren sein. Außerdem sollen einige russische Banken vom internationalen Zahlungssystem SWIFT ausgeschlossen werden, was ihnen praktisch sämtliche Geschäfte mit dem westlichen Ausland unmöglich machen würde. Um welche Banken es dabei geht, ist noch unklar.
Warum wird die Zentralbank Ziel der Sanktionen?
Russland verfügt über Devisenreserven von schätzungsweise 630 Milliarden Dollar - zu großen Teilen Einnahmen aus dem Geschäft des Landes mit Gas- und Ölexporten, unter anderem mit dem Abnehmer Deutschland. Allerdings liegt ein erheblicher Teil dieser Reserven im westlichen Ausland - unter anderem in den USA, in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Österreich. Mit den Sanktionen soll das Geld dem Zugriff der russischen Zentralbank entzogen werden, damit diese nicht mehr mit dem Verkauf ausländischer Währungen wie Dollar oder Euro die Landeswährung Rubel stützen kann.
Hat es solche Sanktionen schon einmal gegeben?
Sanktionen gegen Zentralbanken und Währungsreserven gehören zu den härtesten wirtschaftlichen Strafmaßnahmen gegen Staaten. Die USA haben in der Vergangenheit ähnliche Schritte unternommen gegen Venezuela, den Iran und Afghanistan. 2018 von der US-Regierung beschlossene Sanktionen hatten den Ausschluss des Irans aus dem Zahlungssystem SWIFT zur Folge. Konsequenz war, dass westliche Handelsbeziehungen mit dem Land und Investitionen im Iran praktisch kaum noch möglich waren.
Welche Folgen haben die neuen Sanktionen in Russland?
Die massiv eingeschränkten Möglichkeiten der Zentralbank zur Stützung der Landeswährung haben den Rubel nochmals stark fallen lassen. Im Gegenzug stieg der US-Dollar heute zeitweise um fast 42 Prozent auf ein Rekordhoch von 119 Rubel. Bereits in der vergangenen Woche war der Rubel stark gefallen. Sorgen vieler Russen um ihr Erspartes haben Berichten zufolge bereits zu Schlangen vor Geldautomaten im Land geführt.
Gleichzeitig stoppen immer mehr westliche Unternehmen ihre Lieferungen nach Russland oder legen die Geschäftsbeziehungen mit dem Land auf Eis. Auch der Kreml räumt inzwischen ein, dass die Strafmaßnahmen Wirkung zeigen. "Das sind schwere Sanktionen, sie sind problematisch", sagte Dmitri Peskow, Sprecher von Russlands Präsident Wladimir Putin. Russland habe aber "das notwendige Potenzial, um den Schaden durch die Sanktionen zu kompensieren".
Wie reagiert die Zentralbank in Moskau?
In einem ersten Schritt hat die russische Notenbank versucht, mit einer drastischen Anhebung des Leitzinses von bislang 9,5 Prozent auf 20 Prozent gegenzusteuern. Dies soll Kapitalflucht stoppen und Fremdwährungseinlagen in Rubel attraktiver machen. Gleichzeitig beschloss die Moskauer Zentralbank Kapitalverkehrskontrollen. Makler wurden angewiesen, Leerverkäufe auf dem russischen Markt auszusetzen und keine Aufträge ausländischer Investoren zum Verkauf russischer Wertpapiere mehr auszuführen. Der Handel am Aktienmarkt wurde am Morgen ausgesetzt.
Kann Russland den Rubel-Verfall stoppen?
Experten bezweifeln, dass die russische Notenbank den Abwärtstrend der Landeswährung bremsen kann. "Dies wird kaum gelingen. Der Rubel hat mit den umfassenden Sanktionen aufgehört, eine frei konvertible Währung zu sein", so der Ökonom Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Auch Wertpapiere in Rubel seien an den internationalen Finanzmärkten "mit dem russischen Überfall auf die Ukraine schlagartig zu Ramsch geworden".
Denkbar wäre nun, dass Russlands Zentralbank um Hilfe in China bittet. Dort befinden sich etwa 14 Prozent der ausländischen Devisenreserven des Landes. Allerdings müssten chinesische Banken selbst westliche Sanktionen befürchten, wenn sie in Finanzgeschäfte mit Moskau einwilligen. Auch dass Russland einen Verkauf seiner enormen Goldbestände versucht, wäre möglich. Nach Angaben der Zentralbank verfügt sie im Inland über Bestände von mehr als 2000 Tonnen Gold. Doch ein Verkauf im Ausland dürfte schwierig sein.
Was bedeutet das für russische Banken?
Ist der Rubel keine international einsetzbare Währung mehr, könnte dies auch in Russland das Vertrauen ins Finanzsystem massiv erschüttern - mit einer möglichen schweren Bankenkrise im Land als Folge. Gezielte Sanktionen der EU und der USA gegen bestimmte russische Großbanken haben bereits erhebliche Auswirkungen auf deren Auslandstöchter. So teilte die EZB-Bankenaufsicht in der Nacht mit, die in Wien ansässige Sberbank Europe AG und ihre beiden Tochtergesellschaften Sberbank d.d. in Kroatien und Sberbank banka d.d. in Slowenien seien wahrscheinlich nicht mehr überlebensfähig. Die Bank werde voraussichtlich bald ihre Schulden nicht mehr bedienen können. Die Sberbank ist Russlands größte Bank. Ebenso wie die VTB Bank war sie bislang eng verflochten mit dem westlichen Finanzsystem. Nun werden die Institute von internationalen Finanzgeschäften abgeschnitten.
Wie reagieren ausländische Investoren?
Der Krieg gegen die Ukraine und die internationale Isolation Russlands auch auf dem Finanzmarkt hat bereits mehrere westliche Großkonzerne und Fondsgesellschaften reagieren lassen. So kündigte der Energiekonzern BP an, seinen 20-Prozent-Anteil an der staatlichen russischen Ölgesellschaft Rosneft abzugeben. Norwegens Staatsfonds - einer der größten Pensionsfonds der Welt - kündigte an, sämtliche Investitionen in russische Vermögenswerte einzufrieren und sich aus Geschäften mit dem Land zurückzuziehen.
Wären noch härtere Wirtschaftssanktionen gegen Russland möglich?
Auch nach der jüngsten Verschärfung der Sanktionen hat der Westen noch nicht alle denkbaren Möglichkeiten ausgeschöpft, um Russland ökonomisch zu treffen. Besonders empfindlich treffen würde das Land beispielsweise ein Gas-Embargo - ein Stopp der Erdgas- oder auch Ölimporte in die Europäische Union. Allein Deutschland bezieht rund 55 Prozent seines Erdgases aus Russland. Auch sollen offenbar gezielt diejenigen russischen Banken von einem Ausschluss aus dem Zahlungssystem SWIFT verschont bleiben, über die Energie-Geschäfte abgewickelt werden. Mehrere EU-Staaten befürchten, dass Russland andernfalls seine Gaslieferungen komplett einstellt.