Wettstreit zwischen USA und China Was Amazon und Apple in Indien wollen
Der Technologie-Wettstreit zwischen den USA und China wird mit immer härteren Bandagen ausgefochten. Das zwingt die großen Techkonzerne zum Umdenken. Davon profitiert Indien.
Der erbitterte Technologie-Konkurrenzkampf zwischen den USA und China hat schon wieder eine neue Eskalationsstufe erreicht. Erst vor wenigen Tagen verschärfte Peking die Gangart drastisch, als es erstmals einen US-Chiphersteller ins Fadenkreuz nahm: Die Behörde für Cybersicherheit der Volksrepublik warnte wegen angeblicher Sicherheitsrisiken vor dem Einsatz von Bauteilen des US-Konzerns Micron.
Technologie eine Frage der nationalen Sicherheit
Der Schritt kam nicht unerwartet: Zuvor waren die USA massiv gegen chinesische Technologiekonzerne wie Huawei vorgegangen, hatten Exportbeschränkungen für Chipmaschinen verhängt, und ein landesweites Verbot der populären Video-App TikTok steht im Raum. Im Informationszeitalter wird Technologie somit wird immer mehr auch eine zentrale Frage der nationalen Sicherheit.
Doch können sich die USA und ihre Techkonzerne ernsthaft von China abkoppeln - einem Land, das immer noch als "Fabrik der Welt" gilt? Im Interview mit der "Financial Times" hat Nvidia-Chef Jensen Huang jüngst gewarnt, die US-Chipindustrie drohe im Zwist zwischen Washington und Peking unter die Räder zu kommen. Die Branche sei dem Risiko eines "enormen Schadens" ausgesetzt.
Amazon, Apple und Cisco zieht es nach Indien
Fakt ist: Je mehr der Wettstreit zwischen den USA und China eskaliert, desto größer wird der Druck auf die großen US-Technologiekonzerne, sich unabhängiger von China zu machen. Das Land der Wahl ist dabei immer häufiger Indien. Erst in der vergangenen Woche teilte der weltgrößte Onlinehändler Amazon mit, bis 2030 rund 13 Milliarden Dollar in den Ausbau seiner Cloud-Computing-Sparte in Indien zu investieren.
Es ist nicht die einzige hochkarätige Investition der vergangenen Monate: So kündigte der US-Netzwerkausrüster Cisco Systems bereits Anfang Mai an, mit der Produktion in Indien zu beginnen, um seine globale Lieferkette zu diversifizieren. Mitte Mai folgte der Apple-Zulieferer Foxconn, der eine halbe Milliarde Dollar auf dem Subkontinent investieren möchte.
Bald mehr iPhones "made in India"?
Die neu zu bauende Anlage im südwestlichen Bengaluru soll laut der Finanznachrichtenagentur Bloomberg zur Endmontage von iPhones dienen. Ziel ist es, die iPhone-Fertigung auf dem Subkontinent zu stärken und so die Lieferkette zu diversifizieren. Bloombergs Marktanalyseabteilung schätzt, dass der Anteil des Landes an der iPhone-Montage von derzeit unter fünf auf zehn bis 15 Prozent steigen könnte.
Analysten monieren bereits seit Jahren die enorme China-Abhängigkeit des US-Technologiekonzerns. Immerhin fertigt Apple mehr als 90 Prozent seiner iPhones in der Volksrepublik. Kein anderer US-Technologiekonzern verfügt über eine derartig China-zentrische Lieferkette. Fertigungsprobleme im Zuge der Corona-Pandemie hatten dem iPhone-Konzern zuletzt das so wichtige Weihnachtsquartal verhagelt - und so neuen Schwung in die Abhängigkeitsdebatte gebracht.
Eli Friedman, Ökonom an der Cornell Universität, warnt aber, dass Apples China-Lieferkette sich nicht über Nacht in Luft auflösen würde. Ein komplettes Abkoppeln von China sei für den US-Konzern einfach nicht realistisch. Die US-Bank JPMorgan sagt immerhin voraus, dass Chinas Anteil an Apples Produktion bis 2025 von 95 auf 75 Prozent sinken wird.
Schaeffler setzt auf Indien, Bosch auf China
Doch nicht nur große US-Technologiekonzerne zieht es nach Indien - auch einige deutsche Firmen haben den Wert Indiens als Technologiestandort erkannt. So hat etwa der Autozulieferer Schaeffler ein neues Kompetenzzentrum für Software und Elektronik in Pune, Indien, eröffnet.
Ganz anders Bosch: Der Automobilzulieferer setzt voll auf den chinesischen Automarkt und hat jüngst in Suzhou mit knapp einer Milliarde Euro die nach der Chipfabrik in Dresden zweitgrößte Einzelinvestition der Unternehmensgeschichte getätigt. Eine Investition, die durchaus Risiken birgt, sollten sich die geopolitischen Spannungen zwischen China und den USA verschärfen.
Indien finanziert Putins Krieg mit
Allerdings ist auch der Standort Indien nicht ganz ohne Risiko, sendet das Land doch eher gemischte geostrategische Signale in die Welt hinaus. Politische Differenzen mit dem Westen sind somit auch hier künftig nicht auszuschließen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Indien gehört neben China zu den größten Abnehmern russischen Öls und Gases. "80 Prozent des russischen Erdöls gehen nach Indien oder China", betont Marktexperte Robert Rethfeld von Wellenreiter Invest.
Damit finanziert Indien indirekt den russischen Angriffsrkrieg gegen die Ukraine. Bislang scheinen das westliche Bündnis und allen voran die USA noch darüber hinwegzusehen. Sollte sich das aber ändern und gar über Maßnahmen gegen Indien nachgedacht werden, könnte auch der Produktionsstandort Indien plötzlich viel riskanter sein, als es sich Apple und Co. derzeit vorstellen wollen.