Finanzmärkten fehlt das Vertrauen in Europa Rekordzinsen für immer mehr Staaten
Rekordzinsen für Italien und Spanien, Frankreich zusehends unter Druck - die Finanzmärkte verlieren das Vertrauen, dass Europa die Schuldenkrise meistern kann. Aus Brüssel kommen die immer gleichen Antworten, und auch sonst gibt es kaum Hoffnungszeichen.
Von Martin Bohne, MDR-Hörfunkstudio Brüssel
Die Finanzmärkte senken den Daumen. Immer mehr Euro-Staaten müssen Rekordzinsen zahlen, wenn sie sich frisches Geld besorgen müssen. Nun traf es vor allem Spanien: Für eine Anleihe über drei Milliarden Euro musste das Land die höchsten Zinsen seit 14 Jahren zahlen. Beängstigend vor allem das Tempo, mit dem die Zinsen in die Höhe schießen: um 40 Prozent im Vergleich zum Vormonat.
Auch Frankreich zunehmend unter Druck
Auch Frankreich, mit Deutschland die tragende Säule bei der Euro-Rettung, steht zunehmend unter Druck. Die Risikoaufschläge für zehnjährige Staatsanleihen stiegen auf den höchsten Wert seit der Euro-Einführung. Die Schuldenkrise breitet sich unkontrolliert aus. Selbst die Niederlande und Österreich, die zum Stabilitätskern der Eurozone gehören, spüren schon das Misstrauen der Märkte.
Ganz zu schweigen von Italien. Die Atempause nach dem Rücktritt Berlsuconis war nur von kurzer Dauer. Die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen stiegen wieder über die kritische Schwelle von sieben Prozent. Bei diesem Wert mussten Griechenland, Portugal und Irland an den Tropf des Rettungschirms. Der Sprecher von EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn kann da nur kapitulieren: Die Kommission kommentiere kurzfristige Marktentwicklungen prinzipiell nicht, sagte Amadeu Altafaj. Und - das sollte wohl beruhigend klingen - die Ansteckung, die Weiterverbreitung des Krisenbazillus sei keine Gefahr mehr, sondern längst eine Realität. Und da gebe es leider nichts, was die Situation verändert habe.
Die immer gleichen Antworten aus Brüssel
Was tun? Es sind immer die gleichen Antworten aus Brüssel: Die Regierungen müssen sich am Riemen reißen."Wir setzen darauf, dass der Weg der Haushaltskonsolidierung in Spanien fortgesetzt wird", erklärte Altafaj. Und das wohl auch mit Blick auf die am Sonntag stattfindenden Wahlen, die mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem Regierungswechsel in Madrid führen werden.
Der spanische Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero dürfte damit das nächste politische Opfer der Schuldenkrise werden. In Italien und Griechenland mussten die Regierungschefs gerade ihren Hut nehmen, in beiden Ländern bemühen sich hochgeschätzte, parteiungebundene Wirtschaftsfachleute um eine Lösung der Krise. Aber die Märkte haben wachsende Zweifel, dass sich Mario Monti und Lukas Papademos gegen die politischen Beharrungskräfte durchsetzen können. Monti stößt beim Berlusconi-Lager auf Widerstand mit dem Plan, seine Übergangsregierung bis 2013 im Amt zu lassen. Auch Papademos soll nach dem Willen der griechischen Politik-Elite nur eine kurze Gastrolle abgeben. Und der Chef der Konservativen verweigert weiterhin die schriftliche Zusage, sich auch nach Neuwahlen an das mit der EU vereinbarte Spar- und Reformprogramm zu halten.
Nervosität und Unsicherheit - und keine guten neue Nachrichten
Kommissionssprecher Altafai bestätigte aber noch einmal, dass eine solche Zusage die Voraussetzung für die Auszahlung der nächsten Rate der Hilfskredite an Athen ist: "Alle politischen Kräfte in Griechenland müssen die europäischen Partner und auch die Marktteilnehmer von ihrem Willen überzeugen, dass sie entschlossen handeln wollen, egal, was bei künftigen Wahlen passiert."
Aber erst mal herrschen Nervosität und Unsicherheit vor. Zumal es auch sonst wenig Hoffnungszeichen gibt. Das europäische Statistikamt konnte für die Eurozone im dritten Quartal nur noch ein Miniwachstum von 0,2 Prozent vermelden. Eine Rezession steht vor der Tür. Die Euro-Krise spitzt sich weiter zu.