Rasanter Anstieg in Afrika Der Siegeszug der Zoonosen
Covid-19, Affenpocken, Marburg-Fieber: Zoonotische Infektionskrankheiten, die vom Tier auf den Menschen und umgekehrt übertragbar sind, breiten sich in Afrika zunehmend aus. Ein Alarmsignal - doch die WHO arbeitet an einer Gegenstrategie.
"In einem von drei Fällen, in denen afrikanische Gesundheitsbehörden einen Krankheitsausbruch bestätigt haben, ging es in den vergangenen Jahren um eine zoonotische Krankheit", sagt die Regionaldirektorin der WHO in Afrika, Matshidiso Moeti, und warnt: "Für Afrika ist das eine echte Bedrohung." Zoonosen sind vom Tier auf den Menschen und umgekehrt übertragbar.
Der Kontinent hat vor allem durch Ebola viel über die Bekämpfung schwerer Infektionskrankheiten gelernt - und weiß um die Gefährlichkeit. Nachdem zwei Männer im Süden Ghanas Ende Juni am Marburg-Fieber gestorben sind, wurden sofort 90 Kontaktpersonen untersucht. Sie waren nicht infiziert worden, so das Ergebnis.
Die Krankheit wird durch direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten übertragen, zu den Symptomen gehören Durchfall, Fieber, Übelkeit und Erbrechen. Laut WHO liegt die Sterblichkeit bei bis zu 88 Prozent, zugelassene Impfstoffe gibt es nicht. Überträger ist vermutlich eine Fledermausart.
Große Wachsamkeit
Die Sensibilität auf dem Kontinent ist groß. "Neben Covid-19 bearbeiten wir gerade elf andere Bedrohungen für die öffentliche Gesundheit", so Ahmed Ogwell Ouma, geschäftsführender Direktor der afrikanischen Gesundheitsbehörde für ansteckende Krankheiten (CDC).
Eine davon tauchte vergangene Woche in Tansania auf. Die mysteriöse Fall entpuppte sich inzwischen als Leptospirose, eine bakterielle Krankheit, die von Nagetieren übertragen wird. Im Extremfall kann sie innere Organe angreifen und tödlich sein. Nicht nur in Afrika erkranken Menschen daran, auch zum Beispiel in Deutschland gibt es immer wieder einige Fälle.
Sprang im Wildtiermarkt von Wuhan das Coronavirus auf den Menschen über? China bestreitet diese These bis heute.
Impfstoffe sind rar
Während es für Marburg-Patienten keine ursächliche Therapie gibt, sind etwa gegen Ebola und Affenpocken inzwischen Schutzimpfungen möglich. Das Problem: Die Impfstoffe sind rar, im Ringen mit dem reichen Norden hat Afrika oft das Nachsehen - Covid-19 ist das beste Beispiel.
"Mehr als 60 Prozent aller Infektionskrankheiten und mehr als 75 Prozent aller aufkommenden Infektionskrankheiten weltweit werden durch Krankheitserreger verursacht, die der Mensch mit Wildtieren oder Haustieren teilt", sagt WHO-Expertin Moeti. Afrika spiele da eine besondere Rolle. Menschen und - als mögliche Krankheitsüberträger - Wildtiere rückten immer mehr zusammen.
Gründe seien das Bevölkerungswachstum auf dem Kontinent, die immer größere Mobilität von Menschen und die Suche nach Nahrungsressourcen, auch durch die Jagd. Afrika könnte nach Befürchtung der WHO "zum Epizentrum neu auftretender Infektionskrankheiten werden".
"Pufferzonen" verschwinden
Das UN-Umweltprogramm hatte schon 2016, drei Jahre vor Covid-19, gewarnt, Zoonosen seien rasant auf dem Vormarsch. Massentierhaltung, Rohstoffabbau, Waldeinschlag: Der Mensch reiße "traditionelle Pufferzonen" zur der Welt von wenig oder noch unbekannten Krankheitserregern selbst ein.
Um die Lage in den Griff zu bekommen, heißt das neue Zauberwort "One Health" (Eine Gesundheit). Die Afrikanische Union hat dazu im Juni eine Arbeitsgruppe mit Experten aus verschiedenen Bereichen eingesetzt. Menschen, Tiere und Pflanzen sollen als Teile des gleichen Lebensraums begriffen werden, den es zu schützen und gegen Krankheiten zu verteidigen gilt.
Die WHO und andere Organisationen setzen schon länger auf den "One Health"-Ansatz. Sollte das Ringen um die eine globale Gesundheit Erfolg haben, wird sich der in den nächsten Jahren in Zahlen festmachen lassen: an einem Sinken der Zahl zoonotischer Krankheitsausbrüche. Doch noch ist der Trend ein radikal anderer.