Physik-Nobelpreis Das Chaos verstehen
Für die Erforschung sogenannter komplexer Systeme haben Klaus Hasselmann, Syukuro Manabe und Giorgio Parisi den Physik-Nobelpreis bekommen. Ihre Arbeit hilft dabei, etwa das Klima besser zu verstehen.
Der Physik-Nobelpreis ist in diesem Jahr zweigeteilt: Die eine Hälfte teilen sich die Klimaforscher Klaus Hasselmann und Syukuro Manabe. Sie leisteten mit ihrer Forschung Pionierarbeit für wichtige Klimamodelle, die heute etwa genutzt werden, um die globale Erderwärmung zuverlässig vorherzusagen.
Der 89-jährige Hasselmann leitete früher das Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg und hat ein verlässliches Klimamodell entwickelt. Im Interview mit der tagesschau sagte er, dass er es noch immer nicht ganz glauben könne, den Nobelpreis verliehen bekommen zu haben. Er sei stolz über diese Auszeichnung.
Die andere Hälfte des Preises geht an den Italiener Giorgio Parisi, der für seine Grundlagenforschung zur Theorie der ungeordneten und zufälligen Phänomene gewürdigt wird. Parisi erforschte, welche Muster in scheinbar ungeordneten und chaotischen Strukturen versteckt sein könnten.
Seine Ergebnisse können auf viele wissenschaftliche Gebiete übertragen werden, zum Beispiel bei der Erforschung des Klimas, dessen Einflussfaktoren und die Erstellung entsprechender Vorhersagemodelle. Parisis Forschung machte es möglich, hochkomplexe Systeme wie das Erdklima überhaupt zu verstehen. Damit legte er unter anderem die Grundlagen für Arbeiten von Hasselmann und Manabe.
Wegbereiter für aktuelle Klimamodelle
Sowohl Hasselmann als auch Manabe waren an dem Nachweis beteiligt, dass der vom Menschen verursachte CO2-Ausstoß einen großen Einfluss auf die Erderwärmung hat.
Manabe konnte zeigen, wie ein erhöhter Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre zum Temperaturanstieg an der Erdoberfläche führt. Er begann schon in den 1960er-Jahren, die hochkomplexen Wechselwirkungen von atmosphärischen Gasen mit der Sonneneinstrahlung näher zu erforschen. Mit Hilfe eines Modells bildete er erstmals nach, wie einzelne Gase, Konvektionsströmungen oder auch die Luftfeuchtigkeit die Strahlungsbilanz und Temperatur beeinflussen.
Syukuro Manabe ist ein japanischer Meteorologe und Klimatologe. Er wurde am 21. September 1931 im nordwestlichen Teil Japans geboren.
Im Jahr 1958 promovierte er an der Universität in Tokio und emigrierte danach in die Vereinigten Staaten. Dort arbeitete er bis zum Jahr 1997 in der Abteilung für allgemeine Zirkulationsforschung der US-Wetterbehörde. Von 1997 bis 2001 ging er zurück nach Japan, um beim Pionierforschungssystem für den globalen Wandel zu arbeiten. In dieser Zeit war er Direktor einer Forschungsabteilung, die sich mit der Untersuchung der Erderwärmung befasst.
2002 kehrte Manabe in die USA zurück, wo er als Gastwissenschaftler an einem Forschungsprogramm der Princeton University mitwirkte. Für seine Arbeit und sein Wirken im Bereich der Klimaforschung hat er zahlreiche Preise erhalten.
Verbesserte Wettervorhersagen
Etwa zehn Jahre später schuf Hasselmann ein Computermodell, das Wetter und Klima miteinander verknüpft und zeigte, dass Klimamodelle zuverlässig sind, obwohl das Wetter schwankt.
Darüber hinaus entwickelte er Methoden, um zwischen natürlichen Phänomenen - wie zum Beispiel Vulkanausbrüchen - und menschlichen Einflüssen auf das Erdklima unterscheiden zu können. So konnte gezeigt werden, dass die Erderwärmung tatsächlich durch die menschlichen Treibhausgas-Emissionen ausgelöst wurde.
Klaus Ferdinand Hasselmann ist ein deutscher Klimaforscher, Meteorologe und Ozeanologe. Er wurde am 25. Oktober 1931 in Hamburg geboren. Aufgrund der publizistischen Tätigkeit seines Vaters Erwin Hasselmann emigrierte seine Familie in der Zeit des Nationalsozialismus nach Großbritannien.
1949 kam Hasselmann zurück nach Deutschland und studierte von 1950 bis 1955 Physik und Mathematik an der Universität in Hamburg. Seine Promotion erlangte er 1957 am Max-Planck-Institut für Strömungsforschung in Göttingen. In seiner Doktorarbeit beschrieb er eine Methode zur Bestimmung der Reflexion und Brechung von Stoßfronten und von beliebigen Wellen kleiner Wellenlängen an der Trennungsfläche zweier Medien.
Ab 1966 arbeitete er als Professor an der Universität Hamburg sowie als Professor am Scripps Institut für Ozeanographie in den USA. Von 1970 bis 1972 war er als Professor am Woods Hole Institut für Ozeanographie in Massachusetts tätig. 1975 führte sein Weg wieder zurück nach Deutschland, wo er am Institut für Geophysik als Professor tätig war.
Von 1975 bis 1999 arbeitete er in Hamburg als Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie und ab 1988 zusätzlich als Direktor des deutschen Klimazentrums.
Hasselmanns Forschungen umfassen Wellenphänomene in der Geophysik, stochastische Klimamodelle und wissenschaftliche Methoden, mit denen der menschliche Einfluss auf den Klimawandel bewiesen werden konnten.
Schon früh beschäftigte sich der heute 89-Jährige mit dem menschengemachten Klimawandel und dem Treibhauseffekt. So sagte er bereits 1988 in einem Interview: "In 30 bis 100 Jahren, je nachdem, wieviel fossiles Brennmaterial wir verbrauchen, wird auf uns eine ganz erhebliche Klimaänderung zukommen. Klimazonen werden sich verschieben, Niederschläge anders verteilen. Dann wird man nicht mehr von Zufallsergebnissen reden können. Man sollte sich bewusst werden, dass wir in eine Situation hineinkommen, wo es keine Umkehr mehr gibt. Wir müssen vor allem versuchen, mit Öl und Kohle sparsam umzugehen, denn das Kohlendioxid ist wesentlich an der Treibhauswirkung schuld."
Parisi und die Beschreibung des Zufalls
Auch der italienische Physiker Parisi hat verschiedene Phänomene untersucht, bei denen zufällige Prozesse eine entscheidende Rolle spielen, Strukturen entstehen und sich entwickeln. Er beschäftigte sich mit Fragen wie: Warum haben wir periodisch wiederkehrende Eiszeiten? Gibt es eine allgemeinere mathematische Beschreibung von Chaos und Turbulenzen?
Während der Verleihung sagte Thors Hans Hansson, der Vorsitzender des Nobelpreis-Komitees für Physik: "Die in diesem Jahr anerkannten Entdeckungen zeigen, dass unser Wissen über das Klima auf einer soliden wissenschaftlichen Grundlage beruht, die Grundlage einer gründlichen Analyse der Beobachtungen. Die diesjährigen Preisträger haben alle dazu beigetragen, dass wir einen tieferen Einblick in die Eigenschaften und Entwicklung komplexer physikalischer Systeme haben."
Parisi, der telefonisch zur Bekanntgabe zugeschaltet wurde, sagte mit Bezug auf die Klimakonferenz COP26, die in wenigen Wochen in Glasgow beginnt, er halte den Kampf gegen die Klimakrise für äußerst dringend. "Es ist klar, dass wir für künftige Generationen jetzt sehr schnell handeln müssen", sagte der Italiener nach Bekanntgabe des Physik-Nobelpreises. Es sei sehr wichtig, dass klare und sehr kraftvolle Entscheidungen getroffen würden.
Giorgio Parisi ist ein italienischer Physiker und Hochschullehrer. Er wurde 1948 in Rom geboren.
Im Jahr 1970 schloss er sein Physikstudium an der Universität "La Sapienza" in Rom ab. Anschließend arbeitete er bis 1981 als Forscher am Laboratori Nazionali di Frascati. Im Rahmen seiner Tätigkeit besuchte er verschiedene Institute, etwa die Columbia University in New York (1973-1974), das Insitute des Hautes Etudes Scientifiques in Paris (1976-1977) und die dortige Ecole normale superieure. Von 1981 bis 1992 arbeitete er als Professor für theoretische Physik an der Universität "Tor Vergata" in Rom und seit 1992 als Professor für Quantenphysik an der Universität "La Sapienza".
Parisi forscht auf verschiedenen Feldern der Physik, der Hochenergiephysik, der Quantenchromodynamik, der Theorie der Phasenübergänge, der statistischen Mechanik, der mathematischen Physik, der Stringtheorie und der Spin-Gläser. Für seine Forschungsarbeit wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.