Katastrophenschutz Wie Sturzfluten besser vorhergesagt werden könnten
Extremwetterereignisse wie Starkregen nehmen zu. Forschende an der Uni Freiburg entwickeln einen Index, der die Gefahren von Sturzfluten besser vorhersagen soll.
Zur Einschätzung von Gefahren durch Hochwasser gibt es schon seit längerer Zeit sogenannte Hochwasserkarten. Doch bei denen gehe es um typische Flusshochwasser, sagt Markus Weiler, Professor für Hydrologie an der Uni Freiburg. Abfließendes Wasser außerhalb von Flussgebieten werde darin nicht erfasst.
Zusammen mit anderen Forschungseinrichtungen wird deshalb momentan an der Uni Freiburg ein neuer Sturzflutindex entwickelt, der das genau berücksichtigen soll. Dazu Weiler: "Von Hängen läuft bei einem solchen Gewitter Wasser herunter, durch den Niederschlag. Es überflutet Straßen, gerade wo noch nie ein Gerinne war. Diese in kleineren Gebieten vorhandenen Überflutungen wird der Sturzflutindex spezifisch lokalisieren und vorhersagen."
Sturzflutindex berücksichtigt lokale Bodenbeschaffenheit
Am 29. Mai 2016 war der Ortskern von Braunsbach östlich von Heilbronn von einer verheerenden Flutwelle überrollt worden. Braunsbach erlangte dadurch bundesweit traurige Berühmtheit. Mehr als hundert Gebäude wurden damals stark beschädigt, zehn mussten abgerissen werden. Mit der Sturzflut von Braunsbach hatte damals niemand gerechnet. Der neue Sturzflutindex soll die Vorhersage solcher Ereignisse jetzt verbessern.
Dafür werden neben Wettervorhersage und Niederschlag auch die Eigenschaften der jeweiligen Gebiete mit in die Berechnungen einbezogen - zum Beispiel, ob es viele versiegelte Flächen wie Parkplätze, Straßen oder Industrieanlagen gibt. Oder, ob der Boden schon nass und mit Wasser gesättigt ist.
Bei den Extremwetterereignissen Anfang Juni 2024 hatte es schon Tage und Wochen immer mal wieder geregnet, 20 bis 30 Millimeter am Tag. Die Böden waren somit sehr feucht.
Aber es müsse nicht immer nur feucht sein, so Weiler. Auch wenn die Böden sehr trocken sind, könne das Wasser schlechter eindringen und sehr hohe Mengen Oberflächenabfluss bilden, erklärt er. Die Eigenschaft der Böden sei einer der wichtigsten Faktoren. Die wichtigste Frage sei: Wie gut kann das Wasser infiltrieren? Orte, an denen sich ein Oberflächenabfluss bilde und zusammenfließen könne, seien gefährdet, so Weiler.
Sturzflut-Gefahr abhängig von geografischer Beschaffenheit
An manchen Stellen könne, so Weiler, das Wasser natürlich zurückgehalten werden. Die Sturzflut würde dann geringer ausfallen.
Zur Gefahreneinschätzung ist es wichtig zu wissen, wie schnell und direkt das Wasser zusammenfließt, woraus sich dann eine Sturzflut bilden kann. Und vor allem: Wohin fließt das Wasser, wie hügelig ist das Gebiet? Gibt es dort weitere Gewässer? Welche Bereiche würde das Wasser überfluten?
Hydrologe Weiler führt das weiter aus: "Wenn die Überflutungen so stark sind, dass sie eine Gefährdung darstellen, dann würden wir das flächenmäßig beschreiben. Wir haben das definiert über Zustände wie 'Autos schwimmen weg' oder 'Personen können nicht mehr über eine Straße laufen'. Diese Anteile sind in diesem Sturzflutindex definiert."
Analyse aktueller Hochwasser-Ereignisse soll Index verbessern
Beim Hochwasser von Braunsbach im Jahr 2016 ging das Video eines wegschwimmenden Feuerwehrautos durch die Medien, bei dem das Blaulicht noch eingeschaltet war. Der Sturzflutindex soll gerade anhand von früheren und aktuellen Wetterkatastrophen überprüft werden.
Weiler: "Wir sind gerade dabei, die aktuellen Ereignisse zu überprüfen. Wir haben noch zusätzliche Aufnahmen gemacht und wollen diese jetzt nutzen, um den Index möglicherweise zu verbessern."
Sturzflutindex könnte eines Tages Leben retten
Sturzfluten sind gefährlich, oft auch lebensgefährlich - vor allem dann, wenn Wasser schnell fließt oder hoch ist. Und viele Menschen wissen gar nicht, dass sie gefährdet sind.
Aber: Die Vorhersage von Starkregen ist kompliziert. Von dieser Vorhersage hängt der neue Sturzflutindex ab - daher sind mehr als ein paar Stunden Vorwarnzeit nicht möglich. Auch bis das System flächendeckend funktioniert, wird es noch dauern.
Momentan wählen die Forschenden aus Freiburg Testgemeinden aus, um den vom Bund geförderten Sturzflutindex weiterentwickeln zu können. Eine Voraussetzung: In den vergangenen 15 Jahren muss die Gemeinde schon einmal von Starkregen getroffen worden sein.