Angepasste Corona-Impfstoffe Wer braucht den neuen Booster?
Gemäß der EMA-Empfehlung hat die EU-Kommission zwei an die Omikron-Variante BA.1 angepasste Impfstoffe zugelassen, ab Anfang September sollen sie verfügbar sein. Für wen eignen sie sich und wann sollte man sich impfen lassen?
Um welche Impfstoffe geht es?
Die Hersteller BioNTech/Pfizer und Moderna haben zwei sogenannte bivalente Impfstoffe entwickelt. Bivalent heißt: Sie sollen sowohl gegen die ursprüngliche Form des Coronavirus als auch gegen den Omikron-Subtyp BA.1 wirken. Experten gehen davon aus, dass die Impfstoffe auch einen Vorteil gegen den in Deutschland derzeit dominierenden Subtyp BA.5 bringen.
Die neuen Impfstoffe sind nur für Auffrischungsimpfungen gedacht und können nicht für die Grundimmunisierung genutzt werden. Für diese stehen weiter die bisher eingesetzten Impfstoffe bereit.
Die beiden neuen Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna können bei Personen ab zwölf Jahren eingesetzt werden, die mindestens die Grundimmunisierung gegen Covid-19 erhalten haben.
Warum gibt es neue, angepasste Impfstoffe?
Zwar bieten die bestehenden Impfstoffe weiter einen guten Schutz vor Krankenhausaufenthalten und Todesfällen infolge einer Covid-19-Erkrankung. Doch ihre Wirksamkeit hat mit der Weiterentwicklung des Virus und neuen Varianten abgenommen. Beim Ausbruch der Omikron-Variante hatten sich Wissenschaftler vor allem besorgt über die hohe Zahl der Mutationen am Spike-Protein geäußert, die sich auf die Wirksamkeit der impfinduzierten Immunantwort auswirken können. Corona-Auffrischungsimpfungen werden auch als wichtig angesehen, weil der Impfschutz nach nur zwei Dosen mit der Zeit nachlässt. In Deutschland haben 62 Prozent der Menschen eine Auffrischungsimpfungen erhalten, 8,7 Prozent erhielten einen zweiten Booster. Gut 76 Prozent sind grundimmunisiert.
Wie wirksam sind die neuen Impfstoffe?
Erste klinische Studiendaten zeigten, dass eine Booster-Impfung mit den angepassten Vakzinen eine deutliche stärkere Immunreaktion auslöste als die bestehenden Impfstoffe. Dabei schnitten sie auch gegen die Varianten BA.4 und BA.5 gut ab - allerdings in geringerem Maße als gegen BA.1. Daten zum tatsächlichen Schutz vor symptomatischer Infektion, schwerer Erkrankung und Tod sind aber erst aus der Anwendung zu erwarten.
Wer soll sich mit den neuen Vakzinen impfen lassen?
Für Deutschland gibt es noch keine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) zu dieser Frage. Deren Empfehlungen sind zwar nicht bindend, an ihnen orientieren sich aber viele Ärzte. Die STIKO empfiehlt bisher eine vierte Impfung allen ab 60 Jahren und rät, nicht auf einen angepassten Impfstoff zu warten und deshalb eine indizierte Impfung zu verschieben. Nach Angaben von Gesundheitsminister Karl Lauterbach beschäftigt sich die STIKO derzeit aber "sehr intensiv" mit den vorliegenden Studiendaten, um "zeitnah" zu einer aktualisierten Empfehlung mit Blick auf die nun zugelassenen, angepassten Impfstoffe zu kommen. Lauterbach ist nach eigenen Angaben mit der STIKO im Gespräch. Eine Woche nach der Zulassung des neuen Impfstoffs werde das Gremium eine Empfehlung aussprechen, kündigte er an.
Der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Carsten Watzl, hält eine Empfehlung nur für bestimmte Gruppen für wahrscheinlich - etwa für Menschen ab 60 Jahren, mit unterdrücktem Immunsystem oder mit Vorerkrankungen. "Ich wäre sehr überrascht, wenn die STIKO sagen würde, dass sich alle Erwachsenen noch mal impfen lassen sollen", so Watzl.
Wann ist der richtige Zeitpunkt für die Impfung?
Watzl sagte, wer der bestehenden STIKO-Empfehlung zu einer Viertimpfung bereits gefolgt sei oder sich in den vergangenen Monaten mit Corona angesteckt habe, solle ab dem Zeitpunkt mindestens sechs Monate bis zur nächsten Impfung verstreichen lassen. "Das heißt, wer sich jetzt erst vor zwei Monaten geimpft hat, der sollte auch ganz klar noch mal vier Monate warten." Ein weiterer Booster nach zu kurzer Zeit bringe keinen Zusatznutzen.
Bei manchen Risikopatienten könnte es Watzl zufolge aber ausnahmsweise Sinn ergeben, früher den angepassten Impfstoff zu spritzen - dies müsse individuell mit dem Arzt besprochen werden.
Ab wann sollen die Impfstoffe verimpft werden?
Lauterbach zufolge sollen ab dem 5. September die ersten insgesamt 14 Millionen Dosen von BioNTech/Pfizer und Moderna kommen. In den Kalenderwochen 36 und 37 werden jeweils rund fünf Millionen Dosen von BioNTech/Pfizer erwartet, von Moderna erhält der Bund 1,65 Millionen beziehungsweise 2,38 Millionen Dosen im Laufe der beiden Wochen.
Die reguläre Auslieferung an die Praxen soll spätestens ab dem 12. September erfolgen, erste Dosen sollen voraussichtlich noch am Donnerstag oder Freitag kommender Woche ausgeliefert werden.
Sollte die EU-Kommission auch den an BA.4/BA.5 angepassten Impfstoff von Biontech/Pfizer zulassen, was Ende September oder Anfang Oktober erwartet wird, wird Deutschland nach Lauterbachs Angaben von BioNTech/Pfizer "sehr zügig" mit einer ersten Tranche von 9,5 Millionen Dosen beliefert. BioNTech erwartet, dass der BA.4/BA.5-Booster nach erfolgter Zulassung bereits im September erhältlich ist.
Soll man besser auf an BA.4 und BA.5 angepasste Impfstoffe warten?
Es ist auch bereits ein Impfstoff in Aussicht, der an die Subtypen BA.4/BA.5 angepasst ist. Die US-Arzneimittelbehörde FDA erteilte solchen Präparaten von BioNTech/Pfizer und Moderna eine Notfallzulassung. Für Europa könnte die Zulassung laut EMA im Herbst erfolgen.
Lauterbach empfiehlt, nicht auf die noch kommenden Stoffe zu warten, sondern sich mit den bald verfügbaren impfen zu lassen. Auch die deutschen Amtsärzte sprachen sich dafür aus, die jetzt zugelassenen Impfstoffe zu nutzen. Zum jetzigen Zeitpunkt könne nicht einmal gesagt werden, welcher der beiden Impfstofftypen im Herbst und Winter besser schütze, sagte der Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienste, Johannes Nießen, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Wer sich jetzt eine vierte Impfung holen wolle, solle "nicht zögern und auf weitere Impfstoffe warten", sagte Nießen. "Er macht nichts falsch, wenn er den BA.1-Impfstoff nutzt."
Ähnlich äußerte sich Watzl: "Es gibt zu diesem Impfstoffkandidaten bisher keine klinischen Daten." Man könne nur über den Nutzen spekulieren - auch angesichts der nicht vorhersehbaren Entwicklung der vorherrschenden Varianten in den kommenden Monaten.