Zahl der Betroffenen steigt Mit Früherkennung gegen Rheuma
Steife Gelenke am Morgen, Schwellungen und Schmerzen - die Zahl der Rheuma-Kranken nimmt laut Studien zu. Auch deshalb arbeiten Mediziner an neuen Therapien und Methoden der Früherkennung.
Wenn die Diagnose einmal gestellt ist, begleitet eine rheumatische Erkrankung die Betroffenen oft den Rest ihres Lebens. Dabei ist Rheuma nicht nur eine einzelne Krankheit: Von Arthritis bis zu Entzündungen der Blutgefäße, Bindegewebe oder Wirbelsäule gehören sehr unterschiedliche Beschwerden zu den rheumatisch-entzündlichen Erkrankungen.
Und es trifft auch nicht nur ältere Menschen: Allein in Deutschland gibt es geschätzt 14.000 betroffene Kinder und Jugendliche. Ab heute treffen sich Fachleute auf dem Deutschen Rheumatologiekongress in Leipzig, um aktuelle Entwicklungen und mögliche Therapien zu besprechen.
Studie: Mehr Betroffene als bekannt
Ein wichtiges Thema dabei: Wie kann es gelingen, die Versorgung der Patientinnen und Patienten aufrechtzuerhalten? Das erklärt Christoph Baerwald. Er ist der ehemalige Leiter der Abteilung Rheumatologie am Universitätsklinikum Leipzig und Präsident des diesjährigen Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie.
Aktuelle Untersuchungen des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums deuteten darauf hin, dass die Zahl der Patientinnen und Patienten steige, so Baerwald: "Sie sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Häufigkeit größer ist, als man gedacht hat. Wir können jetzt davon ausgehen, dass 2,2 bis 3 Prozent der Erwachsenen in Deutschland eine rheumatisch-entzündliche Erkrankung haben."
Eine große britische Studie bekräftigt die deutschen Ergebnisse. Auch hier stiegen die Zahlen der rheumatischen Erkrankungen an. "Wir gehen davon aus, dass wir in Zukunft mehr Rheumatologen und Rheumatologinnen benötigen werden, um die Versorgung zu gewährleisten. Und das könnte durchaus ein Problem werden", so Baerwald.
Demografie möglicher Grund
Wahrscheinlich habe der Anstieg mehrere Gründe. Offenbar gebe es äußere Faktoren, die einen Einfluss auf die Entstehung einer rheumatischen Erkrankung haben, so Baerwald. So zeige die britische Studie beispielsweise, dass der sozioökonomische Status eine Rolle spiele: Je niedriger dieser in der Untersuchung war, je niedriger also beispielsweise Bildungsstand und Einkommen der Menschen war, desto häufiger traten die rheumatischen Erkrankungen auf.
Doch auch das Alter und der medizinische Fortschritt sind von großer Bedeutung: "Wir wissen, dass im höheren Alter das Risiko für entzündlich-rheumatische Erkrankungen steigt, deshalb hat der Anstieg wahrscheinlich mit der demografischen Entwicklung zu tun." Außerdem habe man heute andere diagnostische Möglichkeiten, sodass manche rheumatische Erkrankungen früher erkannt werden könnten. Auch das führe zu einem Anstieg der erfassten Fälle.
Lange Wartezeiten bis zur Diagnose
Für die Betroffenen ist das ein Problem: Schon jetzt braucht man erst einmal Geduld, wenn der Verdacht auf eine rheumatische Erkrankung besteht, erklärt Rotraut Schmale-Grede, Präsidentin der Deutschen Rheuma-Liga. Eine kürzere Wartezeit könne jedoch entscheidend sein: "Je früher eine spezifische Therapie bei entzündlichem Rheuma beginnt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie die Erkrankung mildert, ihren Verlauf verlangsamt oder im günstigsten Fall zum Stillstand bringt", so Schmale-Grede.
Neue Forschungsergebnisse deuten sogar darauf hin, dass man in Zukunft vielleicht sogar einen Schritt früher ansetzen könnte. Aktuell werde daran geforscht, Risikopatienten- und patientinnen für rheumatische Erkrankungen frühzeitig zu erkennen, damit man dann eventuell den Beginn der rheumatischen Erkrankung mithilfe von Medikamenten verhindern oder zumindest nach hinten schieben könnte, erklärt Andrea Rubbert-Roth, stellvertretende Leiterin der Klinik für Rheumatologie am Kantonsspital St. Gallen: "Es ist noch Zukunftsmusik, aber wie ich finde, eine sehr spannende."
Frauen bekommen ihre Diagnose oft Monate später
Die schwierige Versorgung der rheumatischen Erkrankungen trifft dabei nicht alle gleich: Bei Patientinnen dauere es bereits heute deutlich länger, bis sie die richtige Diagnose erhalten. Das erklärt Uta Kiltz, Oberärztin am Rheumazentrum Ruhrgebiet auf der Pressekonferenz anlässlich des Kongresses der Gesellschaft für Rheumatologie.
Bei der systemischen Sklerose, einer seltenen rheumatischen Erkrankung des Bindegewebes, dauere es bei Frauen zum Beispiel im Schnitt ein Jahr länger als bei Männern, bis die Diagnose gestellt wird und die Symptome behandelt werden können.
"Rheumatologie hat Nachholbedarf"
Die Gründe dafür seien vielfältig, so Kiltz: Zum Beispiel hätten Männer häufig schwerere Verläufe, Schäden an den Organen zeigten sich früher. "Hinzu kommt, dass Frauen ein vielfältigeres Bild an Symptomen zeigen, was eine eindeutige Diagnose zusätzlich erschweren kann". Auch bildeten sich bestimmte Marker und Antikörper im Blut später, sodass die eindeutige Diagnose schwieriger wird. Hinzu kämen soziale und psychologische Faktoren.
"Die Rheumatologie hat hier noch Nachholbedarf", so der Rheumatologe Christoph Baerwald. "Wir müssen die geschlechtsspezifischen Krankheitsausprägungen besser verstehen und diese Erkenntnisse in die Diagnostik und Therapie einfließen lassen." Hier gebe es noch viel Forschungsbedarf, da sind sich die Fachleute einig.