Gesundheit Der Körper im Klimawandel
An bestimmte Umweltbedingungen sind Menschen in Mitteleuropa optimal angepasst. Etwa an Umgebungstemperaturen zwischen 20 und 27 Grad Celsius. Kein Wunder, dass der Klimawandel unser Wohlbefinden immer mehr beeinflusst.
Der Klimawandel beeinflusst unsere körperliche und seelische Gesundheit. Dabei spielen einige Phänomene eine besondere Rolle, im psychischen Bereich etwa die "Eco-Anxiety": "Dahinter steckt als großes Thema die Frage, was der Klimawandel für meine Zukunft bedeutet", sagt Julian Weilbacher. Er praktiziert als Arzt für Psychosomatik und Psychotherapie im hessischen Main-Taunus-Kreis und engagiert sich für die Initiative "Health for Future".
Weilbacher sagt: "Der Klimawandel spielt letztlich überall eine Rolle, und deshalb kann er Zukunftsängste verstärken oder Depressionen fördern. Etwa wenn einen die Hitze belastet oder man mit einem Extremereignis wie der Flutkatastrophe im Ahrtal nicht zurechtkommt." Daneben kann er sich in Form einer Solastalgie bemerkbar machen. Der Begriff bezeichnet psychische Belastungen dadurch, dass sich ein vertrautes Lebensumfeld verändert.
Körper und Seele gehören zusammen
Doch auch längere körperliche Erkrankungen können psychische Auswirkungen haben, unterstreicht Julian Weilbacher. Und im Kontext des Klimawandels begegnen uns körperliche Erkrankungen in vielen Bereichen. Das beginnt bei einem erhöhten Hautkrebsrisiko durch mehr Sonne. Tropenkrankheiten werden sich verbreiten, speziell Infektionen, die von Tierarten übertragen werden, die es vorher nicht bei uns gab. Der Klimawandel beeinflusst Magen, Darm und Stoffwechsel und ganz besonders Herz und Kreislauf sowie die Atemwege, Stichwort Pollenallergien.
"Alle Arten, Tiere und auch Pflanzen, wollen ihre Art erhalten. Wenn jetzt zum Beispiel Birken unter Hitzestress kommen und 'glauben', dass sie ihre Art erhalten müssen, dann geben sie mehr 'Sperma der Pflanzen' frei, also Pollen", beschreibt Karl-Christian Bergmann einen wichtigen ökologischen Hintergrund dafür. Zum Hitzestress hinzu, sagt der Leiter des Deutschen Polleninformationsdienst, käme die längere Blütezeit vieler Pflanzen, außerdem hätten sich bei uns neue Arten wie Ambrosia angesiedelt. Sie ist ein Musterbeispiel für eine Pflanze, die besonders viele, stark reizende Pollen produziert. Obendrein blüht sie erst spät im Jahr und verlängert so auch die Pollensaison.
Klimawandel belastet vor allem Herz und Kreislauf
Besonders fordert der Klimawandel Herz und Kreislauf heraus. Hitzeerschöpfung, Blutdruckschwankungen oder Sonnenstich - solche Krankheitsbilder werden immer häufiger. Zwar sei die Forschung noch lückenhaft, doch dürfte ihr Anstieg bei aktuell sechs bis zehn Prozent liegen, schätzt Herzmediziner David Leistner von der Uniklinik Frankfurt: "Wir sehen eine Verschiebung des klassischen Risikoprofils unserer Patienten. Vor 20 Jahren war alles noch verhältnismäßig einfach. Hatte ein Patient Übergewicht und hohen Blutdruck oder Diabetes, war er ein Risikopatient. Heute kommen da unter anderem extreme Temperaturen sowie Witterungs- und Luftdruckveränderungen als Risikofaktoren dazu."
Oder die Luftverschmutzung, ergänzt Leistners Kollege Thomas Meinertz von der Deutschen Herzstiftung. Wegen Sonneneinstrahlung, Hitze und Trockenheit bildet sich unter anderem vermehrt Feinstaub. „Gelangt der über die Atemwege in die Lungenbläschen und von dort in die Blutgefäße, kann das zu Arterienverkalkung, aber auch zu Herzinfarkt und Schlaganfall führen.“ Außerdem, so Meinertz, besteht aufgrund stärkeren Schwitzens eine erhöhte Austrocknungsgefahr für den Körper. Das kann die Fließeigenschaft und die Gerinnungsfähigkeit des Blutes verändern. Und mittlerweile weiß man sogar, dass die zunehmende Hitzebelastung zu einer statistisch nachweisbaren Übersterblichkeit führt.
Mehr Gesundheitsaufklärung und neue wissenschaftliche Ansätze nötig
Der Klimawandel beeinflusst also die Krankheitsbilder, mit denen sich Behandelnde auseinandersetzen müssen, und er führt auch zu einem erhöhten Aufklärungsbedarf über die neue Gesundheitssituation. In der Folge kommt es derzeit zu Veränderungen in den Arbeits- und Organisationsweisen von Arztpraxen, zur Entwicklung neuer wissenschaftlicher Konzepte und immer wieder zu der Erkenntnis, dass Klimaschutz immer auch Gesundheitsschutz und Menschenschutz ist.