Konflikte im Nahen Osten Klimawandel als Brandbeschleuniger
Seit Jahrzehnten ist der Nahe Osten eine politisch fragile Region. Der Klimawandel mache alles noch schlimmer, warnen israelische Forscher. Dürren und Fluten könnten zu enormen Fluchtbewegungen führen.
Vor wenigen Tagen stellte ein Beauftragter des israelischen Staates seiner eigenen Regierung ein schlechtes Zeugnis aus: Israel sei auf den Klimawandel nicht ausreichend vorbereitet. Der Ausstoß von Kohlendioxid sei in den vergangenen Jahren gestiegen, nicht gesunken. Außerdem nehme die Politik das Thema im internationalen Vergleich nicht ernst genug.
Bei der letzten Kabinettssitzung stemmte sich Israels Premierminister Naftali Bennett gegen diese Eindrücke. "Die Klimakrise ist eines der wichtigsten Themen auf der globalen Agenda. Und zwar zu Recht. Hier geht es um die Leben von uns allen, von unseren Kindern und unseren Enkelkindern", sagte er.
"Bedrohungen werden stärker"
Eine Formulierung des israelischen Premierministers stach heraus: Der Klimawandel wird von Israel nun als ein Thema behandelt, das die nationale Sicherheit betrifft. Offen wie nie räumt Israel damit ein, wovor Forscherinnen und Forscher seit Jahren warnen: Dass der Klimawandel die Konflikte im Nahen Osten noch verschärfen könnte.
Auch Shira Efron bereitet das Sorgen. Sie forscht am israelischen Institut für nationale Sicherheit (INSS). "Der Nahe Osten ist wirklich ein Hotspot des Klimawandels. Die Temperaturen steigen hier noch schneller als im weltweiten Vergleich", sagt sie. Er sei eine der trockensten Regionen der Welt. Gleichzeitig stehe der Nahe Osten schon jetzt für Konflikte und fragile Staaten. "Der Klimawandel führt nicht alleinig zu neuen Kriegen. Aber durch ihn werden Bedrohungen verstärkt. Jedes Problem wird durch den Klimawandel noch schlimmer."
"Ägypten ist sehr verwundbar"
Efron hat sich auf den Zusammenhang zwischen Klimakrisen und Konflikten spezialisiert. Und den gebe es längst, meint die Forscherin. Beispiel Syrien: Eine Dürreperiode habe den Ausbruch des dortigen Bürgerkrieges zumindest begünstigt, sagt sie. Auch in anderen Ländern könnten Wetterereignisse Konflikte verstärken.
Die Forscherin Efron blickt auch auf Ägypten, mit dem Israel nach mehreren Kriegen 1979 Frieden schloss. "Ich hoffe wirklich, dass die Prognosen nicht eintreffen. Aber Ägypten ist sehr verwundbar", erklärt sie. Das Nil-Delta könnte überflutet werden, womöglich könnte in ein paar Jahrzehnten auch Alexandria unter Wasser stehen. Es gebe außerdem Terrorgruppen, die ständig die Stabilität in Ägypten bedrohten. "All das könnte zu massiven Fluchtbewegungen führen. Und wohin würden die Menschen dann fliehen?"
Mauern an den Grenzen
Unter anderem nach Israel, sagt die Forscherin. An seiner Grenze zu Ägypten hat Israel bereits einen Zaun errichtet, der Migranten abhalten soll. Efron ist aber skeptisch, ob sich Israel bei den Folgen des Klimawandels von seinen Nachbarn einfach abschotten kann. Sandstürme zum Beispiel machten vor Mauern und Zäunen nicht halt.
"Wir sehen ja bereits, dass Israel es versucht hat. Es hat hohe Mauern und Zäune gebaut. An der Grenze zu Ägypten, Jordanien, teilweise bei den Palästinensern", sagt Efron. Auch gegenüber Syrien und dem Libanon hat Israel versucht, sich zu isolieren. "Das hat aber nichts gebracht. Weder Grenzen noch Mauern halten den Klimawandel auf."
Die Armee bleibt vage
Auch die israelische Armee räumt dem Thema nun einen höheren Stellenwert ein. Dabei geht es um mögliche Bedrohungen von außen. Aber auch um die Ausrüstung. So wurden Panzer nicht für den Einsatz in extrem hohen Temperaturen entwickelt. Und schon jetzt können israelische Soldaten an sehr heißen Sommertagen nur eingeschränkt trainieren.
"Die Armee hat damit begonnen, sich auf mögliche Veränderungen vorzubereiten. Wir haben ein einzigartiges Team gebildet, das Strategien vor dem Hintergrund des Klimawandels entwickelt", teilt die Israelischen Armee mit. Konkret wird die Führung noch nicht.
Klimawandel als Chance?
Bereits jetzt steht aber fest, dass die entwickelten Szenarien nicht gerade positiv sind. So ist der benachbarte Gazastreifen schon jetzt überbevölkert und es mangelt dort an sauberem Trinkwasser. In wenigen Jahrzehnten werden dort noch mehr Menschen leben - bei deutlich höheren Temperaturen.
Forscherinnen wie die Israelin Efron hoffen, dass der Klimawandel nicht nur ein Risiko ist, sondern auch eine Chance. Dass die Staaten im Nahen Osten zusammenarbeiten und zusammenrücken. Der Kampf um das knappe Wasser kann zu Kriegen führen. So muss es aber nicht kommen. Optimisten hoffen, dass Länder ihr Wasser mit anderen teilen. Und dass das den Frieden sichert.