Rechenzentren-Abwärme Heizen mit dem Internet
Frankfurt am Main ist Deutschlands größter Standort für Rechenzentren. Die Hitze der Computer würde ausreichen, um die gesamte Stadt zu beheizen. Noch verpufft die Abwärme, doch das soll sich ändern.
Fast ein Fünftel des gesamten Stroms, der in Frankfurt verbraucht wird, fließt durch die Rechenzentren in der Stadt. 1600 Gigawattstunden waren es allein im vergangenen Jahr. Dieser Strom erzeugt Wärme. Den Effekt kennt jeder von zu Hause: Computer werden heiß und müssen gekühlt werden. Man könnte auch sagen: Das Internet produziert viel heiße Luft. Wie sich diese Abwärme künftig besser nutzen lässt, dazu machen sich in Frankfurt die Stadtverwaltung und die Internetwirtschaft verstärkt Gedanken.
Planerische Herausforderung
In der Kleyerstraße im Stadtteil Gallus entsteht derzeit ein ganzes Wohnviertel mit 1300 Wohnungen, die künftig mit der Abwärme eines benachbarten Rechenzentrums beheizt werden sollen. Es ist das erste Projekt dieser Art in Deutschland. "Wenn wir künftig weg wollen von fossilen Brennstoffen, ist die Nutzung solcher Wärmequellen alternativlos", sagt der stellvertretende Leiter des Frankfurter Energiereferats, Paul Fay.
Wärme dafür ist genug da. Die Frankfurter Rechenzentren produzieren so viel davon, dass sich sämtliche Wohnungen und Büros der Stadt ausreichend damit beheizen ließen - theoretisch. Denn in der Praxis ist es gar nicht so einfach, die kostengünstige Abwärme der Rechenzentren zu nutzen. Die fällt zwar als kostenloses Nebenprodukt ab, doch sie stellt Planer und Ingenieure vor große Herausforderungen.
Häuser werden älter als Rechenzentren
"Das fängt mit der Versorgungssicherheit an", erklärt Fay. Wohnanlagen brauchen die Garantie für Wärmeleistungen für etwa 30 bis 50 Jahre. Doch die Rechenzentren sind in der Regel nicht auf eine solche Lebensdauer ausgelegt. In der Kleyerstraße hat sich der Betreiber jetzt immerhin für 15 Jahre verpflichtet, Abwärme kostenlos zu liefern.
Auch technisch gibt es einige Probleme zu bewältigen. Die Abluft aus den Rechnern ist etwa 25 bis 35 Grad warm. Für Fernwärme ist diese Temperatur zu niedrig. Die Rohre, in denen die Warmluft transportiert wird, müssten einen Durchmesser von etwa 1,50 Meter haben, um diese Wärme sinnvoll zu nutzen.
Außerdem gilt: Je niedriger die Temperatur ist, die das Heizmedium hat, desto größer müssen die Heizkörper sein, um die Wohnung auf eine angenehme Zimmertemperatur zu bringen. Das funktioniert zum Beispiel über Fußbodenheizungen. Eine Alternative wäre, die Temperatur der Abwärme zu "boosten", sie also noch weiter zu erhitzen. Doch dazu braucht es dann Wärmepumpen oder weitere Energiequellen.
Wasser als Wärmespeicher?
Einfacher wäre es, wenn die Server mit Wasser gekühlt würden. In einigen Hochleistungsrechenzentren wird das heute schon gemacht. Der Vorteil: Das Wasser lässt sich alleine mit der Abwärme der Rechner auf etwa 60 Grad erhitzen. Und es lässt sich leichter transportieren. Doch auch hier gibt es ein Problem: Das Fernwärmenetz der Stadt ist auf Dampf ausgelegt. Ein Wassernetz müsste parallel dazu errichtet werden.
Hinzu kommt, dass sich viele Rechenzentrumsbetreiber scheuen, auf Wasserkühlung zu setzen. Das habe Kostengründe, erklärt Béla Waldhauser vom Verband der Internetwirtschaft. Auch hätten viele Rechenzentrumsbetreiber Sicherheitsbedenken, Wasser in die Nähe der Elektronik zu bringen.
Doch nur eine teure Utopie?
Das entscheidende Hindernis sind jedoch die Kosten. Vor allem die technischen Umrüstungen und Planungen gehen ins Geld. Die Energiespezialisten der Frankfurter Stadtverwaltung haben das für neun Neubaugebiete einmal hochgerechnet: Damit die Wärmeversorgung komplett aus regenerativen Quellen konkurrenzfähig wäre, müsste die CO2-Steuer auf Gas auf 300 Euro pro Tonne steigen. Derzeit beträgt sie 25 Euro. Eine solche Verteuerung der Energie wäre sozialpolitisch sicher nicht durchsetzbar. "Heizen muss ja auch in Zukunft für Mieter erschwinglich bleiben", sagt Fay.
Doch für ihn gibt es am Ende keine Alternativen zu kreativen Lösungen, die Abwärme der Rechenzentren besser zu nutzen. Prognosen sagen, dass sich deren Energieverbrauch bis zum Jahr 2030 noch einmal verdoppeln wird. In Hanau bei Frankfurt wird derzeit eines der größten Rechenzentren Europas geplant. Alleine diese Anlage wird mehr als doppelt so viel Strom verbrauchen wie die gesamte Stadt mit ihren gut 93.000 Einwohnern.