Bundeswehr-Einsatz in Mali zu Ende "Was haben wir bewirkt?"
Die letzten 304 Soldatinnen und Soldaten sind zurück in Deutschland. Verteidigungsminister Pistorius würdigte den Einsatz als "exzellente Leistung". Doch über allem schwebt die Sinnfrage.
Für Hauptfeldwebel Franz ist es etwas "Großes", kurz vor Weihnachten in der niedersächsischen Kälte angekommen zu sein. In den letzten sieben Monaten musste er bei Temperaturen bis 55 Grad die IT im deutschen Camp Castor im malischen Gao am Laufen halten. Es war einer der gefährlichsten UN-Einsätze weltweit. Selbst in unmittelbarer Nähe des deutschen Camps war es am Ende nicht mehr sicher.
Fregattenkapitän Sonja spricht auch deshalb davon, dass es eine Rückverlegung aus einer "ganz anderen Welt gewesen sei". Spritmangel, Flugausfälle und die angespannte Sicherheitslage seien eine "große Herausforderung für die Rückverlegung" gewesen. Man sei "24/7 im Dienst" gewesen.
Pistorius spricht von besonderer Leistung
Angesichts solcher Bedingungen ist Verteidigungsminister Boris Pistorius froh, dass auch die letzten 304 deutschen Soldaten wohlbehalten zurück sind. Er spricht von einer "exzellenten Leistung" und davon, dass die Soldaten ihren Auftrag unter "widrigsten Bedingungen" erfüllt haben. Heißt also, an der Bundeswehr hat es nicht gelegen, dass die Sahelzone ein Pulverfass bleibt. Der Verteidigungsminister ist offen: Der Einsatz habe nicht den politischen Erfolg gebracht, den man sich erhofft hatte.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius zeichnet einen Soldaten mit der Einsatzmedaille der Bundeswehr in Bronze aus.
Bei der internationalen UN-Mission MINUSMA sind mehr als 200 Blauhelmsoldaten ums Leben kommen. Die Bundeswehr war in den letzten fast zehn Jahren mit über 20.000 Soldatinnen und Soldaten in Mali. Auch sie hat drei Tote bei einem Hubschrauberabsturz und zwölf Verwundete bei einem Selbstmordanschlag zu beklagen. Deutsche Soldatinnen und Soldaten haben bei der über lange Jahre gefährlichsten UN-Mission ihr Leben riskiert, ohne dass sich die Situation für die Menschen vor Ort verbessert hat.
Die Sinnfrage
Bei aller Erleichterung über die Heimkehr, über eine im Vergleich zum chaotischen Afghanistan-Abzug fast schon geräuschlose Schlussphase des Mali-Einsatzes, schwebt doch über allem eine Frage: "Was haben wir da bewirkt?" Eine Frage, die sich die Soldatinnen und Soldaten auch schon während der letzten Wochen der Mission immer wieder selbst stellten. Eine Frage, die angesichts der schon parallel zum Abzug wieder heftig auflodernden Kämpfe in Nordmali auch angebracht ist.
Selbst in der Endphase des Einsatzes wurden die Deutschen in den Dörfern und Ortschaften rund um die Stadt Gao noch von lachenden Kindern und dankbaren Erwachsenen herzlich begrüßt. Ganz anders als in Afghanistan also. Doch Szenen wie diese erweisen sich im Nachhinein als trügerisch: Denn um diese Inseln in der Wüste herum hatten sich Al Kaida oder dem IS nahestehende Terrorgruppen über die Jahre unbehelligt ausbreiten können - trotz zeitweise bis zu 14.000 UN-Blauhelmsoldaten. Trotz Bundeswehr, zu deren Auftrag es nie gehörte, in den Kampf gegen die Terroristen zu ziehen.
Ohnmächtig in Camp Castor
Es gibt eine Szene, die sinnbildlich verdeutlicht, wie ohnmächtig sich die Bundeswehr zeitweise dem gegenübersah, was um sie herum passierte: Anfang September steuerte ein Selbstmordattentäter sein mit Sprengladungen bepacktes Fahrzeug in einen Stützpunkt der malischen Armee, der in Sichtweite des deutschen Camps liegt. Den Soldaten blieb nichts anderes übrig, als das sich daran anschließende Feuergefecht von ihrem Ausguck aus zu verfolgen und sich vor Querschlägern in Acht zu nehmen. Einen deutlicheren Vorboten dafür, was den Menschen in Mali nach dem Abzug bevorstehen dürfte, konnte es kaum geben.
"Letztlich wollen die Menschen hier auch nur in Frieden leben. Das wünscht man ihnen. Aber momentan sagt die Lage etwas anderes." So drückte es Feldjäger Sven, der dem letzten deutschen Kontingent in Mali angehörte, Ende September aus.
Schon während die Bundeswehr und die anderen UN-Blauhelme die Heimreise antraten, trat Mali eine Reise in die eigene - düstere - Vergangenheit an: Die jüngste Gewalteskalation erinnert an die Zeit vor der Intervention 2012/2013. Und dass die malische Armee - die sich von russischen Wagner-Söldnern helfen lässt - den Norden befrieden kann, daran glaubt niemand ernsthaft. Die Frage: "Was haben wir da bewirkt?" wird weiter über dem nun beendeten Einsatz schweben.