Frankreich in Afrika Die "Anti-France"-Welle
Frankreich verliert im Maghreb und im Sahel zunehmend an Einfluss. Viele afrikanische Länder werfen dem ehemaligen Besatzer Neokolonialismus vor. Woher rührt diese neue anti-französische Haltung?
Inakzeptabel und willkürlich, so bezeichneten die französischen Tageszeitungen "Le Monde" und "Libération" die Entscheidung der Militärjunta in Burkina Faso, ihre Korrespondentinnen aus dem Land zu schmeißen. Die Regierung in Ouagadougou schränkt damit erneut die Freiheit französischer Medien ein. Vor einigen Monaten schaltete sie den Sender Radio France Internationale ab, vergangene Woche den TV-Sender France 24.
Es hilft, das Vorgehen als Teil einer größeren Entwicklung zu sehen. Einer Entwicklung, die man mit dem Absturz Frankreichs in Afrika betiteln könnte.
Wagner-Söldner statt Frankreichs Truppen
Seit 2018 waren französische Soldaten im Rahmen der Barkhane-Mission in Burkina Faso stationiert, um islamistische Terroristen zu verdrängen. Aber noch immer kontrollieren die Dschihadisten rund 40 Prozent des Landes. Unverständnis und Empörung im Land sind groß.
Burkina Fasos Regierung dementiert noch immer, statt mit Frankreich nun mit den Söldnern der russischen Wagner-Truppe zusammenzuarbeiten, aber viele Menschen in Burkina Faso gehen davon aus, dass diese bereits auf ihrem Boden kämpfen. In Mali tun sie das ganz offiziell, beauftragt von der Militärregierung in Bamako.
Abzug aus dem Sahel
Sowohl aus Burkina Faso als auch aus Mali hat Frankreich seine Soldaten inzwischen abgezogen. Richtig so, findet die malische Studentin Fatome Boussanga stellvertretend für viele Menschen in der Sahelzone: "Die Wagner-Söldnertruppe ist für unsere gemeinsamen Interessen sowie eine langfristige Entwicklung da. Die Franzosen wiederum möchten uns nur glauben machen. dass wir gemeinsame Interessen hätten. In Wahrheit geht es ihnen aber nur um ihre eigenen Interessen."
Im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus ist vielen jedes Mittel recht. Oder wie es der Politikanalyst Mohamed Ibrahim Yattara ausdrückt: "Ich bin Pragmatiker. Für mich spielt es keine Rolle, ob eine Katze schwarz oder weiß ist. Hauptsache, sie fängt Mäuse. Wenn wir also Partner finden, egal aus welchem Land, um den Terrorismus zu bekämpfen, dann gerne her damit!"
Sowohl aus Burkina Faso als auch aus Mali hat Frankreich seine Soldaten inzwischen abgezogen. In beiden Ländern sollen stattdessen Russlands Wagner-Söldner aktiv sein.
Russland schürt Ressentiments
Es ist eine Entwicklung im Gange, die viele in Paris besorgt. So auch den französischen Ex-Außenminister Dominique de Villepin. In einem Interview mit dem Sender France Inter sagte er: "Afrika lehnt sich gegen uns auf. Viele fordern, dass Frankreich Afrika verlässt. Man irrt sich, wenn man meint, diese Länder seien neutral. Sie sind ein Hebel der Weltpolitik, den Russland momentan bedient."
De Villepin ist der Meinung, dass es der Westen Russland und China viel zu einfach mache. Diese nähmen Infrastrukturprojekte in Angriff und befeuerten die antiwestliche Propagandamaschine. Eigentlich müssten Frankreich und der Rest des Westens sämtliche Hauptstädte Afrikas abklappern, überzeugen und die eigene Poliktik dort erklären, so de Villepin.
Kritik an Ex-Kolonialmacht
Doch viele in den ehemaligen Kolonien wollen gar nichts mehr von den Franzosen wissen. Der marokkanische Politologe Rachid Touhtou meint: "Frankreich hat seit den Unabhängigkeiten in den 1960er-Jahren versagt. Schauen Sie sich alle französischen Ex-Kolonien an. Diese sind nur gering entwickelt. Nehmen Sie die dortigen Bildungssysteme. Es sind die schlechtesten auf der ganzen Welt. Frankreich sollte sich schämen."
Statt nur im eigenen Interesse zu handeln und Afrikas Ressourcen auszubeuten, so Touhtou, solle Frankreich seine Afrika-Strategie überdenken - "oder es China, den USA und Russland überlassen, damit mehr Wohlstand entsteht".
Vieles der Kritik trifft zu: Im Verhältnis zu den ehemaligen britischen Kolonien stehen die früher von Frankreich besetzten Staaten wirtschaftlich und bildungspolitisch oft schlechter da. Trotzdem meint Jacob Ross von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, dass Paris nicht für alles Unheil in diesen Ländern verantwortlich gemacht werden kann: "Wer so argumentiert, macht es sich selbst und vor allem den dortigen Regimen und Regierungen viel zu einfach."
"Maghrebstaaten entfernen sich von Frankreich"
Großen Zwist gab es im vergangenen Jahr zwischen Frankreich und Marokko. Frankreich hatte angekündigt, nur noch halb so viele Visa an Bürger des Königreichs zu vergeben, da es sich weigere, ausgewiesene Staatsbürger zurückzunehmen. Noch immer ist dieser Streit nicht ausgeräumt. Für Touhtouh ist dieser jedoch nur die Spitze des Eisbergs.
Marokko sowie die anderen Maghrebstaaten entfernen sich zunehmend von Frankreich, beobachtet der Politologe: "In den nächsten fünf bis zehn Jahren werden Frankreichs Investitionen in Marokko abnehmen. Wir sehen das jetzt schon bei dem an den TGV angelehnten Hochgeschwindigkeitszug Al Boraq, dass Marokko versucht, die französischen Investoren loszuwerden."
Frankreichs Präsenz in europäischem Interesse
Ross ist etwas milder in seinem Urteil. Früher oder später müssten auch die afrikanischen Staaten merken, dass Russland und China sehr eigennützig handelten und die USA nicht bereit seien, die Lücke, die Frankreich hinterlassen würde, auszufüllen. Dennoch sei Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bisher daran gescheitert, die französische Afrikapolitik auf neue Füße zu stellen.
Dass Frankreich einen Fuß auf dem Kontinent behält, ist nicht nur im französischen, sondern auch im europäischen Interesse. Denn so sehr die Beziehungen auch belastet sein mögen: So tief verwurzelt wie Frankreich ist kein anderes europäisches Land in Afrika.