Libysch-tunesische Grenzregion Zahlreiche Geflüchtete aus der Wüste gerettet
Die libysche Regierung hat nach eigenen Angaben viele Migranten aus der Wüste an der Grenze zu Tunesien gerettet. In einem Video des Innenministeriums berichten Menschen, dass sie von tunesischen Beamten ausgesetzt worden seien.
Angaben des libyschen Innenministeriums zufolge haben Grenzschutzbeamte des Landes zahlreiche Migranten aus der Wüste gerettet. Die Menschen sollen von Sicherheitskräften in Tunesien an der gemeinsamen Landesgrenze ausgesetzt worden sein. Die Migranten seien in das nahe gelegene Grenzdorf Al-Assah im Norden Libyens gebracht worden, hieß es.
Helfer der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sowie Beamte der libyschen Behörden versorgten sie demnach mit Essen, Kleidung und einer provisorischen Unterkunft. Die Organisation twitterte, 191 Menschen versorgt zu haben. Die Nachrichtenagentur AFP meldete bereits am Sonntagabend, mindestens 80 Migranten seien gerettet worden.
In einem vom libyschen Innenministerium veröffentlichten Video sagten zwei aus Nigeria stammende Männer, sie seien von Angehörigen des tunesischen Militärs geschlagen und mit anderen in ein Wüstengebiet gebracht worden. Die Militärbeamten hätten sie aufgefordert, sich bis nach Libyen durchzuschlagen.
Ein anderer Mann gab an, das tunesische Militär habe ihnen die Pässe abgenommen und die Dokumente dann verbrannt. Er sei mit 35 anderen Menschen in ein Fahrzeug und an die Grenze zu Libyen gebracht worden. Die Gruppe habe zwei Tage lang in der Wüste ausgeharrt.
Auch Human Rights Watch erhebt Vorwürfe
Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten, sie hätten gesehen, wie die Geflüchteten in einem unbewohnten Gebiet in der Nähe des Grenzortes Al Assah auf libyschem Gebiet umherirrten. Die Menschen seien sichtlich erschöpft gewesen, hätten durstig im Sand gelegen und bei Temperaturen von über 40 Grad Schutz gesucht.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warf tunesischen Sicherheitskräften vor, Hunderte Migranten und Asylbewerber kollektiv in Richtung der Grenze ausgewiesen zu haben - darunter Kinder und schwangere Frauen.
Sie seien in einer "abgelegenen, militarisierten Pufferzone" mit wenig Essen und ohne medizinische Versorgung zurückgelassen worden. Sicherheitskräfte hätten die Mobiltelefone von fast allen Betroffenen zerstört. Zudem habe es Berichte über Gewalt und sexuelle Übergriffe gegeben.
In den vergangenen Tagen waren laut Angaben der Nachrichtenagentur AFP bereits mehr als 600 in die Wüste gedrängte Migranten vom tunesischen Roten Halbmond gerettet worden, die Anfang Juli nahe dem Ort Ras Dschedir 40 Kilometer nördlich von Al Assah ausgesetzt worden sein sollen. Tunesischen Aktivisten zufolge hielten sich am Freitag noch bis zu 150 Menschen in grenznahen Wüstengebieten auf.
EU will Zusammenarbeit mit Tunesien ausbauen
Tunesien ist zusammen mit Libyen eines der wichtigsten Transitländer für Migranten in Nordafrika auf dem Weg nach Europa. Anfeindungen und Schikanen gegen Migranten aus Ländern südlich der Sahara nahmen in vergangenen Monaten nach umstrittenen Bemerkungen von Tunesiens Präsident Kais Saied zu. Dieser hatte von "Horden irregulärer Migranten" gesprochen, ihnen "Gewalt, Verbrechen und inakzeptable Verhaltensweisen" vorgeworfen und ein härteres Vorgehen angekündigt.
Die EU-Kommission will die Zusammenarbeit mit Tunesien beim Thema Migration ausbauen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Regierungschefs der Niederlande und Italiens sowie Saied verkündeten am Sonntag die Unterzeichnung einer Absichtserklärung.
Die EU-Kommission will etwa für Such- und Rettungsaktionen und die Rückführungen von Migranten gut 100 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Brüssel hat dem Land insgesamt Finanzhilfen in Höhe von bis zu 900 Millionen Euro in Aussicht gestellt.