ECOWAS berät Lage in Niger Droht ein neuer regionaler Krieg?
Im Zuge ihres Ultimatums an die Putschisten in Niger hat die westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS mit Gewalt gedroht. Heute will sie das weitere Vorgehen nach dem Verstreichen der Frist besprechen.
Nigerias Präsident Bola Tinubu, amtierender ECOWAS-Vorsitzender, hatte auf den Putsch in Niger scharf reagiert: "Wir werden nicht einen Putsch nach dem anderen erlauben", kündigte er an. Damit verbunden war ein Ultimatum: Wenn bis zum vergangenen Sonntag nicht die verfassungsmäßige Ordnung in Niger wiederhergestellt sei - dann könne die ECOWAS auch militärisch eingreifen.
Tinubus Ankündigungen klangen allerdings sehr vollmundig. Denn in den Nachbarstaaten Mali und Burkina Faso hatten Militärs in den zurückliegenden drei Jahren schon die zivilen Regierungen beseitigt. Alle Appelle und Sanktionsdrohungen der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS waren wirkungslos verpufft.
Mehr noch: Nachdem ECOWAS jetzt nach dem Putsch in Niger mit Gewalt gedroht hatte, kam postwendend die Reaktion der Militärregierungen von Mali und Burkina Faso: Sie würden eine Intervention in Niger auch als Kriegserklärung gegen ihre Staaten verstehen.
Die ECOWAS als zahnloser Tiger?
Vor dem heutigen ECOWAS-Gipfel in Nigerias Hauptstadt sieht Olaf Bernau, Experte für die Sahel-Region, die Gefahr, "dass die ECOWAS jetzt derart stark gedroht hat, dass sie sich jetzt gar nicht erlauben kann, nichts zu tun, weil sie sonst als zahnloser Tiger da steht."
Alle Versuche, die Putschisten in Niger dazu zu bewegen, den abgesetzten Präsidenten Mohamed Bazoum wieder einzusetzen, sind bisher gescheitert. Europäer, auch die amerikanische Regierung, hatten damit keinen Erfolg. Und US-Außenminister Antony Blinken unterstützt zwar verbal die Position der ECOWAS - aber mit einer klaren Betonung auf Verhandlungen:
Eindeutig ist die Diplomatie das bevorzugte Mittel, um die Situation zu lösen. Das ist die Linie der ECOWAS und auch die unsere. Natürlich unterstützen wir die ECOWAS darin, die verfassungsmäßige Ordnung in Niger wiederherzustellen.
Experten: Militärintervention viel zu riskant
Das klingt alles andere als martialisch und passt zur Analyse vieler Experten: eine Militärintervention in Niger wäre viel zu riskant. Sie könnte die ohnehin angespannte Sahel-Region endgültig zur Explosion bringen, wird argumentiert. Damit würden außerdem militärische Kapazitäten vom eigentlichen Gegner abgewendet - den Dschihadisten, die seit Jahren die Region destabilisieren.
Was also wäre eventuell eine denkbare Lösung? Ulf Laessing, der für die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung in Mali die Sahel-Staaten beobachtet, sieht diese Option: "Man wird sich mit den Putschisten arrangieren müssen. Dafür ist Niger einfach zu wichtig: als Sicherheitspartner, als Partner bei der Bekämpfung von Armutsmigration."
Ein solches Arrangement könnte darauf hinauslaufen, dass der abgesetzte Präsident Bazoum ins Ausland geht und Nigers Militärmachthaber versprechen, nach Ablauf eines relativ kurzen Zeitraumes Wahlen zuzulassen. Aber ob die ECOWAS heute zu einer solchen Entscheidung kommt - das ist völlig offen.