Stimmenauszählung in Südafrika Machtverlust für den ANC zeichnet sich ab
Die Regierungsbilanz des seit 30 Jahren in Südafrika regierenden ANC ist schlecht. Die Quittung kam nun offenbar bei den Parlamentswahlen, bei denen die Partei ihre absolute Mehrheit zu verlieren droht.
Bei den Parlamentswahlen in Südafrika deuten sich massive Verluste für die Regierungspartei ANC an. Nach Auszählung der Hälfte der Stimmen komme der Afrikanische Nationalkongress (ANC) lediglich auf 41,93 Prozent, erklärte die Wahlkommission. Sollte die Stimmenverteilung ähnlich bleiben, wäre es das erste Mal, dass der ANC seit Ende der Apartheid vor 30 Jahren die absolute Mehrheit und damit seine unangefochtene Vormachtstellung verliert.
Prognosen hatten die Zustimmung für den ANC bereits unter 50 Prozent erwarten lassen. Bei der Parlamentswahl 2019 war die Partei von Präsident Cyril Ramaphosa noch auf einen Stimmenanteil von 57,5 Prozent gekommen und hatte somit klar die absolute Mehrheit erreicht.
Stimmen aus den Metropolen noch nicht gezählt
Die wirtschaftsliberale Demokratische Allianz (DA) steht den vorläufigen Ergebnissen zufolge bei 23,43 Prozent, während die erst vor sechs Monaten von Ex-Präsident Jacob Zuma gegründete Partei, uMkhonto we Sizwe (MK), bei 10,58 Prozent liegt. Die MK konnte offenbar von den ANC-Verlusten profitierten - obwohl der wegen Korruption in der Kritik stehende Zuma wegen einer Vorstrafe vom Verfassungsgericht von der Wahl ausgeschlossen wurde. Die marxistisch geprägte Partei Economic Freedom Fighters (EFF) folgt knapp dahinter mit 9,78 Prozent.
Der ANC wird nach den vorläufigen Ergebnissen auch die absolute Mehrheit in der wirtschaftsstärksten Provinz des Landes, Gauteng, in der die Hauptstadt Pretoria und die Wirtschaftsmetropole Johannesburg liegen, verlieren. Ebenso wird der ANC mutmaßlich in KwaZulu-Natal, der Heimatprovinz Zumas, unter 50 Prozent fallen. Die wirtschaftlich zweitstärkste Provinz, das Westkap, in dem Kapstadt liegt, wird bereits seit Jahren von der DA geführt, die dort den vorläufigen Ergebnissen zufolge die absolute Mehrheit behalten wird.
Die Stimmverteilung könnte sich allerdings noch ändern. Die kleineren Wahlbezirke, von denen viele ländlich geprägt sind, melden ihre Ergebnisse meist zuerst. Erst am Ende folgen die Auswertungen der Wahlbezirke aus den Metropolen. Dies könnte einen erheblichen Unterschied ausmachen und die Stimmenzahl für neu gegründete Parteien wie Rise Mzansi, deren Unterstützerinnen und Unterstützer eher aus den urbanen Zentren kommen, erhöhen.
Wohl erstmals seit 1994 auf Koalitionsregierung
Der Grund für den historischen Machtverlust des ANC in dem Land mit 61 Millionen Einwohnern am Südzipfel Afrikas wird mit einer schwachen Regierungsbilanz begründet: eine kränkelnde Wirtschaft, Massenarbeitslosigkeit, marode Staatsunternehmen, regelmäßige Stromabschaltungen sowie hohe Kriminalität und Korruption.
Es scheint nun wahrscheinlich, dass der ANC nach der Wahl einen Verbündeten für eine Regierungsbildung benötigt. Bislang hat die Partei keine Vorlieben für Koalitionspartner erkennen lassen. ANC-Chef Gwede Mantashe hatte lediglich erklärt: "Eine Koalition ist nicht unser Plan, sie ist eine Konsequenz. Wir werden mit dieser Konsequenz umgehen, wenn sie eintritt."
Investoren hatten sich besorgt über die Möglichkeit einer Koalition mit der EFF gezeigt. Die Partei tritt für die Verstaatlichung der Gold- und Platinminen ein. Außerdem sollen weiße Farmer enteignet werden, um ihr Land an Schwarze zu verteilen. Auch die MK will landwirtschaftliche Betriebe beschlagnahmen. Die DA hat sich zwar als Wahlziel gesetzt, den ANC auf die Oppositionsbänke zu verbannen. Ihr Chef John Steenhuisen hat allerdings eine Partnerschaft nicht ausgeschlossen, um eine "Weltuntergangskoalition" des ANC mit EFF oder MK zu verhindern.
Ergebnisse sollen am Sonntag feststehen
Die Wahlkommission hat bis zu sieben Tage Zeit, um die Ergebnisse bekannt zu geben. Sie hat jedoch angekündigt, dass diese bereits am Sonntag feststehen sollen. Gut 27,5 Millionen registrierte Wahlberechtigte waren am Mittwoch aufgerufen, ein neues Nationalparlament sowie neun Provinzparlamente zu bestimmen.
Dabei mussten die Menschen teils neun Stunden in Schlangen stehen, um ihre Stimme abzugeben. Während die Wahlkommission dies zunächst auf eine hohe Wahlbeteiligung zurückführte, mehren sich die Berichte über defekte Scanner und eine ineffiziente Wählerabfertigung. Am Freitagmorgen stürzte zudem das Online-System zur Übertragung der Wahlergebnisse ab.