Armut in Südafrika Das harte Leben der Waste-Picker
In Südafrika werden fast 90 Prozent des Verpackungsmülls recycelt. Dafür sorgen sogenannte Waste-Picker, die in den Mülltonnen der anderen nach Wertstoffen graben. Eine Organisation will ihre Arbeitsbedingungen verbessern.
Wenn Siphelele Ndlovu seinen selbstgebauten Karren, beladen mit Säcken voller Wertstoffe, durch Johannesburg zieht, hat er schon mehrere Stunden Arbeit hinter sich. Frühmorgens, wenn die Mülltonnen an die Straße gerollt werden, beginnt er. Damit ihm keiner zuvorkommt, schläft der 39-jährige Familienvater in einem Busdepot in der Nähe.
Sein Kumpel Mzambiya sagt: "Du musst entweder früh aufwachen oder gleich dort schlafen, denn es gibt viel Konkurrenz. Manchmal kämpfen wir untereinander. Da ist plötzlich jemand, der sagt, dass sei seine Straße. Zum Glück habe ich eine Straße."
5.500 Wertstoffsammler haben sich zusammengeschlossen
Siphelele Ndlovu hat eigentlich Marketing studiert, jetzt lebt seine Familie seit acht Jahren davon, dass er aus den Mülltonnen im Mittelklasse-Stadtteil Parkhurst die Wertstoffe herausfischt. Handschuhe hat er keine. Wenn die Müllautos kommen, muss er fertig sein und die Wertstoffe sortieren. "Ich muss alles in verschiedene Säcke tun", erklärt Ndlovu. Schachteln und Kanister aus Plastik müsse er trennen, da sie verschieden seien.
40.000 bis 50.000 Waste-Picker gibt es in Johannesburg, schätzt Luyanda Hlatshwayo von der African Reclaimers Organization, einer Selbsthilfeorganisation, die in einer angemieteten Halle in der Innenstadt Wertstoffe sortiert. "Seit 2017 statten wir Verwerter, wie wir sie nennen, mit grünen Overalls aus, damit sie erkennbar sind, und mit Handschuhen und allem, was sie für den Job brauchen."
5.500 Wertstoffsammler sind mittlerweile in der Organisation zusammengeschlossen. "Wir ermuntern die Verwerter, sich selbst und ihren Arbeitsbereich zu organisieren, denn in der Wertschöpfungskette sind wir sehr unsichtbar, aber tatsächlich sind wir diejenigen, die dafür sorgen, dass es funktioniert."
Etwa 60 Tonnen sortenreine Wertstoffe im Monat
Hlatshwayo hat selbst jahrelang in Mülltonnen gegraben. Jetzt zeigt er stolz, wie in der Halle Dosen, Pappkartons, Tetrapaks und Folien sortiert und dann gepresst werden. "Das hier ist unsere erste Halle, wir bauen das aus", sagt er. Pro Monat hätten sie etwa 60 Tonnen sortenreine Wertstoffe. 20 Menschen würden hier arbeiten. "Dadurch dass wir ihnen die Möglichkeit dazu geben, wird ihre Arbeit würdevoll."
Die Organisation arbeitet mit Stadtteilverwaltungen und Bürgergemeinschaften zusammen. Sie informiert über Mülltrennung, verteilt wiederverwendbare Wertstoffsäcke und sammelt sie mit Lkw ein. Dadurch muss niemand mehr Mülltonnen öffnen oder kriminelle Gangs für den Zugang zu einer Deponie bezahlen, sagt Hlatshwayo.
Erlös der Wertstoffe geht an die Beschäftigten
Er sieht die Schuld am mangelhaften Recyclingsystem in Südafrika bei der Regierung. "Kein richtiges Verfahren zu schaffen, um Wertstoffe zu sammeln, war ein großer Fehler der Regierung." Das hätte es kriminellen Syndikaten leicht gemacht. Denn diese hätten gemerkt, dass da Geld zu machen sei.
"Wir wollen nicht mit denen kämpfen. Wir suchen Lösungen, Programme wie dieses. Wir bringen die Verwerter von den Deponien hierher, in sauberere und sicherere Arbeitsbedingungen." Der Erlös der Wertstoffe geht an die Beschäftigten. Sie sind zudem arbeitslosenversichert und gelten nicht mehr als informell oder illegal. Die African Reclaimers Organization will das langfristig für alle Verwerter erreichen.
Mehrere Kilometer zur Sammelstelle
Ndlovu ist aber wie die meisten Waste-Picker in Johannesburg weiter auf der Straße unterwegs. Die sortierten Wertstoffe muss er kilometerweit zu einer Sammelstelle bringen. Und er kann nur hoffen, dass er fair bezahlt wird.
"Du hast keine Chance, die Preise und das, was hier passiert, zu überprüfen. Was sie mir nach dem Wiegen gegeben haben, ist nicht viel. Das ist nicht richtig für eine Woche Arbeit." In einer guten Woche macht der 39-Jährige umgerechnet 50 Euro, in einer schlechten nur zehn. Die 600 Kilometer zu seiner Frau und seinen Kindern zu fahren, kann er sich nur zu Weihnachten leisten.