US-Regierung Trans-Rechte wecken Jubel und Widerstand
US-Präsident Biden will eine Regierung, die "aussieht wie Amerika" - und schließt Transmenschen explizit in die Gesetzgebung ein. Christlich-konservative Gruppen sehen sich dadurch bedroht.
Es war eine Falle, aber Joe Biden tappte nicht hinein. Im Kandidaten-Wahlkampf der Demokraten hatte Biden im Sommer 2019 einen Auftritt in Iowa. Eine junge Frau stellte ihm im Gedrängel eine Frage: "Wie viele Geschlechter gibt es?" Ohne zu zögern antwortete Biden: "Mindestens drei." Welche das seien, wollte die Frau wissen. Biden durchschaute den Versuch, ihn zu testen und sagte gelassen: "Spiel' keine Spielchen mit mir, Kindchen."
Die Szene verbreitete sich auf Twitter. Das Video veröffentlichte Charlie Kirk, Gründer der rechts-konservativen Jugendorganisation "Turning Point USA". "Katie", wie sich die Frau im Clip nennt, gehört zum Team der jungen Propaganda-Gruppe. Damals war das Stimmungsmache gegen den möglichen Präsidentschaftskandidaten. Im Januar 2021 wird das Video von der LGBT-Community geteilt - als Beispiel für Bidens Einstellung in Bezug auf inter- und transgeschlechtliche Menschen.
An seinem ersten Tag im Oval Office machte er sein Versprechen wahr, sich für Gleichbehandlung einzusetzen und die Rechte von Homosexuellen und trans Menschen zu stärken. Er ordnete die "Prävention und Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund von Geschlechtsidentität oder sexueller Orientierung" an. Es betrifft die Arbeitswelt, Krankenversicherungen, die Wohnungsvergabe und stärkt die Rechte von transgeschlechtlichen Kindern. "Kinder sollten lernen können, ohne sich Sorgen machen zu müssen, ob ihnen der Zugang zur Toilette, zur Umkleide oder zum Schulsport verwehrt wird", heißt es gleich im zweiten Satz.
Christliche Gruppen gehen gegen neue Gesetze vor
Dagegen formiert sich Widerstand. Christiana Holcomb von der christlich-konservativen Organisation "Alliance Defending Freedom" ("Allianz zur Verteidigung der Freiheit") bezeichnet die Verordnung im Interview mit Fox News als "Unverantwortlichkeit". Es sei unfair, wenn junge Cisfrauen gegen Transfrauen antreten müssen, weil diese körperliche Vorteile hätten, so die Überzeugung der Anwältin. Sie vertritt College-Athletinnen aus Connecticut in einer Klage gegen den Bundesstaat, der Trans-Sportlerinnen und -Sportlern erlaubt, mit ihrem Geschlecht Wettkämpfe zu absolvieren. Die Seite Transathlete.com listet elf Bundesstaaten auf, in denen Transmenschen an ihren High Schools diskriminiert werden und beispielsweise gemäß ihrem auf der Geburtsurkunde notierten Geschlecht im Sport bewertet werden.
Kritik an der Verordnung des neuen Präsidenten übt auch die amerikanische Bischofskonferenz. Sie sieht die Religionsfreiheit in Gefahr und reagierte mit einer Stellungnahme. Das Dekret drohe "die Rechte von Menschen zu verletzen, die an […] die Unterschiede zwischen den Geschlechtern glauben und die Institution der lebenslangen Ehe zwischen einem Mann und einer Frau aufrechterhalten", heißt es darin.
Die junge Läuferin Juniper Eastwood (Mitte) von der University of Montana beim Training mit Teamkolleginnen: Laut der "Alliance Defending Freedom" hat sie durch ihre Transgeschlechtlichkeit einen unfairen Vorteil.
Biden selbst dachte nicht immer so wie heute
Auch Biden, selbst ein Katholik, hatte dieses Ehe-Verständnis, allerdings in den 1990er- Jahren. Als Senator stimmte er 1996 für das Gesetz zur "Verteidigung der Ehe", den "Defense of Marriage Act", das die Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau definierte. Zwei Jahre zuvor war er im Senat dafür, staatlichen Schulen die Mittel zu kürzen, die eine Akzeptanz "homosexueller Lebensweise" unterrichten.
Im Jahr 2012 zeigte Biden eine andere Einstellung, als er sich in einem Fernsehinterview für die gleichgeschlechtliche Ehe aussprach - vor seinem Chef, dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama. 2017 schrieb Biden das Vorwort für das Buch der Trans-Aktivistin Sarah McBride. Die Gleichberechtigung von transgeschlechtlichen Menschen sei die "Bürgerrechtsfrage unserer Zeit", schrieb er darin.
Es war das Jahr, in dem Trump den sogenannten "transgender ban" beim Militär aussprach, der transgeschlechtliche Menschen vom Dienst in der US-Armee ausschloss. Biden hat auch diesen im Schwung seiner ersten Verordnungen als Präsident aufgehoben. Sarah McBride wurde im November 2020 im Bundesstaat Delaware zur ersten transgeschlechtlichen Senatorin der USA gewählt.
Sarah McBride ist Senatorin im US-Bundesstaat Delaware.
Rachel Levine - erste Transfrau im Gesundheitsministerium?
Biden möchte nach eigener Angabe, dass seine Regierung "wie Amerika aussieht". Als Staatssekretärin im Gesundheitsressort ist Rachel Levine nominiert. Nach ihrer Bestätigung durch den Senat wäre die Kinderärztin aus dem Gesundheitsministerium in Pennsylvania die erste Transfrau auf einem so hohen Regierungsposten.
Die Bürgerrechtsbewegung Human Rights Campaign lobt Bidens inklusive Politik: Sein Dekret gegen Diskriminierung sei "die substantiellste, weitreichendste Verordnung in Bezug auf sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität, die jemals von einem Präsidenten der Vereinigten Staaten erlassen wurde". Millionen Amerikaner würden erleichtert aufatmen, schrieb der Präsident der Gruppe, Alphonso David, in einer Stellungsnahme.
Rachel Levine könnte bald Staatssekretärin im US-Gesundheitsministerium werden.
Für die Millionen Konservativen im Land rüttelt Biden mit seiner transinklusiven Politik jedoch an den Grundfesten ihrer Überzeugung. Die von ihm herbeigesehnte Einheit gibt es bei dieser gesellschaftlichen Frage auch unter dem neuen Präsidenten vorerst nicht.