Nach TV-Duell mit Trump Biden räumt Patzer in Debatte ein und will kämpfen
Nach dem TV-Duell wird die Kritik an der Kandidatur Bidens für die US-Präsidentenwahl lauter. Der Amtsinhaber gibt sich jedoch kämpferisch. Er sei kein junger Mann mehr - dem Amt sei er aber weiterhin gewachsen.
Für Joe Biden war es kein Glanzauftritt. Beim Fernsehduell mit Donald Trump wirkte der US-Präsident stellenweise abwesend. Er stockte, stammelte und versprach sich. Nun räumte Biden bei einer Wahlkampfveranstaltung im Bundesstaat North Carolina selbst ein: "Ich weiß, ich bin kein junger Mann, um das Offensichtliche zu sagen." Er laufe, rede und debattiere zwar nicht mehr so gut wie früher, so der Demokrat, "aber ich weiß, wie man die Wahrheit sagt."
Er wandte sich direkt an die Wählerinnen und Wähler und versprach, dass er auch für eine weitere Amtszeit fit genug sei. "Ich gebe Ihnen mein Wort. Ich würde nicht noch einmal kandidieren, wenn ich nicht mit ganzem Herzen und ganzer Seele daran glauben würde, dass ich diesen Job machen kann", fügte Biden vor Anhängern der Demokraten in der Stadt Raleigh hinzu. Er habe vor, die Wahl in North Carolina zu gewinnen.
Biden setzt auf Abgrenzung - und Ehrlichkeit
Zwar stellte sich bislang noch kein prominenter Parteikollege aus der ersten Reihe öffentlich gegen Biden. Doch in der Partei zeigten sich viele skeptisch, ob Biden wirklich der richtige Kandidat ist, um gegen Trump zu gewinnen.
Nach dem TV-Duell versucht der US-Präsident mit seiner Ehrlichkeit zu punkten. "Ich kann Recht von Unrecht unterscheiden", sagte Biden. "Ich weiß, wie man diesen Job macht. Ich weiß, wie man Dinge erledigt. Ich weiß, was auch Millionen Amerikaner wissen: Wenn man niedergeschlagen wird, steht man wieder auf."
67 Prozent sehen Trump als Gewinner des Duells
Biden - mit seinen 81 Jahren der älteste Präsident der US-Geschichte - hatte bei der TV-Debatte im Sender CNN am Donnerstagabend mit heiserer Stimme gesprochen und sich wiederholt in seinen Formulierungen verheddert. Zudem ließ er Sätze unbeendet und kam ins Stottern. Der 78-jährige Trump wirkte sehr viel energischer und konzentrierter.
Eine CNN-Umfrage ergab, dass 67 Prozent der Zuschauer in Trump den Gewinner des Duells sahen. Die US-Demokraten sind nun in höchstem Maße beunruhigt: Innerhalb der Partei werde nach dem Fernsehduell diskutiert, ob es vier Monate vor der Präsidentenwahl zu spät sei, Biden durch einen jüngeren Kandidaten oder eine Kandidatin zu ersetzen, berichtete die New York Times. Andere Medien berichteten von einer regelrechten Panik bei den Demokraten.
Obama: "Im November steht so viel auf dem Spiel"
Biden erfährt aber auch demonstrative Rückendeckung - wie vom ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama. Schlechte Debatten könnten passieren, schrieb Obama auf der Plattform X.
In Anspielung auf sein eigenes schlechtes Abschneiden in der ersten Debatte seiner Wiederwahlkampagne im Jahr 2012 fuhr Obama fort: "Glauben Sie mir, ich weiß es. Aber diese Wahl ist immer noch eine Wahl zwischen jemandem, der sein ganzes Leben lang für die einfachen Leute gekämpft hat, und jemandem, der sich nur um sich selbst kümmert." Daran habe der vergangene Abend nichts geändert und deshalb stehe im November so viel auf dem Spiel.
Jill Biden: "Seine Kraft ist unerschütterlich"
Unterstützung gab es auch von Bidens Ehefrau, First Lady Jill Biden. Sie machte sich bei der Wahlkampfveranstaltung in North Carolina für ihren Ehemann stark. "Es gibt niemanden, den ich gerade lieber im Oval Office sitzen hätte als meinen Mann", sagte sie auf der Bühne vor Parteianhängern. Sie trug dabei ein auffälliges Kleid.
Darauf stand mehrfach das Wort "Vote" (auf Deutsch sinngemäß: Geh wählen) in großen weißen Lettern. Auf der TV-Bühne habe ein Präsident mit Integrität und Charakter gestanden, betonte sie. "Seine Kraft ist unerschütterlich, seine Hoffnung ist unerschütterlich."
Newsom: Werde ihm nie den Rücken kehren
Diverse hochrangige Demokraten hielten Biden demonstrativ die Treue, wie die ehemalige Präsidentin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi und der Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom.
Letzterer hatte sich zuvor öffentlich hinter Biden gestellt. "Ich werde Präsident Biden nie den Rücken kehren", sagte Newsom, dem durchaus Ambitionen auf das Präsidentenamt nachgesagt werden. Die unpopuläre Vize-Präsidentin Kamala Harris war in einem TV-Interview ebenfalls wegen Bidens Performance in die Mangel genommen worden - und hatte schließlich eingestanden, dass ihr Chef einen "holprigen Start" gehabt habe.
Trump glaubt nicht an Bidens Ausstieg
Ex-Präsident Trump nutzte das Versagen seines Gegners indes für sich aus. "Die Frage, die sich jeder Wähler heute stellen sollte, ist nicht, ob Joe Biden ein 90-minütiges TV-Duell übersteht, sondern ob Amerika vier weitere Jahre mit dem korrupten Joe Biden im Weißen Haus überleben kann", sagte der Republikaner bei einer Wahlkampfveranstaltung im Bundesstaat Virginia und adressierte dabei auch Spekulationen über einen personellen Schwenk bei den Demokraten.
"Viele Leute sagen, dass Joe Biden nach seiner Leistung gestern Abend aus dem Rennen aussteigt", kommentierte er die Lage. Er glaube aber nicht, dass dies geschehe. Trump listete dann trotzdem ein paar der aktuell fallenden Namen auf: Vizepräsidentin Harris, Ex-Präsident Obamas Ehefrau Michelle Obama und Kaliforniens Gouverneur Newsom.
Sprecher: Keine Gespräche über Austausch
An Bord des Präsidentenflugzeugs "Air Force One" sagte Biden-Sprecher Michael Tyler vor Journalisten, es würden keine Gespräche über einen Austausch des Kandidaten geführt. "Eine schlechte Nacht ist uns lieber als ein Kandidat mit einer schlechten Vision, wohin er das Land führen will", sagte er in Anspielung auf Trump.