Sturm auf Kongress in Brasilien Lula spricht von "faschistischen Vandalen"
Nach dem Sturm von Bolsonaro-Anhängern auf Regierungsgebäude in Brasilia hat Präsident Lula vor Ort die Schäden besichtigt. Die Angreifer verurteilte er mit scharfen Worten. Der Sicherheitschef der Hauptstadt wurde entlassen.
Nach dem Sturm von Anhängern des rechtsradikalen brasilianischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro auf Regierungsgebäude in der Hauptstadt Brasilia hat sein Nachfolger Luiz Inácio Lula da Silva vor Ort die Schäden begutachtet.
Auf Bildern des Fernsehsenders TV Globo war Lula im Gespräch mit Richtern vor dem Obersten Gerichtshofs zu sehen. Der Oberste Gerichtshof war ebenso wie der Kongress und der Präsidentenpalast angegriffen worden.
Gegen 15 Uhr Ortszeit hatten Tausende Bolsonaro-Anhänger das Regierungsviertel gestürmt - viele von ihnen mit Nationalflagge oder im Trikot der brasilianischen Nationalmannschaft. Die Szenen erinnerten an den Sturm auf das US-amerikanische Kapitol am 6. Januar 2021. Militante Anhänger des abgewählten Präsidenten Donald Trump wollten den Sieg des Demokraten Joe Biden nicht anerkennen.
Erst Stunden nach Beginn der Ausschreitungen brachten Sicherheitskräfte die Situation weitgehend unter ihre Kontrolle. Justizminister Flavio Dino erklärte am Sonntagabend vor Journalisten, die drei erstürmten Gebäude seien vollständig geräumt worden. Mehr als 200 Menschen wurden Dino zufolge festgenommen.
Die Schäden an Kongressgebäude, Präsidentenpalast und Oberstem Gericht scheinen beträchtlich zu sein. Die Gebäude gelten als Ikonen der modernen Architektur, in ihnen befinden sich zahlreiche Kunstwerke. Unter anderem war auf in Online-Netzwerken veröffentlichten Fotos zu sehen, dass ein im Präsidentenpalast ausgestelltes Gemälde des Künstlers Emiliano Cavalcanti mehrere Löcher aufwies.
Präsident Lula, der sich zum Zeitpunkt des Angriffs in der 2022 bei Überschwemmungen verwüsteten südöstlichen Stadt Araraquara aufhielt, nannte den Angriff "beispiellos in der Geschichte Brasiliens". Die Geldgeber hinter den Protesten würden für die "unverantwortlichen und undemokratischen Handlungen bezahlen". Die Angreifer nannte er "faschistische Vandalen".
Umstrittene Rolle der Polizei
Die Polizei hatte angesichts der Angriffe der Bolsonaro-Anhänger zunächst vollkommen überfordert gewirkt. Diese hatten Polizeiabsperrungen überwunden und waren in das Kongressgebäude gedrängt. Dabei zertrümmerten sie Türen und Fenster und strömten dann in großer Zahl in das Gebäude. Fotos zufolge, die in Online-Netzwerken veröffentlicht wurden, zertrümmerten sie auch die Büros mehrerer Abgeordneter.
Mehrere nutzten das schräg geformte Rednerpult im Senat als Rutsche, riefen Beleidigungen in Richtung der abwesenden Senatoren. Einer Journalistengewerkschaft zufolge wurden bei den Ausschreitungen auch fünf Journalisten verletzt. Unter ihnen war ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP, der geschlagen wurde und dem seine gesamte Ausrüstung gestohlen wurde.
Brasilias Sicherheitschef entlassen
Der Sicherheitschef der Hauptstadt, Anderson Torres, der zuvor als Bolsonaros Justizminister tätig war, wurde entlassen. Offenbar hatten sich Anhänger von Bolsonaro in Telegram-Gruppen organisiert und eine Demonstration angekündigt - unter dem Motto "tomada de poder", Machtergreifung. Das war dem Senat in Brasilia lokalen Medien zufolge bekannt, deshalb hatte dieser um eine Verstärkung der Sicherheitskräfte gebeten. Eine Forderung, der Torres nicht nachkam.
Die Generalstaatsanwaltschaft ersuchte zudem den Obersten Gerichtshof eigenen Angaben zufolge, Haftbefehle gegen Torres und alle anderen Amtsträger zu erlassen, die für "Handlungen und Unterlassungen" verantwortlich seien, die zu den Unruhen geführt hätten.
Die Behörden nahmen unterdessen die Ermittlungen auf. Das Sekretariat für Institutionelle Sicherheit kündigte an, das Parlament, das Oberste Gericht und der Sitz des Präsidenten in Brasilia würden durchsucht und Beweise gesichert. Die Randalierer hätten anscheinend beabsichtigt, ähnliche Aktionen im ganzen Land zu starten.
International sorgte der Angriff für scharfe Kritik und Empörung. US-Präsident Joe Biden nannte den Angriff "ungeheuerlich". EU-Ratspräsident Charles Michel schrieb auf Twitter, er verurteile den Angriff auf die "demokratischen Institutionen Brasiliens auf das Schärfste". Bundeskanzler Olaf Scholz schrieb auf Twitter: "Die gewalttätigen Attacken auf die demokratischen Institutionen sind ein Angriff auf die Demokratie, der nicht zu tolerieren ist."
Scharfe Worte der Verurteilung äußerten auch der französische Präsident Emmanuel Macron sowie die Staatschefs von Mexiko und Argentinien, Andrés Manuel López Obrador und Alberto Fernandez.
Auch Bolsonaro selbst verurteilte Angriff
Auch Bolsonaro selbst verurteilte den Angriff. "Öffentliche Gebäude zu plündern und in sie einzudringen, wie heute geschehen", verstoße gegen die "Regel" für "friedliche Demonstrationen", schrieb er auf Twitter. Er selbst wehre sich indes gegen die "unbelegten Vorwürfe" Lulas. Dieser wirft Bolsonaro vor, die Angreifer "ermutigt" zu haben.
Bolsonaro hatte Brasilien zwei Tage vor dem Ende seiner Amtszeit verlassen und hält sich seither im US-Bundesstaat Florida auf. Lula, der seit Jahren als Idol der lateinamerikanischen Linken gilt, hatte sich am 30. Oktober in der Stichwahl um das Präsidentenamt mit hauchdünnem Vorsprung gegen Bolsonaro durchgesetzt. Bolsonaro und seine Anhänger erkennen den Wahlsieg Lulas nicht an.