Abgewählter Staatschef Bolsonaro fordert Ende der Straßensperren
Nach tagelangen Blockaden appelliert Brasiliens abgewählter Staatschef Bolsonaro an seine Unterstützer, die Straßen freizugeben. In weiten Teilen des Landes wiederum fordern seine Anhänger das Militär dazu auf, einzugreifen.
Nach tagelangen Blockaden hat Brasiliens abgewählter Präsident Jair Bolsonaro seine Anhänger dazu aufgefordert, die zahlreichen Straßensperren in weiten Teilen des Landes aufzuheben. "Die Sperrung von Fernstraßen in ganz Brasilien beeinträchtigt die Bewegungsfreiheit der Menschen", sagte Bolsonaro in einem auf Twitter veröffentlichten Video. Diese sei aber in der Verfassung garantiert:
"Man muss das Recht anderer Menschen, die unterwegs sind, respektieren - ganz abgesehen von dem Schaden für unsere Wirtschaft. Ich möchte an euch appellieren: Gebt die Straßen frei."
Unterstützer wollen den Wahlsieg Lulas nicht hinnehmen
Die Autobahnpolizei hatte zuvor noch 150 Straßensperren in verschiedenen Regionen Brasiliens registriert, wie das brasilianische Nachrichtenportal "G1" berichtete. Nach eigenen Angaben löste die Polizei bereits 688 Blockaden auf.
Bolsonaros Unterstützer wollen den Wahlsieg von dessen Herausforderer Luiz Inácio Lula da Silva nicht hinnehmen. In der ersten öffentlichen Stellungnahme nach seiner Wahlniederlage hatte Bolsonaro am Dienstag Verständnis für die Proteste geäußert. "Die aktuellen Demonstrationen sind das Ergebnis von Empörung und einem Gefühl der Ungerechtigkeit über die Art und Weise, wie der Wahlprozess durchgeführt wurde", sagte der rechtsextreme Staatschef. Er hatte zuvor selbst Zweifel am Wahlsystem gestreut. Beweise dafür legte er allerdings nie vor.
Lieferprobleme durch Blockaden
Die Fernstraßen sind für die Versorgung des Landes essenziell, denn der Großteil der Güter wird in Brasilien per Lkw transportiert. Das Schienennetz ist wenig ausgebaut.
Der Nationale Industrieverband (CNI) hatte vor Versorgungsengpässen und Treibstoffmangel gewarnt, sollten die Blockaden noch länger andauern. Nach Angaben des Verbands der Supermärkte gab es in einigen Bundesstaaten bereits Lieferprobleme vor allem bei Obst, Gemüse und Fleisch. "Andere Demonstrationen auf Plätzen und an öffentlichen Orten sind Teil des demokratischen Spiels", sagte Bolsonaro in seinem Video weiter. Er äußerte sich dabei nicht zum Inhalt der Proteste in verschiedenen Regionen Brasiliens.
Bolsonaro-Anhänger zeigen Hitler-Gruß
Zahlreiche Bolsonaro-Anhänger demonstrierten vor verschiedenen Kasernen gegen den Sieg Lulas. In mindestens 18 Bundesstaaten und in wichtigen Städten wie Rio de Janeiro, São Paulo und Brasília forderten sie der brasilianischen Zeitung "Folha de S. Paulo" zufolge ein Eingreifen des Militärs. "Es kann nicht sein, dass Lula nach Korruptionsskandalen und Gefängnis so viele Stimmen bekommen hat", sagte ein Teilnehmer in Rio der Nachrichtenagentur dpa.
Bei Protesten im Süden des Landes zeigten Bolsonaro-Anhänger den Hitler-Gruß. Hunderte Demonstranten reckten vor einer Kaserne in der Ortschaft São Miguel do Oeste ihre Arme zum faschistischen Gruß in die Höhe und sangen die Nationalhymne, wie der Fernsehsender Globo berichtete. Die Staatsanwaltschaft des Bundesstaates Santa Catarina, einer Hochburg von Bolsonaro, leitete Ermittlungen ein. Die Verherrlichung der Nazi-Herrschaft und das Verwenden nationalsozialistischer Symbole ist auch in Brasilien eine Straftat.
Bolsonaro, selbst Hauptmann der Reserve, hat immer wieder Sympathie für die Militärdiktatur (1964-1985) in Brasilien geäußert. Während seiner Amtszeit holte er viele aktive und ehemalige Offiziere in die Regierung und die Verwaltung. Immer wieder forderten seine radikalen Anhänger einen Militärputsch gegen die Justiz und das Parlament. Allerdings gingen die Streitkräfte nie darauf ein.
Zuvor hatten bereits wichtige Verbündete Bolsonaros, darunter der mächtige Parlamentspräsident Arthur Lira, Bolsonaros Niederlage anerkannt. Brasiliens rechter Staatschef war bei der Stichwahl um das Präsidentenamt am Sonntag seinem linken Herausforderer Luiz Inácio Lula da Silva knapp unterlegen. Ex-Präsident Lula erhielt 50,9 Prozent der Stimmen, Bolsonaro kam auf 49,1 Prozent.
Bolsonaro will Wechsel offenbar nicht im Wege stehen
Auch wenn Bolsonaro seine Niederlage nicht ausdrücklich einräumt, will er dem Regierungswechsel offenbar nicht im Wege stehen. "Präsident Jair Bolsonaro hat uns auf der Grundlage des Gesetzes ermächtigt, den Prozess des Regierungswechsels einzuleiten", sagte Kabinettschef Ciro Nogueira. Die Machtübergabe ist allerdings ohnehin gesetzlich geregelt, einer Zustimmung der scheidenden Regierung bedarf es nicht.
Er sei sich "fast sicher", dass Bolsonaro an der Amtseinführung von Lula teilnehmen und die Präsidentenschärpe an seinen Nachfolger übergeben werde, sagte Vizepräsident Mourao. Die Justiz des größten Landes Lateinamerikas wertete dies als ein Eingeständnis der Niederlage.
"Die Richter bekräftigen die offizielle Mitteilung, in der die Bedeutung der Anerkennung des endgültigen Wahlergebnisses durch den Präsidenten der Republik mit der Entschlossenheit, den Übergangsprozess einzuleiten, hervorgehoben wurde", hieß es in einer Mitteilung des Obersten Gerichtshofs nach einem Treffen mit Bolsonaro. "Er sagte, es sei vorbei. Schauen wir also nach vorne", sagte Richter Luiz Edson Fachin dem Sender Globo.
Medienberichten zufolge sprach Kabinettschef Nogueira bereits mit Lulas Kommunikationschef Edinho Silva. Zudem telefonierte Lulas künftiger Vizepräsident Geraldo Alckmin mit Bolsonaros Stellvertreter Mourao.
Der Amtsantritt Lulas ist für den 1. Januar 2023 geplant.