Illegale Abholzung in Mexiko Die neue Droge der Kartelle
Die Kartelle in Mexiko haben jenseits von Drogen neue Geschäftsfelder für sich entdeckt. Illegale Abholzung zu einem massiven Problem geworden - insbesondere an der Grenze zu den USA.
Mehr als acht Autostunden von seinem Dorf entfernt ist Manolo statt von Bäumen von einer grauen Mauer umgeben. Seine Mais- und Bohnenfelder, die Kühe, die Ziegen, Esel, die Kräuter, die ihm helfen, wenn er krank ist, musste er zurücklassen.
Manolo hatte sich vehement gegen illegale Abholzung gewehrt. Männern, die dem organisierten Verbrechen angehören, habe er sich entgegengestellt, als sie mit ihren Motorsägen und Lastern in sein Dorf in der Sierra Tarahumara kamen, erzählt er bedrückt.
Die größten Bäume würden dort gefällt. In der Folge werde es nicht mehr regnen, weil es keinen Wald mehr gibt, sagt Manolo, der seinen eigentlichen Namen aus Sicherheitsgründen nicht nennen möchte.
Wer sich wehrt, wird bedroht
Manolo demonstrierte in Chihuahua und Mexiko-Stadt, damit die verantwortlichen Behörden endlich etwas unternehmen. Und weil er Anzeige erstattete, wird er nun bedroht. Zwei ihm nahestehende Menschen wurden vom organisierten Verbrechen umgebracht. Er selbst wurde zweimal verschleppt, auf andere wurde geschossen, Häuser von Nachbarn angezündet.
Seit zwei Jahren lebt Manolo mit rund 30 weiteren Mitgliedern der indigenen Ethnie der Rarámuri in zwei von hohen Mauern umgebenen Häusern in Chihuahua, im gleichnamigen Bundesstaat im Norden Mexikos. Er gilt offiziell als intern Vertriebener, deshalb bekommt er staatliche Unterstützung, von der er gerade so überleben kann.
Illegale Rodung gibt es in Mexikos Sierra Tarahumara seit langem. Doch mit dem organisierten Verbrechen hat dieses Geschäft in den letzten Jahren eine neue Dimension bekommen.
"Der Staat unternimmt nichts"
Aber der Staat unternehme letztlich nichts, damit er wieder in sein Dorf kann, ärgert er sich. Dabei wüssten die Behörden genau, wer die Verbrecher seien, "wo sie leben, wie sie arbeiten - sie wissen alles".
Auch wenn Vertreter der lokalen Regierung öffentlich das Problem anerkennen, tatsächliche Maßnahmen werden nicht ergriffen. Im Gegenteil: Die Gelder für Wiederaufforstung wurden sogar gekürzt.
Laut Daten der Nationalen Autonomen Universität Mexikos UNAM waren im Jahr 2020 70 Prozent des Holzes auf dem mexikanischen Markt illegalen Ursprungs.
Die illegale Abholzung in der Sierra Tarahumara im Norden Mexikos ist zu einem großen Problem für Mensch und Natur geworden.
Drogenkartelle expandieren ins Holzgeschäft
Illegale Abholzung in der Region gibt es schon seit den 1970er-Jahren. Mit dem organisierten Verbrechen hat dieses Geschäft jedoch in den letzten Jahren eine neue Dimension bekommen. Der Bundesstaat Chihuahua, der an Texas in den USA grenzt, ist seit jeher ein wichtiger Korridor für den Drogenhandel, der hier von den Sinaloa- und Juárez-Kartellen dominiert wird.
Die illegale Abholzung ist nun ein zusätzliches Geschäftsfeld und damit zu einem massiven Problem geworden, erklärt Álvaro Salgado Ramírez von der Nichtregierungsorganisation Siné-Comunarr.
Er ist regelmäßig in den Bergen der Sierra Tarahumara unterwegs, um die Rarámuri zu beraten und in der Verteidigung ihres Landes und ihrer Autonomie zu stärken. Ein großes Problem sei die Verstrickung der lokalen Regierung mit dem organisierten Verbrechen, sagt Ramírez. Die Gemeindepräsidenten, die Forstbehörden, die bundesstaatlichen und kommunalen Regierungen seien - wenn auch nicht alle - korrupt, sagt Salgado.
Dramatische Folgen für die Umwelt
Lässt man den Blick über die Sierra Tarahumara schweifen, klaffen zwischen den dicht bewachsenen Kiefernwäldern große Lücken. Auf die Abholzung folgt die Brandrodung, und lediglich verkohlte Baumstümpfe bleiben zurück - ein apokalyptischer Anblick.
Mit der illegalen Abholzung werde die Lebensgrundlage der Menschen in der Sierra Tarahumara, die Pflanzen- und Tierwelt bedroht, mit dramatischen Folgen für Mensch und Natur, so Salgado. Der Wasserkreislauf werde ernsthaft beeinträchtigt, und es werde Jahrzehnte dauern, bis er sich wieder erhole. Die Folgen seien bereits spürbar: Es gebe immer weniger Wasser in den Dämmen, die Erosion sei gravierend.
Das werde etwa auch der benachbarte Bundesstaat Sinaloa, wo vor allem Früchte für den Export in die USA angebaut werden, zu spüren bekommen, warnt Salgado. Auch das illegal geschlagene Kiefernholz werde zum Teil in die USA exportiert, wo es vorwiegend im Bau eingesetzt werde. Mexikanische Unternehmen machten damit große Gewinne.
Geldwäsche mit Holzgeschäft
Es müssten zwar noch genauere Untersuchungen gemacht werden, um handfeste Beweise vorlegen zu können. Aber man wisse, wo die Holzlager seien und welche Firmen das Holz weiterverarbeiteten. "Einige von ihnen sind seit vielen Jahren mit der maßlosen und missbräuchlichen Abholzung verbunden, es sind reiche Geschäftsleute, die viel Macht haben", sagt Salgado.
Diese mächtigen Geschäftsleute würden die Behörden korrumpieren, um Genehmigungen zu erhalten. Aus illegalem werde so schnell legales Holz. Damit würden Millionen verdient.
Das organisierte Verbrechen wäscht so auch sein Geld. Ein der lokalen Regierung nahestehender anonymer Kontakt bestätigt, dass Holzladungen teils einfach durchgewunken würden. Das passiere regelmäßig und sei allgemein bekannt.
Manolo und einige seiner Mitstreiter haben diverse Male Anzeige erstattet. In einem Fall wurde ihnen sogar Recht gegeben. Doch Konsequenzen hatte das nicht. Wann oder ob Manolo in sein Dorf zurückkehren wird - das weiß er nicht.