Nach Schüssen an Schule in Michigan Eltern von US-Amokschütze zu Haftstrafen verurteilt
2021 erschoss ein Teenager vier Mitschüler an seiner Highschool im US-Staat Michigan. Erstmals sind in den USA nun die Eltern wegen fahrlässiger Tötung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden.
Bevor das Strafmaß gegen die Eltern von Ethan Crumbley verkündet wurde, gehörte der Gerichtssaal, wie in US-Strafverfahren üblich, den Opfern: Jill Soaves Sohn Justin war einer der vier Mitschüler, die der damals 15-jährige Ethan im November 2021 in seiner High School in Oxford bei Detroit erschossen hatte.
"Diese Tragödie war komplett vermeidbar, wenn sie nur irgendetwas getan hätten", so Soave. "Dann wären unsere vier Engel noch hier. Und Justin könnte am 18. dieses Monats seinen 20. Geburtstag feiern."
Tatwaffe war Geschenk seiner Eltern
Dann zählte die Mutter, um Fassung ringend, die Liste der Versäumnisse der Eltern von Ethan Crumbley auf: Wenn sie ihn nur zum Psychologen geschickt hätten, statt ihm eine Waffe zu kaufen - die SIG Sauer war ein Weihnachtsgeschenk. Wenn sie diese Waffe nur sicher aufbewahrt hätten. Wenn sie an dem Tag gegenüber dem Schulpsychologen nur etwas gesagt hätten, wenn sie nur seinen Rucksack gecheckt hätten.
Wenn sie ihn nur mit nach Hause genommen hätten, statt ihn in der Schule zurück und im Stich zu lassen. Dann müsste ich heute hier nicht stehen.
Unmittelbar nach der Tat ihres Sohnes waren die Crumbleys geflüchtet. Sie versteckten sich vor der Polizei - während die Mutter von Ethans Opfer Madisyn die Beerdigung ihrer Tochter planen musste, sagt Nicole Beausoleil unter Tränen: "Während Ihr vor Eurem Sohn und Eurer Verantwortung weggelaufen seid, musste ich das Schlimmste tun, was man tun kann - mich von meiner Madisyn verabschieden."
Und der Vater von Hana, Steve St. Juliana, warf den Crumbleys vor, bis heute allen anderen die Schuld an den Taten des Sohnes zuzuschieben.
Eltern weisen Vorwürfe zurück
Zwar drückten die Eltern des Schützen den Opferfamilien ihr großes Bedauern aus. Aber Reue zeigen oder Verantwortung übernehmen? Fehlanzeige. Er habe doch nicht gewusst, was sein Sohn tun würde, sagt Vater James. Mutter Jennifer erklärt, dass die Staatsanwaltschaft, die Medien und die Öffentlichkeit sie zu Unrecht als Monster und schlechte Eltern diffamiert hätten.
Sie seien eine ganz normale Familie. Es sei eben nicht so, dass schlechte Kinder nur aus schlechten Elternhäusern kommen, so die 46-Jährige. "Wenn die Öffentlichkeit etwas lernen kann, dann nur: Das könnte Euch auch passieren!"
Warnzeichen wurden immer wieder ignoriert
Ethan Crumbley wurde wegen der Morde zu lebenslanger Haft verurteilt. Schon im Prozess gegen den damals 15-Jährigen war deutlich geworden, dass er an Depressionen litt und Gewaltfantasien hegte.
Richterin Cheryl Matthews war deshalb eine Klarstellung wichtig: "Bei diesen Schuldsprüchen geht es nicht um schlechte Erziehung." Es gehe darum, dass immer wieder Warnzeichen ignoriert wurden, die einer normalen Person die Haare zu Berge stehen lassen, so Matthews.
Dann verlas sie das Strafmaß: Für zehn und 15 Jahre müssen Jennifer und James Crumbley ins Gefängnis. Allerdings können sie, wie ihr Sohn, noch Berufung gegen das Urteil einlegen.
Urteil mit "Signalwirkung"
Die erste Verurteilung von Eltern wegen eines tödlichen Amoklaufs, den ihr Kind begangen hat, ist in jedem Fall eine Signalwirkung, so der Rechtexperte Renato Mariotti gegenüber dem Nachrichtensender CNN. Schließlich gehe es hier um erhebliche Haftstrafen.
Auch weil sich die US-Politik nach wie vor sehr schwer damit tue, die Verbreitung von Waffen einzudämmen, rechnet Mariotti damit, dass künftig Staatsanwälte häufiger versuchen werden, Eltern zur Rechenschaft zu ziehen: "Wenn es mehr Waffen gibt, dann ist es jetzt in der Verantwortung der Eltern sie sicher aufzubewahren."
Und sie müssten, anders als die Crumbleys, die Warnzeichen ihrer Kinder auch ernst nehmen.