Grand Prospect Hall vor Abriss New York verliert ein Stück alten Glanz
In ihr kam der deutsche Männergesangsverein zusammen, es wurden Hochzeiten gefeiert und Filme gedreht. Nun soll die Abrissbirne die 130 Jahre währende Geschichte der Grand Prospect Hall beenden.
Auch wer noch nie die Grand Prospect Hall gesehen hat - fast jeder New Yorker kennt diesen Werbespot aus dem Lokalfernsehen: "We make your dreams come true."
Ein Ort, an dem Träume wahr wurden. 130 Jahre lang. Ein riesiger Ballsaal im viktorianischen Stil. Mit geschwungen Marmortreppen, antiken Säulen und Dachterrassen. Mit roten Plüschvorhängen, Kronleuchtern und ganz viel Gold. Unzählige Hochzeiten wurden hier gefeiert, Abschlussbälle und Bar Mizwas. Und jetzt - kommt die Abrissbirne.
"Dieser Ort hat uns so viel gegeben"
"Jedes Mal, wenn wir hier waren, haben wir gesagt: 'Wir können es gar nicht abwarten, wieder herzukommen.' Es ist wirklich hart, sich vorstellen, dass wir nie wieder diesen wunderbaren Ort besuchen können. Dass niemand das kann. Dieser Ort hat uns so viel gegeben", sagt Julie Spiegel.
Als die vor einigen Monaten wegen der Corona-Pandemie geschlossene Grand Prospect Hall im Brooklyner Stadtteil Park Slope mit Sperrholzbrettern verkleidet wurde, gründete ihre 17 Jahre alte Tochter Solya zusammen mit ihrem Freund eine Bürgerinitiative, um das Schlimmste zu verhindern - doch vergeblich.
"Demolition" steht auf den Schildern am Bretterzaun: "Abriss". Wenn es darum geht, sich des Alten zu entledigen, um etwas Neues zu schaffen, dann sind die Amerikaner nicht zimperlich. Und die New Yorker erst recht nicht. Denkmalschutz ist hier ein weitgehend unbekanntes Konzept.
Das "Versailles der Unterhaltung"
Der letzte Eigentümer ist an Covid-19 gestorben: Michael Halkias, der aus dem Fernsehspot. Seine Frau Alice hat sich dann zwei Monate später entschieden, das Gebäude zu verkaufen. Ein trauriger Tag. Sie hat wohl das Gebäude nicht so geliebt wie Michael.
Glenn Palmedo Smith hat eine ganz besondere Verbindung zur Grand Prospect Hall. Er ist der Ururenkel von John Kolle, dem deutschen Einwanderer, der das Gebäude 1892 als "German Dance Hall" bauen ließ.
Er hat es "das Versailles der Unterhaltung" genannt. Hier gab es die erste Bowling-Bahn in ganz New York, zwölf Bahnen im Keller. Es gab den ersten handbetriebenen Vogelkäfig-Aufzug in Brooklyn. In den Venezianischen Gärten wurden Stummfilme gezeigt vor bis zu 1000 Besuchern. Und im Opernsaal gab es große Musikveranstaltungen. Als 1896 William Jennings Bryan als Präsident kandidierte, gab es hier eine Kundgebung vor 6500 Leuten.
Ein Treffpunkt für deutsche Einwanderer
Anfangs war die "German Dance Hall" aber vor allem ein Treffpunkt für die deutschen Einwanderer. Mit Gastwirtschaft, Biergarten und Proberaum für den Männergesangsverein, sagt der Historiker Andrew Dolkart von der New Yorker Columbia University:
Es gab damals eine riesige deutsche Gemeinschaft im Großraum New York. Brooklyn war ja bis 1898 eine eigenständige Stadt. New York City bestand nur aus Manhattan und Teilen der Bronx. Weite Teile des 19. Jahrhunderts war New York dann die drittgrößte Stadt der Welt, in der Deutsch gesprochen wurde, nach Berlin und Wien.
Die Geschichte des Gebäudes begann als Treffpunkt für die deutsche Gemeinschaft in der amerikanischen Metropole.
Von der Hochzeit bis zur und Filmkulisse
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die deutsch-amerikanische Festhalle dann zu einer der Adressen für Familienfeiern aller Art in Brooklyn - und zur gefragten Filmkulisse: 2001 in Wes Andersons "The Royal Tenenbaums", später in der Serie "Gossip Girl" und in der letzten Staffel von "Twin Peaks". Und die kultige Werbung der griechischstämmigen Familie Halkias wurde zum Gag bei Jimmy Kimmel und in der Saturday Night Live Show.
Doch jetzt ist es vorbei mit dem Glanz der vergangen 130 Jahre. Der neue Besitzer, ein Bauunternehmer, hat das Inventar bereits ausräumen lassen. Wenn es wärmer ist, wird dann auch eines der letzten deutsch-amerikanischen Wahrzeichen in New York endgültig abgerissen.