US-Republikaner Nicht mehr so viel über Abtreibung reden
Das Thema Abtreibung beschäftigt erneut den Obersten Gerichtshof der USA. Abtreibungsgegner wollen den Zugang zu Abtreibungspillen erheblich einschränken. Für die US-Republikaner könnte das Thema im Wahlkampf ein Problem werden.
Ein Wahlkampfauftritt von Donald Trump vor ein paar Tagen in Ohio: Der Ex-Präsident nennt seine verurteilten Anhänger vom Sturm aufs Kapitol "Patrioten" und "Geiseln". Er warnt vor einem "Blutbad" in der Autoindustrie und im Land, wenn er die Wahl nicht gewinnt. Nur ein Thema spart Trump in seiner anderthalbstündigen Rede aus: Abtreibung.
Bei früheren Auftritten ließ sich der Ex-Präsident ausgiebig feiern, für die Besetzung des Supreme Courts mit konservativen Richtern und deren historische Entscheidung, das landesweite Grundrecht auf Schwangerschaftsabbrüche abzuschaffen. Aber dem 77-Jährigen ist klar: Die strengen Abtreibungsverbote schon ab der sechsten Woche, die daraufhin in vielen konservativen Bundesstaaten erlassen wurden, haben den Republikanern immens geschadet.
"Man muss natürlich seinem Herz folgen", so Trump kürzlich im Sender FoxNews, "aber du musst auch gewählt werden." Viele seiner Parteifreunde, die auf Abtreibungsverbote ohne Ausnahmen gesetzt hätten, seien von den Wählern bei den Zwischenwahlen im Herbst 2022 abgestraft worden.
Vor dem US-Supreme Court geht es heute um die sogenannte Abtreibungspille Mifepriston. Abtreibungsgegner wollen den Zugang zu dem Medikament erheblich einschränken und haben gegen seine Zulassung geklagt. Ein Urteil wird erst zu einem späteren Zeitpunkt fallen. Dass Amerikas Oberstes Gericht diesem Antrag folgt, gilt unter Experten als unwahrscheinlich.
Ein Berufungsgericht hatte vergangenes Jahr Zugangsbeschränkungen für das Medikament verhängt. Diese traten bislang nicht in Kraft, weil der Rechtsstreit anhält. Der US-Arzneimittelbehörde FDA zufolge ist Mifepriston ein zuverlässiges Medikament. Es wird über Grenzen von Bundesstaaten hinweg per Post verschickt und kann zu Hause eingenommen werden.
Halbwahrheiten und vage Versprechungen
Und Trump versucht den Spieß umzudrehen. "Die Demokraten sind doch die Radikalen in dieser Frage, weil es okay ist eine Abtreibung im 8., 9. (Monat) oder sogar nach der Geburt zu haben", so Trump im gleichen Interview. Das stimmt zwar nicht, wie der Sender anschließend auch feststellte. Aber Trump gab sich kompromissbereit: "Ich hätte gern eine Lösung, die beide Seiten glücklich macht."
Zum Beispiel ein Abtreibungsverbot ab der 15. oder 16. Woche, so Trump, das klinge doch vernünftig und sei eine Zahl, mit der sich auch die Hardliner einverstanden erklären könnten. Und so ähnlich würden es doch auch die Europäer halten.
Ein unerwartetes Urteil
Tatsächlich merken inzwischen viele Republikaner, dass der vermeintliche Erfolg vor dem Supreme Court ihnen ein Problem an den Wahlurnen verschafft. Im ultrakonservativen Tennessee etwa trat kurz nach der Entscheidung ein fast komplettes Abtreibungsverbot in Kraft. Einer der Sponsoren war Richard Briggs, pensionierter Militärchirurg und Mitglied des Senats des Bundesstaats. "Die Wahrheit ist, ich dachte nie, dass es in Kraft tritt", sagte er dem Sender NPR.
Jetzt versucht er, eine Gesetzesänderung durchzusetzen, die Abbrüche zulässt, wenn der Fötus keine Überlebenschancen hat, und um die Gesundheit der Mutter zu schützen. Die Wählerinnen und Wähler in eigentlich konservativen Bundesstaaten wie Ohio und Kansas gehen noch viel weiter: Sie setzten per Volkabstimmung das Recht auf Abtreibung bis zur 22. Woche durch.
Biden rückt das Thema nach vorne
Viele Republikaner reden im Wahlkampf deshalb nur noch auf Nachfrage über das Thema Abtreibung. Ganz im Gegensatz zu den Demokraten. Bei seiner Rede zur Lage der Nation Anfang März bat Präsident Joe Biden so schon in den ersten Minuten eine Frau im Publikum, aufzustehen: Kate Cox aus Dallas, die sich mit ihrer Problem-Schwangerschaft mit einem nicht lebensfähigen Fötus wegen der strengen Gesetze in Texas Hilfe in einem anderen Bundesstaat habe suchen müssen, erzählte Biden. Schuld an dem Chaos seien Trump und die Richter des Supreme Court, die ebenfalls im Publikum saßen.
Diejenigen, die mit der Abschaffung des Grundrechts auf Abtreibung prahlten, "haben keine Ahnung von der Macht der Frauen". Aber sie würden sie schon noch zu spüren bekommen. Die Demokraten hätten deshalb 2022 und 2023 viele Wahlen gewonnen und, so Biden siegesgewiss, sie würden deshalb auch im November 2024 gewinnen.
Was mobilisiert die Wähler im November?
Der Präsident verspricht, das Grundrecht auf Abtreibung bis zur 24. Woche US-weit per Gesetz wiederherzustellen, wenn es die Mehrheiten im Kongress zulassen. Aber ob das Thema Abtreibung auch im November noch so mobilisiert wie bislang, ist fraglich: Laut Umfragen sind vielen Wählerinnen und Wählern Themen wie Einwanderung, Inflation und die Wirtschaft momentan jedenfalls viel wichtiger.
Eines aber ist inzwischen auch klar: Obwohl mehr als die Hälfte der Bundesstaaten Abtreibungen inzwischen ganz oder teilweise verboten hat, ist die Zahl der Abbrüche im vergangenen Jahr noch gestiegen. In mittlerweile mehr als 60 Prozent der Fälle wurden sie mit Medikamenten durchgeführt. Auch weil die Abtreibungspillen dank laxerer Regeln der Biden-Regierung und der obersten Arzneimittelbehörde FDA jetzt viel einfacher zu erhalten sind. Ob diese Regeln rechtens sind, muss jetzt der Supreme Court entscheiden.