Abtreibungsgesetz in Texas verschärft Eine Entscheidung mit Signalwirkung?
Texas hat sein Abtreibungsgesetz massiv verschärft. Dass der Supreme Court das nicht gestoppt hat, werten Beobachter als Hinweis - denn im Herbst wird eine fürs ganze Land wegweisende Entscheidung erwartet.
"Ich glaube, dass wir gewinnen werden!", machten sich Ende Mai Hunderte Demonstrantinnen auf den Straßen von Austin Mut. "Abtreibung muss legal bleiben", stand auf den Plakaten, die im Lokalfernsehen zu sehen waren. Doch es kam anders. Gouverneur Greg Abbott und die republikanische Mehrheit in Texas beschlossen ein Gesetz, das am Mittwoch in Kraft trat und Abtreibungen fast unmöglich macht.
Texas hat die Uhr buchstäblich um 50 Jahre zurückgedreht, so empfindet es Alexis McGill Johnson, die Chefin von "Planned Parenthood". Es sei ein dunkler Tag, sagt sie im Fernsehen - nicht nur für die sieben Millionen Texanerinnen, sondern auch für die große Mehrheit der Amerikaner, die glaubt, dass es sichere und legale Abtreibungen geben müsse.
Eine aktuelle Umfrage von NBC zeigt, dass die Mehrheit der US-Bürger Abtreibungen in fast allen Fällen erlauben möchte. Besonders groß ist die Unterstützung bei Frauen und bei jungen Menschen.
Viele wissen noch nichts von der Schwangerschaft
"Planned Parenthood" ist eine gemeinnützige Einrichtung für Familienplanung, die auch Abtreibungen anbietet - oder im Falle von Texas: angeboten hat. Denn seit Mittwoch können die Frauenkliniken in Texas keine oder kaum noch Termine machen. Das neue "Herzschlag-Gesetz" verbietet Abtreibungen etwa ab der sechsten Woche, dann nämlich, wenn ein Herzschlag zu hören ist.
85 Prozent der Patientinnen von "Planned Parenthood" kommen nach der sechsten Woche, sagt McGill Johnson, das sei normal. Die meisten Frauen wüssten vor der sechsten Woche noch gar nicht, dass sie schwanger seien. Nicht einmal bei Vergewaltigung oder Inzest gibt es in Texas künftig eine Ausnahme.
10.000 Dollar Strafe drohen
Auch andere Bundesstaaten mit republikanischer Mehrheit verschärfen gerade ihr Abtreibungsrecht. Das Thema kommt bei der Konservativen, vor allem aber der religiösen Basis im sogenannten Bibel-Gürtel der USA gut an und mobilisiert enorm.
Was die Rechtslage in Texas so einzigartig macht, ist der Vollzug des Gesetzes - denn der liegt nicht bei den Behörden, sondern bei den Bürgerinnen und Bürgern. Sie sind aufgefordert, Ärztinnen und Ärzte, die Betreiber von Kliniken und ihr Personal anzuzeigen. Auch wer eine Frau zur Abtreibungsklinik fährt, muss mit Strafverfolgung rechnen - wegen Beihilfe. Kommt es zu einer Verurteilung, muss die beklagte Person oder Einrichtung mit 10.000 Dollar Strafe pro Fall rechnen. Für den Tippgeber gibt es mindestens 10.000 Dollar Belohnung.
Die Kritiker des Gesetzes sprechen bereits von "Abtreibungskopfgeldjägern". Anzeige kann zum Beispiel von außerhalb der Staates erstattet werden und Abtreibungsgegner haben bereits Internetseiten eingerichtet, wo anonyme Hinweise entgegengenommen werden. Abgesehen davon hat dieses Regelung aber auch eine rechtliche Dimension: Dadurch, dass nicht die Behörden für die Durchsetzung zuständig sind, ist es für die Beklagten schwieriger, sich zu wehren. Und das Gesetz wird schwieriger anzufechten sein, fürchten seine Gegner.
Supreme Court lehnt Eilantrag ab
Präsident Joe Biden bezog bereits Position: Dieses extreme Gesetz verstoße gegen die Verfassung, heißt es in einem Statement. Seine Regierung steht zu "Roe versus Wade" - dem Urteil, das seit fast 50 Jahren Bestand hat und welches Frauen in den USA die eigene Entscheidung über eine Abtreibung ermöglicht.
"Planned Parenthood" und mehrere Frauenkliniken haben den Supreme Court deshalb aufgefordert, das texanische Gesetz per Eilentscheid zu stoppen. Der Oberste Gerichtshof lehnte den Antrag aber ab - mit einer knappen Mehrheit von fünf zu vier. Das restriktive Gesetz hat damit in Texas vorerst Bestand. Der Supreme Court betonte allerdings, dass es bei seiner Entscheidung gegen den Eilantrag nicht um die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes gegangen sei. Einspruch gegen das Gesetz sei nach wie vor möglich.
Im Grundsatzurteil "Roe gegen Wade" ("Roe versus Wade") entschied der Oberste Gerichtshof der USA am 22. Januar 1973, dass staatliche Gesetze, die Abtreibungen verbieten, gegen die Verfassung der Vereinigten Staaten verstoßen. Seither waren in den meisten US-Bundesstaaten Abtreibungen nahezu uneingeschränkt möglich.
Die Bezeichnung geht auf den zum Schutz der Klägerin gewählten Alias-Namen "Jane Roe" zurück. Beklagter für den Staat Texas war der damalige Bezirksstaatsanwalt des Dallas County, Henry Wade. "Roe versus Wade" zählt zu den gesellschaftlich umstrittensten Entscheidungen in der Geschichte des Supreme Court, der damals von einer liberalen Richtermehrheit geprägt war.
Dank der Personalentscheidungen von Ex-Präsident Donald Trump sind im Supreme Court inzwischen die konservativen Richterinnen und Richter in der Mehrheit. Und einige von ihnen haben schon klar gesagt, dass sie das historische Urteil "Roe versus Wade" kippen wollen.
Im Herbst könnte es dazu kommen. Dann wird sich der Supreme Court damit befassen, ob die neuen Abtreibungsgesetze des Bundesstaates Mississippi verfassungsgemäß sind.