Trump und die Ukraine "Wir können Russland außerordentlich unter Druck setzen"
Kriegsende in der Ukraine binnen 24 Stunden nach seinem Wahlsieg - von diesem Wahlversprechen Trumps ist inzwischen keine Rede mehr. Was aber plant Trump? Experten skizzieren eine Strategie, die beide Seiten unter Druck setzt.
Im Wahlkampf fiel dieser Satz in fast jeder Rede von Donald Trump: "Kurz nachdem ich die Präsidentschaftswahl gewonnen habe, werde ich den verheerenden Krieg zwischen Russland und der Ukraine beendet haben, innerhalb von 24 Stunden", so Trumps Versprechen.
Inzwischen hört sich das anders an. Bei seiner ersten Pressekonferenz nach dem Wahlsieg sprach Trump über Israels Krieg im Gazastreifen und Russlands Krieg in der Ukraine. Dabei nannte er die Lage im Nahen Osten vergleichsweise einfach und auf gutem Weg. Die "Russland-Ukraine-Situation" sei "schwieriger".
Trumps designierter Nationaler Sicherheitsberater Michael Waltz beschreibt die Lage in der Ukraine so: "Wir müssen das Kämpfen beenden. Wenn eine Art von Waffenstillstand ein erster Schritt sein könnte, werden wir das ernsthaft prüfen", sagte Waltz im Fernsehsender CBS.
Ein Lagebild entsteht gerade erst
Trump und sein Team seien gerade erst dabei, eine realistische Einschätzung der Lage zu gewinnen, sagt John Herbst, früher im US-Außenministerium für Russland zuständig, vier Jahre lang Botschafter in der Ukraine, heute bei der Denkfabrik Atlantic Council.
Wer glaube, Trump werde die Ukraine-Hilfe der USA einfach stoppen und damit einseitig Russland bevorzugen, täusche sich voraussichtlich.
"Alle Leute, die Trump für die entscheidenden Posten nominiert hat, verstehen, dass Russland ein gefährlicher Gegner der USA ist", sagt Herbst. Das gelte für den designierten Außenminister Marco Rubio, für Sicherheitsberater Michael Waltz, den künftigen Ukraine-Beauftragten Keith Kellogg, sogar für den umstrittenen designierten Verteidigungsminister Pete Hegseth.
Ölpreise als Druckmittel
Doch welche Druckmittel haben die USA, Russlands Präsidenten Wladimir Putin zu Verhandlungen zu zwingen?
"Wir können Russland außerordentlich unter Druck setzen", meint Herbst. "Trump wird vom ersten Tag an nach dem Motto 'Drill, baby, drill' deutlich mehr amerikanisches Öl und Gas fördern und exportieren. Das wird zum Nachteil Russlands die Ölpreise unter Druck bringen."
Und Trump könne damit drohen, die Ukraine noch stärker aufzurüsten, als der zögerliche Joe Biden dies getan habe.
Abschied von den NATO-Ambitionen?
Herbst sieht vier Kernpunkte eines möglichen Trump-Friedensplans. Zwei davon seien für die Ukraine schwer zu akzeptieren - "de facto ukrainisches Territorium unter russische Kontrolle zu stellen. Und für 20 Jahre das Ziel der NATO-Mitgliedschaft aufzugeben."
Die anderen zwei Punkte seien für Russland schwer akzeptabel: eine entmilitarisierte Zone, gesichert durch europäische Bodentruppen - robuste friedenserzwingende Truppen, wie Herbst betont. Und die "Aufrüstung der Ukraine zum Schutz vor künftigen russischen Angriffen".
Zentral seien dabei Sicherheitsgarantien der USA, meint Herbst - nicht nur direkt für die Ukraine, sondern auch für die europäischen Bodentruppen. Dabei müssten keine amerikanischen Soldaten am Boden zum Einsatz kommen, wichtig sei im Fall russischer Provokationen US-Unterstützung aus der Luft durch Flugzeuge und Raketen.
"Ein dauerhafter Friede ist möglich" - wenn ...
Und welchen Zeitplan hält Herbst für realistisch? Es werde nach der ersten Kontaktaufnahme mit Putin der Erfahrung nach zwei bis drei Monate dauern, bis dieser reagiere. Nach weiteren Monaten der Verhandlungen könnten im nächsten Herbst, spätestens Ende des Jahres, europäische Friedenstruppen zum Einsatz kommen, meint der Ex-Diplomat.
Wie viele Friedenstruppen? "Wenn man 100.000 Europäer in der Ukraine stationiert - vielleicht weniger, vielleicht mehr, jedenfalls eine hohe Zahl - und die USA jede russische Provokation entschlossen mitbeantworten, ist ein dauerhafter Friede möglich", meint Herbst.
"Trump will definitiv nicht als Verlierer dastehen"
Mark Katz, Politikwissenschaftler an der George Mason University, ist deutlich zurückhaltender. Sowohl das Vorgehen Trumps als auch das Verhalten Putins seien für konkrete Vorhersagen viel zu unberechenbar, betont er.
Doch auch Katz glaubt nicht, dass Trump die Ukraine im Stich lassen werde: "Im vergangenen Jahr haben viele Republikaner gegen Ukraine-Hilfen argumentiert, weil sie Biden keinen Erfolg gönnen wollten. Wenn jetzt unter Trump die Ukraine besiegt würde, wäre das auch Trumps Niederlage. Und er will definitiv nicht als Verlierer dastehen."
Wo sieht Katz die Ukraine in einem Jahr? "Was ich wirklich hoffe, ist, dass wir in einem Jahr einen Waffenstillstand haben. Denn wenn nicht, müssen wir uns auf einen wirklichen, größeren Krieg in Europa einstellen."