Machtkampf in Venezuela USA erkennen Oppositionellen als Wahlsieger an
Offiziell hat Präsident Maduro die Wahl in Venezuela gewonnen. Doch viele Staaten zweifeln am Ergebnis der Wahlbehörde. Die USA haben nun Farbe bekannt und den Oppositionskandidaten González als Wahlsieger anerkannt.
Seit Tagen fordern diverse Länder Lateinamerikas, die USA und die EU Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro dazu auf, nach der umstrittenen Präsidentenwahl die Wahlakten der Öffentlichkeit oder einem unabhängigen Gremium zugänglich zu machen. Den USA scheint das zu langsam zu gehen, genauso wie der peruanischen Regierung. Sie wollen offenbar den Druck erhöhen und erkennen den Oppositionskandidaten Edmundo González als Sieger der Präsidentenwahlen an.
"Angesichts der überwältigenden Beweise ist es für die Vereinigten Staaten und vor allem für das venezolanische Volk klar, dass Edmundo González Urrutia bei der Präsidentenwahl am 28. Juli in Venezuela die meisten Stimmen erhalten hat", erklärte US-Außenminister Antony Blinken.
Wahlakten bislang nicht öffentlich
Maduro hatte den Wahlsieg für sich reklamiert. Die Opposition hatte ihm Wahlbetrug vorgeworfen. Die Wahlakten hat Maduro bislang nicht öffentlich gemacht. Der Staatschef hatte sie lediglich dem Obersten Gerichtshof vorgelegt, der bekanntermaßen der sozialistischen Regierung nahesteht.
Es scheint wie ein Flashback. Bereits 2019 hatten die USA als erstes Land den Oppositionsführer Juan Guaidó, der sich selbst als Interimspräsident ernannt hatte, anerkannt, etwa 60 Länder folgten - bis sie ihn ein paar Jahre später wieder fallen ließen. Auch diese Wahlen waren von Manipulationsvorwürfen geprägt. Maduro hat sich gehalten, ist nicht zurückgetreten, hat es ausgesessen. Derzeit scheint er auch keine Anstalten zu machen.
Stattdessen ist er in den vergangenen Tagen repressiv gegen Demonstranten, Oppositionsmitglieder und Regierungskritiker vorgegangen. Tausende Menschen sind in den vergangenen Tagen in der Hauptstadt Caracas und im ganzen Land auf die Straße gegangen.
Mehr als 1.000 Verhaftungen - auch Minderjährige darunter
Laut Generalstaatsanwaltschaft sind mehr als 1.000 Menschen in den vergangenen Tagen festgenommen worden. Alfredo Romero arbeitet für die venezolanische Nichtregierungsorganisation Foro Penal. Der Anwalt hat die Verteidigung von 50 Fällen übernommen, erklärt er gegenüber dem venezolanischen unabhängigen Online-Medium Pitazo. Unter ihnen seien auch elf Minderjährige und ein junger Mann mit Behinderung. Sie seien 15 und 17 Jahre alt.
Er und seine Kollegen hätten bisher noch keinen Zugang zu ihren Klienten bekommen, obwohl sie die Autorisierung der Familienangehörigen hätten, sagt Romero. Es gebe keine Angaben darüber, in welchem gesundheitlichen Zustand sie seien.
Systematische Menschenrechtsverletzungen
Die Menschenrechte würden systematisch verletzt. Laut Foro Penal sind mindestens elf Menschen bei den Protesten ums Leben gekommen. Andere Organisationen sprechen bereits von mehr als 20 Fällen.
In Petare, dem größten Armenviertel im Osten Caracas, hätten viele Menschen Angst, das Haus zu verlassen, berichtet eine Journalistin, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben will: "Bewohner aus diesem Stadtteil berichten davon, dass sie Drohungen von Mitarbeitern von lokalen Behörden bekommen haben - auch im Viertel 23 de Enero." Sie würden beschuldigt, an den Protesten teilgenommen zu haben. Und selbst die, die gar nicht bei den Demonstrationen dabei gewesen waren, würden mitgenommen.
Viele Gerüchte kursieren in diesen Tagen. Es sei derzeit noch schwieriger, an Informationen zu kommen, erklärt die Journalistin. Reporter würden unter Druck gesetzt, nicht über die Proteste zu berichten. Es gebe viel Zensur, aber auch Autozensur. "Ein großes Problem ist die Desinformation und das macht die Menschen natürlich noch nervöser. Viele fragen sich: Was können wir denn noch machen, um die Situation zu verändern?"
Gefangen im eigenen Land
Es ist wieder ruhiger auf den Straßen von Caracas geworden. Die Läden sind wieder geöffnet, als wäre nie etwas passiert. "Das Leben geht weiter. Wir müssen arbeiten. Von irgendwas müssen wir ja leben", sagt eine Frau, als müsse sie sich rechtfertigen. Den eigentlichen Namen will in diesen Tagen kaum jemand nennen.
Ein Taxifahrer kann es immer noch nicht fassen. Er fühlt sich gefangen, erzählt er in einer Sprachnachricht. Ihn provozieren die Äußerungen von Landsleuten, die in den letzten Jahren in die USA, nach Spanien oder Kolumbien geflüchtet sind: "Sie sagen, dass wir hier nur Dreck essen würden und sie nie wieder nach Venezuela zurückkehren werden. Und dann fordern sie auch noch schärfere Sanktionen." Aber die Sanktionen würden am Ende die Bevölkerung treffen - diejenigen, die im Land geblieben sind und dort hart für einen feuchten Händedruck arbeiten würden.
Der Taxifahrer hat fünf Kinder, die er zum großen Teil noch unterstützen muss. Verlassen kann er das Land nicht, dafür fehlt ihm das Geld. Außerdem könne er sich nicht vorstellen, irgendwo neu Fuß zu fassen, sagt er. Viele würden auch im Ausland in prekären Verhältnissen leben. Fast acht Millionen Menschen haben in den letzten Jahren das Land verlassen - ein Viertel der Gesamtbevölkerung.
Oppositionsführerin hält sich versteckt
Währenddessen ruft die Oppositionsführerin María Corina Machado für Samstag im ganzen Land zum Protest auf. "#ganóVlz - Venezuela hat gewonnen." Damit meldete sich die Oppositionsführerin Maria Corina Machado auf der Plattform X zu Wort. "Die Welt wird die Stärke einer Gesellschaft sehen, die entschlossen ist, in Freiheit zu leben", sagt sie dort kämpferisch in die Kamera.
Wo sie sich derzeit befindet, ist unklar. Zuletzt war sie bei den Protesten am Dienstag mit Anhängern auf der Straße gesehen worden. Sie halte sich versteckt, weil sie um ihr Leben fürchten müsse. Die Generalstaatsanwaltschaft ermittelt gegen sie und den Präsidentschaftskandidaten der Opposition, Edmundo González, unter anderem weil sie den Wahlrat gehackt haben soll.