Zwei Männer sitzen in Beirut vor einem Auto und rauchen Wasserpfeiffe.
reportage

Beirut Zwischen Ausnahmezustand und Sorglosigkeit

Stand: 31.07.2024 01:37 Uhr

In der libanesischen Hauptstadt ist es etwas ruhiger als sonst, aber Restaurants und Geschäfte haben geöffnet. Hinter der scheinbaren Normalität steckt viel Nervosität - und die Hoffnung, dass die große Eskalation ausbleibt.

Ankunft am internationalen Flughafen von Beirut - benannt nach Rafik Hariri, dem 2005 ermordeten ehemaligen Premierminister Libanons. Auch wenn viele Fluggesellschaften ihre Verbindungen nach Beirut wegen der drohenden Kriegsgefahr gestrichen haben, ist die Schlange bei der Einreise lang: libanesische Familien mit Kindern, viele Syrer, die im Libanon arbeiten. Von großer Sorge ist wenig zu spüren.

Nach der Passkontrolle verteilt ein junger Mann rote Flyer: City Sightseeing Beirut. Die Tour vom Märtyrerplatz bis zum Nationalmuseum kostet 25 Dollar für Erwachsene und 20 Dollar für Kinder - natürlich mit einem Stopp an der traumhaften Aussicht auf die berühmten Felsen von Raouche.

"Das Leben ist zu einem hohen Grad normal. Niemand hortet Benzin oder Lebensmittel - es gibt keine Panik", sagt Jad Yattem. Der Kolumnist der liberalen Zeitung An-Nahar hat in den letzten Tagen aber auch gemerkt, dass nicht alles ist wie immer: "Es gibt weniger Verkehr und in der Nacht lassen die Leute ihre Fenster geöffnet, damit sie nicht zerspringen, wenn es einen Angriff gibt."

Die Nerven sind angespannt

In Beirut und im ganzen Libanon haben die Menschen einen harten israelischen Gegenschlag erwartet - nach dem am Wochenende eine Rakete im Ort Majdal Shams auf den von Israel besetzten Golanhöhen eingeschlagen ist und zwölf Kinder und Jugendliche tötete. Nun hat Israel ein Gebäude in Beirut bombardiert - im Süden der Hauptstadt, wo die schiitische Hizbollah ihre Hochburg hat.

Trotzdem hoffen die Menschen in Libanons Hauptstadt, dass ihre Stadt nicht weiter in die Kämpfe hineingezogen wird. Anders als 2006 beim letzten großen Krieg, als die israelische Armee unter anderem den Flughafen in Beirut bombardiert hat.

Die meisten Leute würden jetzt nicht mit einer solchen Eskalation rechnen, sagt der Journalist Yattem. Dennoch seien die Nerven angespannt, dagegen helfe - typisch libanesisch - Galgenhumor: "Es gibt diesen gängigen Witz: Wenn die Israelis damit drohen, unsere Infrastruktur zu zerstören - na und - wir haben bereits keine funktionierende Infrastruktur."

2020: Mehr als 200 Menschen starben bei Explosion

Vor ziemlich genau vier Jahren zerstörte eine riesige Explosion den Hafen von Beirut. Die Ursache war fahrlässig gelagertes schnell entzündliches Ammoniumnitrat: 2.750 Tonnen, um die sich mehrere Jahre lang niemand gekümmert hat. Mehr als 200 Menschen starben im August 2020, Tausende wurden verletzt. Viele Schäden sind noch heute zu sehen. Von dieser Explosion habe sich Beirut bis heute nicht erholt, sagen viele.

Andererseits sind die schicken Restaurants gut besucht - von elegant gekleideten Männern und Frauen, die ihre Schönheitsoperationen aus den letzten Jahren nicht immer verleugnen können. Vor den Restaurants betteln Frauen und Kinder, die aus Syrien geflohen sind, um einen Hunderttausender - umgerechnet ungefähr ein Euro. Durch den Währungsverfall ist das libanesische Pfund nichts mehr wert.

In den Restaurants spielten auch in den letzten Wochen Bands - zu Hummus, Tabouleh und scharfen Würstchen in Granatapfelsauce.

Zwischen Normalität und Nervosität

Gleichzeitig ist der Süden des Landes seit fast zehn Monaten wegen der andauernden Gefechte zwischen der Hizbollah und der israelischen Armee im Ausnahmezustand. Nach UN-Angaben haben knapp 100.000 Menschen ihre Dörfer verlassen. Viele von ihnen sind in die Hauptstadt gekommen.

Mit der scheinbaren Sorglosigkeit vieler Menschen hier haben sie durchaus ihre Probleme: "Ich wünschte mir fast, dass hier auch mal etwas passiert. Dann wissen sie was bei uns jeden Tag los ist", sagt einer, der aus dem Süden geflohen ist.

Nun hat Israel am Abend auch die Hauptstadt bombardiert. Viele Menschen hoffen dennoch, dass die große Eskalation ausbleibt.